Schmierentragödie

Mein Gott, was für ein jämmerliches Schauspiel war das, als Tucker Carlson sich, sein Land und dessen Verbündete dem Profilügner Putin auslieferte. Man könnte von einer Schmierenkomödie sprechen, wenn der angerichtete Schaden nicht so groß wäre. Also eine Schmierentragödie.

Auf das scheußliche Gelaber von dem klein geratenen Großrussen will ich gar nicht eingehen, sondern nur eine Passage des Interviews herausgreifen. Da hatte der Tucker doch tatsächlich den Mut, Putin zu fragen, ob Russland beabsichtige, neben der Ukraine auch noch andere Staaten wie Polen oder das Baltikum anzugreifen. Fast süffisant erklärte Putin, das sei auf keinen Fall beabsichtigt. Das läge nicht im Interesse Russlands.

Für Tucker Carlson war das natürlich eine Steilvorlage, und mit etwas Rückgrat hätte Carlson sie aufnehmen müssen. Er hätte Putin fragen müssen, wie es denn wäre, wenn Russlands Interessenlage sich änderte. Er hätte fragen müssen, ob die Sicherheit der Länder von Russlands Interessen abhängig seien. Hat er aber nicht, dieser Hardcore-Trumpist. Ganz im Sinne Trumps?

Und so bleibt nur ein übler Nachgeschmack, der durch Trumps jüngste Äußerungen zur Nato noch einmal verstärkt wird. Trump, der eine demokratische Wahl nicht akzeptiert, der den Todfeind des Westens auf solche Nato-Mitglieder hetzt, die sein persönliches Missfallen erregen. Trump, der wie eine wilde Bestie um sich beißt. Da fällt einem nicht so sehr das Weiße Haus ein, sondern eher ein Käfig.

Dass dieser Mensch eine große und treue Anhängerschaft hat, steht auf einem anderen Blatt. Putin hat ja ebenfalls viele Anhänger. Das Terror-Regime in Teheran ebenfalls. Und der große Vorsitzende Xi. Zeit, mal drüber nachzudenken, was in den Köpfen von Bürgern so vorgeht. Auch in den Köpfen deutscher Brüger, vor allem jener Leute, die in den neuen Bundesländern wohnen. Falls da überhaupt etwas vorgeht.

Üble Geschichte

Die Digitalisierung hat inzwischen so gut wie alle Lebensbereiche erfasst und teilweise erheblich verändert. Es ist eine unüberschaubar große Zahl von neuen Produkten entstanden. Produkte aller Art: Geräte, Software, Systeme, Strukturen usw. Zum Teil ist es Aufgabe dieser Produkte, wieder neue Digitalprodukte zu generieren. Eine Dynamik, wie es sie in der ganzen Menschheitsgeschichte noch nie gab.

Einige Digitalerzeugnisse sind unerlässlich, weil die Digitalisierung sich selbst unentbehrlich gemacht hat. Andere Produkte sind ganz nützlich und haben auch vergleichsweise geringe Nebenwirkungen. Der größte Teil allerdings ist – sagen wie mal – bestenfalls überflüssig (wenngleich auch schick oder „smart“) und zudem fragwürdig. Als Beispiel will ich hier nur das Smarthome anführen. Ja und dann gibt es eine Vielzahl von ausgesprochen gefährlichen oder üblen Digitalprodukten. Dazu gehört der Bitcoin. Man könnte diese Krypto“währung“ sogar als eiterndes Geschwür in der ohnehin nicht sehr gesunden Finanzwelt bezeichnen.

1. Bitcoin als Währung? Auch wenn sich in der kapitalistischen Welt alles ums Geld dreht, sollte man nicht vergessen, dass Geld an sich ziemlich wertlos ist. Der Wert, den man dem Geld zuschreibt, steckt in Wirklichkeit in den Produkten, die man damit kaufen kann. Damit das Gefüge von realen Werten und der Repräsentation in Form von Geld nicht durcheinandergerät, müssen die beiden Dinge aufeinander abgestimmt sein, was wiederum eine Regulierung erfordert. Diese Regulierung nehmen z.B. Zentralbanken vor. Wenn die Regulierung versagt, kann es gefährlich aus dem Ruder laufen; die Hyperinflation 1923 ist ein Beispiel. Eine Währung muss die solide Wechselbeziehung zwischen Geld und Realwerten gewährleisten. Der Bitcoin entzieht sich jeder Kontrolle und verdient deshalb auch nicht die Bezeichnung „Währung“.

2. Das Geldwesen hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem komplexen, kaum noch zu durchschauenden Gebilde entwickelt. Die Finanzwirtschaft ist zu einem regelrechten Dickicht ausgewuchert. In diesem Dchungel geht es vor allem darum, mit Geld mehr Geld zu machen, was Spekulanten und risikofreudige Investoren auf den Plan ruft. Natürlich sind die Finanzgeschäfte (meistens) legal, aber sie stören dennoch die ausgewogenen Gleichgewichte, die Voraussetzung eines stabilen Geldwesens sind. Im Extremfall kann es zu gefährlichen Krisen kommen; es sei nur an die Finanzkrise 2008 und vor allem an die Weltwirtschaftskrise 1929 errinnert. Damit zum Bitcoin: Diese Geldsorte lebt zu 100 % von Spekulation. Der Kurs wird nicht von realen Werten bestimmt, sondern ausschließlich von Spekulationen anderer auf den – Bitcoin. Geht’s noch widerlicher?

3. Dank der zugrunde liegenden Blockchain-Technik ist der Bitcoin extrem sicher und vor alllem absolut geheim. Es ist so gut wir unmöglich, den Urheber irgendeiner Transaktion ausfindig zu machen. Das macht den Bitcoin zu einer Währung für Kriminelle, denn bei sauberen Geldgeschäften ist die absolute Geheimhaltung kaum erforderlich, wenngleich die Sicherheit schon wünschenswert wäre. Tatsächlich haben sich viele Leute aus Verwaltung und Wissenschaft begeistert über die Blockchain-Technik geäußert. Dennoch: Dinge wie Geldwäsche oder die Bezahlung krimineller Machenschaften werden durch den Bitcoin ganz erheblich begünstigt.

4. Noch einmal die Blockchain-Technik. Sie ist extrem energiehungrig, wobei der Energieverbrauch nicht ohne weiteres (etwa durch Löschung) wieder zurückgefahren werden kann. Vielmehr kommt es zu einer unaufhaltsamen, permanenten Steigerung des Energiebedarfs. Alleine diese Technik hat das Zeug, alle Bemühungen zur Temperaturdrosselung auf dem Planeten zunichte zu machen – vorausgesetzt, die an sich ja so phaszinierende Blockchain-Technik wird allgemein eingesetzt.

Fazit: Kann man es einem Erpresser oder Betrüger verdenken, wenn er seine Bemühungen in Bitcoins auszahlen lässt? Solange es bei der Kryptowährung bleibt, ist es ein unegährliches Spiel. Aber irgendwann will man seine Bitcoins zu richtigem Geld machen, damit man auch etwas davon hat. Damit kommen die Plattformen und Institute ins Spiel, wo man die Mögichkeit zum Geldwechsel anbietet (natürlich anonym) – und dabei selbst am Bitcoin verdienen will. Dass es (vor allem in der Schweiz und den USA) Finanzinstitute gibt, die sich aufgeschlossen zum Bitcoin zeigen, sollte nicht überraschen. Finanzinstitute und Banken sind längst nicht mehr die soliden, vertrauenswürdigen Instanzen, sondern aktiv in Spekulationen und zweifelhafte Investitionen verstrickt.

 

 

Digitalisierung 1: Streaming, mal etwas kritischer betrachtet

Streaming ist beliebt, egal ob Film oder Musik. So ein Abonnement kostet nicht allzu viel, und man kann die Inhalte beliebig oft und zu jeder  gewünschten bzw. passenden Zeit konsumieren. Und wenn für einzelne Inhalte bezahlt werden muss, dann sind das oft nur Kleckerbeträge. Die ideale Methode des Medienkonsums also. Scheint jedenfalls so.

Wirklich so ideal? Beginnen wir beim Preis. Es kommen immer neue Streamingdienste hinzu, aber je mehr davon verfügbar sind, desto geringer ist das Angebot eines einzelnen Dienstes, jedenfalls wenn es um Highlights geht. Folglich abonniert man halt mehrere Anbieter – und schon ist der Traum vom billigen Mediengenuss ausgeträumt.

Doch der Kostenfaktor ist nur ein Aspekt, und nicht einmal der wichtigste – auch wenn viele Nutzer vorrangig an die Kosten denken (neben den Inhalten natürlich). Nein, es gibt da noch zwei wesentlich schwerwiegendere Gesichtspunkte:

a) Aus der Sicht der Streaming-Anbieter: Sie haben die volle (!) Kontrolle über das Hör- und Sehverhalten ihrer Kunden. Nicht nur das Wann und Wie-lange ist sehr aufschlussreich, sondern vor allem die Auswahl der Titel. Das alles wird natürlich genauestens registriert und lässt sich hervorragend analysieren. Die Streaming-Anbieter verfügen über detaillierte Charakterbilder ihrer Kunden und können diese Daten lukrativ vermarkten, insbesondere wenn datenhungrige KI an Bedeutung gewinnt.

b) Aus der Sicht der Benutzer: Die bequeme, Jederzeit-Verfügbarkeit von gefühlt unzähligen Titeln verführt zu oberflächlichem Medienkonsum. Da wird herumprobiert, weggeschoben, wenn es im Augenblick mal nicht spannend genug zugeht. Die Leute hopsen gerne von Titel zu Titel, ohne echte Vorlieben zu pflegen oder das Gespür für echte Qualität zu schärfen. Diese Oberflächlichkeit, die übrigens kennzeichnend für weite Teile der Digitalisierung ist, trägt zum Werteverfall innerhalb der Gesellschaft bei.

Was besonders bedrückt, ist die Tatsache, dass die beiden Nebenwirkungen in der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden (außer von den Anbietern; die wissen genau, was sie wollen).

 

 

 

Wenn schon gendern, dann richtig

Tja, ich habe mich auf die Seite der Genderer geschlagen. Nicht, dass ich persönlich den Stern oder den Unterstrich mitten im Wort verwenden könnte, aber ich kann mitlerweile akzeptieren, dass andere es tun. Ein Problem liegt mir aber noch am Herzen: Was machen wir mit den vielen Texten, auch den Texten von Dichtern und Autorinnen, die vor der Genderzeit entstanden sind? Schließlich war Diskriminierung  auch dann schon Diskriminierung, als niemand daran dachte.

Nun, ich will hier nicht Goethes gesammelte Werke herauskramen, sondern drei Beispiele anführen, die vielleicht typisch für die Problematik sind. Es handelt sich um die Texte von bekannten Nationalhymnen, nämlich die Texte der deutschen, österreichischen und auropäischen Natlonalhymne.

Beginnen wir mit der österreichischen. „Brüder, reicht die Hand zum Bunde.“ heißt es gleich in der ersten Strophe. Brüder? Wo bleiben denn die Schwestern? In der deutschen Hymne werden ebenfalls nur die Brüder zitiert, wenn es heißt: „Brüderlich mit Herz und Hand.“ Und in der Ode an die Freude heißt es: „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Was ist denn das, fragt man entsetzt. Spricht Schiller nur die Männer an, oder will er gar die Frauen und sonstigen Geschlechter zu Männern machen?

Krasse Fälle, aber was tun? Die alten Texte gendersprachlich überarbeiten? Ich denke, das geht nicht, denn das wäre eine glatte Fälschung. Sicher, im Zuge der Digitalisierung verliert Echtheit an Bedeutung, ebenso wie Wahrheit. Andere Werte treten in den Vordergrund, wie z.B. Nutzen, Wirksamkeit usw., aber wenn’s um vordigitale Werke geht, sollten wir auf jeden Fall bei der Echtheit bleiben.

Andere Möglichkeit: Wir verwenden andere, unverfängliche Strophen. Doch im Falle des Deutschlandliedes wären die Strophen dann bereits verbraucht, und im Falle der Freude-Ode kann man kaum ausweichen, denn es ist ja gerade der Text der 1. Strophe, der so eingängig und aufmunternd herüberkommt. Wie es um die österreichische Hmyne bestellt ist, weiß ich nicht.

Oder ein verpflichtender Hinweis vor jedem Gebrauch: Vorsicht, diskriminierend! Jugendliche auf die damit verbundenen Gefahren aufmerksam machen. Und nach Möglichkeit nur sparsam anwenden. Hm, das ist wohl kaum konsequent genug.

Nein, es gibt nur eine überzeugende Lösung für dieses und ähnlich gelagerte Probleme: Die Nationalhymnen müssen verboten und durch andere ersetzt werden. Natürlich auch alle anderen Texte, die gegen die Genderregeln verstoßen. Wir müssten die verbotenen Werke auflisten, quasi auf den Index setzen. Der Begriff „Index“ passt übrigens sehr gut, denn die Gendergemeinde stellt schließlich eine hohe moralische Instanz dar, so dass der Vergleich mit der christlichen Kirche der Vergangenheit gar nicht so verkehrt ist. Oder?

Jetzt müsste noch ein geeigneter Schlusssatz folgen, aber mir fällt keiner ein. Die Gendersprache macht irgendwie auch sprachlos.

Künstliche Intelligenz – Fluch oder Segen?

Es gibt kaum einen Sachverhalt, bei dem die Meinungen so weit auseinanderklaffen wie bei der „künstlichen Intelligenz“. Am Anfang dieses Beitrags stelle ich einfach mal zwei Meinungen vor:

„Systeme und Geräte, die wir mit künstlicher Intelligenz ausstatten, sind selbständige Wesen; sie haben Anspruch auf Artenschutz.“
(ein Entwickler in einer Software-Firma)

„Wir sind bestrebt, der künstlichen Intelligenz Liebe beizubringen. Damit sollte sichergestellt sein, dass sich künstlich-intelligente Systeme nicht gegen Menschen richten.“
(eine Dozentin, die an der Berkeley-Universität in Kalifornien lehrt und forscht)

Jedem vernünftig denkenden Menschen sollte klar sein: Die Auffassungen dieser beiden Protagonisten tragen auf keinen Fall zu einem sinnvollen Umgang mit KI bei; sie kennzeichnen einen zynischen Umgang mit humanen Werten und sind darüber hinaus ziemlich gefährlich. Eine entscheidende Ursache für derartig schrille Extremauffassungen dürfte die überall zu beobachtende, maßlose wissenschaftliche Arroganz sein. Alles scheint möglich zu sein; Grenzüberschreitungen werden durch die Überschreitung anderer Grenzen gerechtfertigt. Geschöpfe fühlen sich ermutigt, in die Schöpferrolle zu schlüpfen, und in ihrer Überheblichkeit merken sie gar nicht, wie sehr sie die Menschen verhöhnen, die in aufopfernder Liebe ihren Mitmenschen zugetan sind. Ein Algorithmus kann nicht lieben.

Um zu einem vernünftigen Umang mit der KI zu gelangen, sind Extremauffassungen wie die zitierten wenig hilfreich, ebensowenig wie panisches Weltuntergangsgeschrei oder das euphorische Versprechen einer glücklichen, digitalen Zukunft. Ki ist Algorithmik, nicht mehr. Allerdings eine besonders leistungsfähige und deshalb auch gefährliche. Doch wie die KI-gesteuerte Zukunft aussieht, ist einzig und allein Sache der Menschen. Die Menschen haben es in der Hand, KI zu ihrem Nutzen einzusetzen und KI-bedingte Schäden zu vermeiden. Doch dazu ist es erforderlich, das entscheidende Merkmal der künstlichen Intelligenz zu erkennen und jederzeit im Blick zu behalten.

Wie schon gesagt handelt es sich bei KI-Systemen um Algorithmen, und alles, was mit KI erreicht werden kann, wäre prinzipiell auch mit herkömmlichen Programmen zu bewerkstelligen – sofern wir den dazu erforderlichen Aufwand leisten könnten. Da sind uns die KI-Systeme deutlich überlegen, weswegen wir aber nicht vor Ehrfurcht erstarren müssen. Ein Bagger ist uns ja auch kräftemäßig überlegen, ohne dass wir ihn gleich unter Artenschutz stellen müssten.

Das Wesentliche, was KI von allem bisher Dagewesenen unterscheidet, sind nicht die Leistungsfähigkeit und die Einsatzmöglichkeiten, sondern die Kontrolle, der sich KI entzieht. Wir wissen nicht, wie der Algorithmus vorgeht; er präsentiert uns ein mehr oder weniger gutes Ergebnis, das im Wiederholungsfall ganz anders ausfallen könnte. KI-Systeme sind unberechenbar, und genau damit berühren wir die eigentliche Problematik.

Im Grunde ist es ein Dilemma. Einerseits entziehen sich KI-gesteuerte Vorgänge der unmittelbaren Beobachtung und Kontrolle; andererseits sind diese Systeme Werikzeuge, die wie alle Werkzeuge kontrolliert und zielorientiert eingesetzt werden müssen. Man darf auf kenen Fall (!) ein KI-System sich vollständig selbständig überlassen, so wie es manchen KI-Missionaren vorschwebt. Es entstehen weder neue, schützenswerte Arten (allenfalls digitale Monster) noch lassen KI-Systeme sich durch algorithmische „Liebe“ in die Schranken verweisen. Wie also mit KI umgehen?

Auf jeden Fall brauchen wir ein Regelwerk, das strikt einzuhalten ist. Dazu gehört die konsequente Sanktionierung bei Regelüberschreitungen. Andernfalls wird die KI-Entwicklung im Chaos enden. Im Grunde hätten wir ein solches Regelwerk auch schon im Zuge der herkömmlichen Digitalisierung (PA = programmatische Algorithmik) einsetzen sollen; dann wäre uns mancher digitale Wildwuchs erspart geblieben. Man muss sich nur mal vorstellen: Jährlicher Schaden durch Cyber-Kriminalität in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro. Der gesellschaftliche Schaden wir noch erheblicher sein und lässt sich nicht beziffern (Verrohung, menschliche Entfremdung, Fake-news, Meinungsblasen, Stress und Krankheit durch Dauerpräsenz usw. usw.).

Aber zurück zur KI. Die nächstliegende Regel muss in der Forderung bestehen, dass alle KI-Produkte, egal ob Texte, Bilder, Diagnosen, Informationen etc., deutlich als KI-Erzeugnisse gekennzeichet werden müssen. Im Grunde reicht diese selbstverständliche Forderung ins Urheberrecht hinein, das infolgedessen den Schwerpunkt nicht hauptsächlich auf das Vermarktungsrecht des Urhebers legen dürfte, sondern auf das Recht des Lesers, Betrachters oder Anwenders, den Urheber zu erfahren. In gewisser Hinsicht ein Paradigmenwechsel.

Ganz wichtig wird sein, dass gesellschaftsrelevante Schritte immer in der Hand von Menschen liegen müssen. Wenn es also um Entscheidungen geht, die in die Grundrechte von Menschen hineinreichen oder deren Lebensführung erheblich beeinflussen, dürfen grundsätzlich nur Menschen entscheiden. KI kann zwar bei der Beurteilung einer Situation helfen und Entscheidungsvorschläge liefern, aber die eigentliche Entscheidung muss immer von Menschen getroffen werden. Und dass bei den Begründungen darauf hingewiesen wird, falls KI im Spiele ist, sollte selbstverständlich sein.

Viele Vorgänge werden automatisch von Ki gesteuert werden. Solange es um technische Dinge handelt, ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden – sofern es die Möglichkeit gibt, korrigierend in die Vorgänge einzugreifen. Das bedeutet vor allem, automatische Abläufe auf der Stelle beenden zu können. Der Interrupt-Schalter muss absolut sicher und möglichst verzögerungsfrei funktionieren. Da sich die KI-Vorgänge nicht direkt kontrollieren lassen, müssen sie in möglichst kleine Schritte zerlegt werden, zwischen denen eine Ergebniskontrolle möglich ist – und vor allem ein Einschreiten.

Aber nicht nur die Abläufe müssen fragmentiert werden, sondern auch die Zuständigkeitsbereiche. Es darf auf keinen Falll ein KI-Monster geben, das die verschiedensten Aufgabenbereiche bearbeitet und kontrolliert. Was nützt z.B. ein Sicherheitsschalter, wenn das zu überwachende KI-System diesen Schalter deaktivieren kann? Aktuelle, noch nicht ausentwickelte KI-Systeme werden oft als nützliche Fachidtioten bezeichnet. Genau das müssen sie bleiben – aus Sicherheitsgründen und um sicherzustellen, dass Menschen die Technik beherrschen und nicht umgekehrt.

Es hat sich gezeigt, dass KI-Systeme das Aussehen, Verhalten, die Sprache usw. von real existierenden Menschen kopieren können, und zwar täuschend echt. Ähnliches gilt für kreative Werke von Menschen: Musik, die selbst von Experten nicht von der Musik eines Bach oder Händel zu unterscheiden ist; Bilder, mit denen sich Dutzende von täuschend echt aussehenden Edvard Munchs „finden“ lassen. Für all diese „Leistungen“ gibt es keine (keine einzige) sinnvolle oder auch nur vertretbare Anwendung. Alle Anwendungen auf dieser Basis sind Täuschung, Betrug, und zwar von einer ziemlich widerlichen Art. Deshalb muss es eine Regel geben, dass Menschen überhaupt keinen Zugang zu solchen KI-Anwendungen erhalten, was auch bedeutet, dass KI-Systeme grundsätzlich nur mit anonymisierten Daten trainiert werden dürfen. Hier wird erneut deutlich, dass bereits vor der künstlichen Intelligenz manches falsch gelaufen ist und immer noch läuft.

Dieses sind nur einige Gedanken zum KI-Regelwerk. Man kann über die Ausgestaltung dieser Regeln streiten, aber zwei Dinge darf man dabei nicht aus dem Blick verlieren:

1. Im Miteinander von Mensch und Technik muss immer der Mensch die Entscheidungs- und Gestaltungshoheit behalten, und zwar in allen Bereichen.
2. Künstliche Intelligenz ist Algorithmik, also Technik, und darf niemals mehr als nur Werkzeug sein.

Vor allem aber der Grundsatz:

Entscheidend für das Handeln und Planen der Menschen darf nicht das sein, was sie können, sondern das, was sie dürfen. Zu oft hat die Menschheit im Vertrauen auf ihr Können ihr Handeln gleichzeitig als richtig und erlaubt eingestuft oder – was genau so  schlimm ist – kritiklos als unvermeidlich akzeptiert. Nun bricht unser Planet unter unseren Füßen auseinander, und kein Klimakleber kann die Risse noch kitten. Auch die Digitalisierung nicht; sie vermag allenfalls, uns vor den Rissen zu warnen, dass wir nicht hineinfallen.

 

Formalitäten

Mit diesem Beitrag knüpfe ich unmittelbar an den vorangegangenen Beitrag „Gendern – aber richtig“ an. Gendern ist eine Erscheinungsform der „politischen Korrektheit“.

Ehrlich, ich kann sie nicht mehr ertragen, diese Missionare der „politischen Korrektheit“ oder – um es auf deutsch zu sagen – der „political correctness“. Diese Leute verfangen sich in oberflächlichen Formalitäten und kommen sich als Weltverbesserer vor, obwohl sie nicht den Mumm haben, an den Kern der Probleme heranzugehen. Gleichzeitig ein typisches Beispiel für den „Komfort“ der digitalen Zeit: Alles möglich, alles besser machen, alles vorantreiben, aber bitteschön ohne wirklich Verantwortung zu übernehmen oder schwerwiegende Entscheidungen treffen zu müssen.

Flucht an die Oberfläche. Es ist einfacher (und sicherer), Sprache zu zerstören oder von A-Worten, B-Worten, C-Worten … Z-Worten zu reden anstatt sich mit den Poblemen auseinanderzusetzen oder die Werte, die andere Generationen unter anderen Voraussetzungen gebildet haben, zumindest respektvoll zu betrachten. Und natürlich kritisch und distanziert. Aber sollten wir nicht auch unsere heutigen Maßstäbe kritisch und distanziert betrachten? Ist die Welt wirklich besser geworden, nur weil’s die heutige Welt ist?

Zweifellos ist das wüste Sternchengendern eine besonders zerstörerische Erscheinungsform der „politischen Korrektheit“. Es gibt auch harmlose Fälle, die allenfalls peinlich sind. Als Beispiel erwähne ich die Umbenennung der „Zigeunersauce“ in „Paprikasauce“. Eigentlich habe ich jetzt gerade gegen die „politische Korrektheit“ verstoßen, den ich hätte es „Z-Wort-Sauce“ nennen müssen. Mit dem Z-Wort verbinde ich seit meiner Jugend eine freie Lebensform, verbunden mit einem hohen Maß an Temperament und Musikalität. „Z-Wort-Sauce“ ist demnach ein Ausdruck von Bewunderung für eine Lebensform, die zu einer überorganisierten, strikt auf Ordnung bedachten Welt nicht so richtig passen will. Übrigens: Hat schon jemand einen Vorschlag gemacht, wie man in Auschwitz-Birkenau das „Z-Wort-Lager“ demnächst politisch korrekt benennen könnte?

Eine besonders groteske Form der „politischen Korrektheit“ ist die „kulturelle Aneignung“, Eigentlich unvorstellbar, aber wahr: Fridays For Future hat einer Aktivistin die Teilnahme an einer Demonstration versagt, weil sie Rasta-Locken trug, also eine Frisur, die kennzeichnend für die Auflehnungskultur von Farbigen in den USA ist. Da kann man doch nicht einfach …

Deutlicher kann man den Unsinn der „kulturellen Aneignung“ nicht zum Ausdruck bringen. Da bemüht man sich im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Welt um Integration, wozu vor allem die Akzeptanz anderer Kulturen beiträgt. Mehr noch: andere Kulturen werden nicht als fremd und abstoßend, sondern als bereichernd für die eigene Kultur verstanden. Es gibt viele positive Beispiele, die genau das Gegenteil von dem verkörpern, was mit der „kulturellen Aneignung“ erreicht werden soll. Denken wir nur an die Musik. Müssen wir jetzt alle Spirituals und Gospel-Songs aus unserem Repertoire entfernen, weil wir sie uns angeeignet haben? Dürfen wir als Nichtjuden keine Kipa mehr tragen, um Solidarität mit den Juden zu zeigen, etwa beim Betreten eines jüdischen Friedhofs? Usw.

Das ganze Getue rund um „politische Korrektheit“ ist doch im Grunde nichts anderes als ein Plätschern an der Oberfläche, verbunden mit einem Ausweichen vor den eigentlichen Problemen. Kultureller Knigge. Egal wie’s schmeckt, Hauptsache die Gabel wird vorschriftsmäßig gehalten.

Gendern – aber richtig

Dieser letzte Beitrag zu dem Thema fällt mir nicht ganz leicht, und zwar vor allem deshalb, weil ich das englische Wort „gender“ und seine Varianten regelrecht zum Kotzen finde, ähnlich wie die Wortgruppe rund ums „date“. Widerlich. Da sind mir die Menschen, die sich – auf deutsch – zum Bumsen verabreden, doch lieber.

Gleichwohl ist es nicht verkehrt, wenn wir es sprachlich allen Geschlechtern (sorry, ich weiß nicht genau, wieviel es gibt, müssen so um die 6 oder 7 sein) recht machen wollen. Zwar kann Sprache keine gute Gesinnung erzeugen, wohl aber Ventile öffnen, so dass eine vorhandene, miese Gesinnung sich nun frei über die Gesellschaft ergießen kann. Also machen wir’s sprachlich korrekt.

Doch wie? Am besten ist es, wir besinnen uns auf den eigentlichen Kern von Sprache, nämlich das Sprachverständnis. Der Hörer (Leser usw.) soll das Mitgeteilte so auffassen, wie es vom Sprecher (Schreiber usw.) gemeint ist, und zwar mit allen denkbaren Facetten, wovon Humor und Ironie nicht die unwichtigsten sind. Wenn zum Beispiel die Rede davon ist, dass die Besucher eines Freiluftkonzerts begeistert waren, dann kommt niemand (absolut niemand) auf die Idee, es handele sich nur um männliche Besucher. Sowohl Mitteilungsabsicht als auch das Verständnis stimmen überein, womit diese schlichte, geschlechtsneutrale Form „Besucher“ die sauberste und integrativste Form der geschlechtsneutralen Sprache ist.

So einfach und schlüssig das Prinzip des neutralen Plurals auch sein mag, es gibt Leute, die damit nicht zufrieden sind. Da sind zum einen die überzüchteten Theoretiker (vorwiegend männlich), die den Unsinn des „generischen Maskulinums“ in ihr Regelwerk hineindefiniert haben. Zum anderen sind da die Sortierer (vorwiegend weiblich), die nicht damit einverstanden sind, dass alles in einen Topf geworfen wird. Also, da muss es doch was Trennendes geben, zumal ja auch die Sprache in vielen Fällen weibliche Formen anbietet! Tja, ein Privileg, das die Männer und die anderen nichtweiblichen Geschlechter nicht haben. Und wenn es die weiblichen Formen schon gibt, dann bitte auch benutzen, auf Biegen und Brechen.

Und so wurde zunächst die Doppelnennung kreiert: „Der Redner wandte sich an alle Betroffenen, an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, an die kommunalen Beamten und Beamtinnen, an die Bürgemeister und Bürgermeisterinnen, an die Reporterinnen und Reporter, die Journalisten und Journalistinnen, an die Protokollführer und Protokollführerinnen …“ Heißa, da kann man der Redelust freien Lauf lassen. Ist natürlich bescheuert, diese Art der formalen Korrektheit, aber sprachlich kann man nichts dagegen einwenden. Wer will, soll so sprechen. Es gibt natürlich auch (wenige) Fälle, wo die sprachliche Doppelgeschlechtlichkeit einen Sinn macht. Beispiel: Der Verteidigungsminister besuchte die Soldaten und Soldatinnen in Mali. Unter „Soldaten“ versteht nicht jeder, dass auch weibliche Angehörige der Bundeswehr gemeint sind. – Nun ist diese Art der Personentrennung irgendwie auch lästig, was bei manchen Rednern zur Verschleifung führt. Beispiel Olaf Scholz: „Die Bürger und Bürgern können darauf vertrauen, dass wir …“ Ok, Sprache kann auch beschwerlich sein.

Eine andere Art, diesem verbosen Überschuss zu begegnen, besteht darin, abwechselnd mal die allgemein-neutrale und dann die rein weibliche Form zu benutzen: „Die Arbeiterinnen, Monteure, Außendienstmitarbeiter und Werkstattleiterinnen waren mit der Sitzung des Betriebsrats zufrieden“. Geht doch, wenngleich die Arbeiter und Monteurinnen zu kurz kommen. Immerhin ist gute Absicht erkennbar.

Ja, selbst wenn jemand sich auf die rein weibliche Form konzentriert, ist das – sprachlich – noch in Ordnung. Selbst inhaltlich ein bisschen. Wenn also von den Sängerinnen des Männergesangvereins „Frohe Liederfreunde“ die Rede ist, weiß doch jeder, dass es sich um männliche Sängerinnen handelt. Klarer Fall, niemand wird benachteiligt, darauf kommt es letztlich an. Und sprachlich ist es ebenfalls in Ordnung. Na ja, so einigermaßen jedenfalls. Und wir Männer haben die Chance, uns mal großzügiger als verbissene Feministinnen zu zeigen.

Es gibt also diverse Möglichkeiten, auf korrekte Weise so etwas wie sprachliche Geschlechtergerechtigkeit zu praktizieren. Nur eines geht nicht: Wir dürfen auf keinen Fall die sprachlichen Grundlagen zerstören, indem wir z.B. sprachfremde Elemente mitten in die Wörter klemmen und diese dadurch regelrecht zertrümmern. Konstrukte wie Zuschauer*innen, Mitarbeiter:innen oder Leser_innen sind sprachliche Perversitäten, und diejenigen, die sich solcher Konstrukte bedienen (vor allem mündlich) verhalten sich sprachlich pervers. Ja, pervers, im wahrsten Sinne des Wortes abartig, denn Sprache gehört nicht zu den Formen des menschlichen Miteinanders, die man beliebig umgestalten kann und darf. Ein derartiges Umbauen von Sprache ist nicht artgerecht.

Anhängerinnen und Anhänger des Gendersternchens versuchen zu bagatellisieren, indem sie darauf hinweisen, dass es immer schon Anpassungen der Sprache gegeben habe und dass die Sprache es durchaus vertrage. Doch das Gendersternchen und vor allem die artikulierte Sprechpause („Betreuer Innnen“) sind keine Anpassungen, weil sie sich nicht mit der grammatischen Grundstruktur der deutschen Sprache vertragen. Die vielen Fälle, wo das Sternchengendern zu einem widerlichen Gehampel führt, zeigen es doch überdeutlich. Diese Form des Genderns lässt sich nicht mal halbwegs sauber umsetzen und kann nur als schlimme Zerstörung von Sprache bezeichnet werden.

Das Gendersternchen oder andere, in Wörter hineingepresste Sonderzeichen stammen aus der Digitalwelt, speziell aus der Welt der algorithmischen Sprachen. Doch hier dienen solche Konstrukte nur dazu, Bezeichner (also Namen) aussagekräftig zu machen. Die Grammatik solcher Sondersprachen dagegen wird von den algorithmischen Abläufen bestimmt. Sie hat nichts mit der Grammatik einer natürlich wachsenden Umgangssprache gemein, wo die Gendersternchen nichts anderes als widerliche Fremdkörper sind.

Und auch das sage ich ganz offen: Diejenigen, die vor allem in den Medien die Gender-Sprechpause praktizieren, sind offensichtlich nicht bereit (oder fähig), ein einwandfreies Deutsch zu sprechen, und das in Zeiten, wo die Kommunikation innerhalb der Gesellschaft zunehmend verkommt. Sprache ist zu wichtig, als dass wir sie auf derart grobe Weise misshandeln dürfen. Gerade in öffentlichen Medien dürften nur solche Leute zu Worte kommen, die deutsch sprechen. Zuviel verlangt?

Bleibt noch ein persönliches Resummée: Ich fühle mich durch die Gender-Sprechpause unangenehm berührt, mitunter sogar verletzt. Wenn im TV jemand auf diese Weise gendert, schalte ich ab, egal, ob es sich um eine Nachrichtensendung oder einen Gottesdienst handelt. Bei einigen Moderatorinnen kommt der Gap so scharfkantig und verletzend heraus, dass ich die entsprechenden Sendungen gar nicht erst einschalte – sicherheitshalber. Wir recherchieren, wer die Sendung morderiert, und sollte zum Beispiel Jana Pareigis mit ihrer extrem spitzen Artikulation an der Reihe sein, dann fällt die Heute-Sendung um 19 Uhr eben  aus. „Bleib sitzen und iss in Ruhe zu Ende, heute ist Pareigis dran.“

Zum Glück gibt es ja auch noch sprachlich saubere Zonen. Wenn ich mal wieder zusammenzucke, weil jemand den Gender-Schluckauf bekommt, dann greife ich zu einem Gedichtsband oder einem Buch mit gewissem literarischem Anspruch. Bei Droste-Hülshoffs Judenbuche oder Schillers Balladen ist man absolut sicher vor diesem Genderwahn. Sprachliche Geborgenheit.

Trotzdem: MIr graut vor den Leuten, die die „politische Korrektheit“ vorantreiben und damit  die Abwendung von inhaltlicher Substanz und die Hinwendung zur formalen Oberflächlichkeit vorantreiben. Das ist nichts anderes als eine Aushöhlung der Gesellschaft. Wie soll eine derart schlappe, inhaltsleere Gesellschaft überleben oder gar den wachsenden Haurausforderungen stark entgegentreten? Kein Wunder, dass die Schlappen, Faulen und Entscheidungsunfähigen immer mehr auf die sogenannte „KI“ setzen. Es ist nicht nur die Sprache. die betroffen ist.

Immer Vorwärts …

Ja, immer schneller, immer weiter, immer höher, immer mehr, immer mehr, immer mehr, das ist die Grundhaltung, von dem das Streben der heutigen Menschheit geprägt wird. Eigentlich sogar exponentiell: immer schneller schneller, immer schneller weiter usw. Die Triebkräfte für diese Haltung bezieht die Menschheit vor allem aus der Wirtschaft, aus dem von einem brutalen Kapitalismus angefeuerten gnadenlosen Konkurrenzkampf. Wie heißt es so schön in diesem Milieu: „Stillstand ist Rückschritt“.

Doch längst geht es nicht nur um wirtschaftliche Belange. Das Tempo-Vorwärts-Syndrom hat inzwischen die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Mobilität und Dynamik sind alles; wer nicht mitmacht, fällt aus der Gesellschaft heraus. Kuriose Sonderfälle, bedauernswert oder beneidenswert, je nach Sichtweise. In einem TV-Werbespot der „Deutschen Sporthilfe“ heißt es am Schluss: „… Aber bleibe niemals stehen.“

Deutlicher kann man einen der großen Missstände der Menschheit nicht auf den Punkt bringen. Bleibe niemals stehen! Doch, wir müssen stehen bleiben, nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig. Wir müssen uns die Zeit nehmen, uns zu orientieren, Wir müssen um uns schauen, nach vorne selbstverständlich, aber auch mal zurück. Ist das noch der richtige Weg? Was muss korrigiert werden? Welche Alternativen gibt es? Oder müssen wir sogar eine Strecke zurück gehen und nach neuen Ansätzen suchen? Dieses Innehalten ist umso wichtiger je verworrender oder komplexer die Materie ist.

Doch wie gesagt, das Innehalten passt nicht ins Weltbild der heutigen Gesellschaften. Und so müssen wir, wenn wir ehrlich sind, eingestehen, dass z.B. die Digitalisierung bislang mehr Nachteile als Vorteile gebracht hat, vor allem in jenen Bereichen, die das Leben der Menschen unmittelbar beeinflussen. In den Fertigungshallen der Industrie mag das anders sein. Aber wir sehen die Nachteile nicht (oder wollen sie nicht sehen); wir bemängeln allenfalls die zu schleppende Digitalisierung und jagen ungebremst mit Scheuklappen durch Zeit und Raum. Immer schneller, immer komfortabler, immer gedankenloser …

Und merken vor lauter Dynamik und Fortbewegungsdrang gar nicht, wie töricht wir uns verhalten.

Digitale Schweinerei

Nein, es ist hier nicht die Rede von den üblichen Sauereien, mit denen das Netz bis zum Überlaufen vollgepumpt wird; ich spreche hier von einer hochoffiziellen Aktion, nämlich der digital einzureichenden Grundsteuererklärung. Obwohl die Frist bald abläuft, ist mehr als die Hälfte der angeforderteren Erklärungen noch nicht bei der Finanzverwaltung eingegangen. Und das aus guten Gründen. Der Hauptgrund dürfte sicherlich die digitale Form sein. Ich will gleich vorwegschicken: Alle, die die Erklärung noch nicht abgegeben haben, sollten sich um ein schriftliches Formular bemühen, dieses zu Hause auf dem Tisch ausbreiten (etliche Seiten!) und in Ruhe ausfüllen. Besser noch: unter den Arm klemmen und damit zum Steuerberater rennen.

Ich selber hab’s digital gemacht und kann nur sagen: ein einziger Albtraum! Ich kenne die Nachteile der digitalen Formularausfüllung, bei der man wie ein Blinder durch die Seiten geführt wird und nicht weiß, an welcher Stelle man gerade ist. Somit habe ich vorher bereits die mehr als 20-seitige Anleitung heruntergeladen, ausgedruckt und mindestens dreimal gelesen, damit im Ernstfall alles klappt. Es hat nicht geklappt! Trotz allergrößter Sorgfalt meldete die abschließende Überprüfung mehrere Fehler. Irgendetwas vergessen, irgendein Häkchen übersehen? Also die Hilfe bemüht. In reinstem, das heißt für einen Laien völlig unverständlichen Juristendeutsch brachte die „Hilfe“ am Ende null Hilfe. Ich versuchte zu verstehen, aber ich verstand – nix.

Da fiel mir ein, dass ich auf irgendeiner Seite ein Häkchenfeld offen gelassen hatte, weil ich nicht entziffern konnte, was mir der Frage gemeint war. Wie gesagt, ich bin kein Finanzexperte. Sollte dieses Häkchen wichtig sein? In der ausgedruckten Hilfe wurde die Stelle gar nicht erwähnt, also wohl nicht so wichtig? Trotzdem, einen Versuch war’s wert. Aber wo war die Stelle? Eine geschlagene Stunde irrte ich im Dschungel des Formulars herum, bis ich in etwa soviel Orientierung gewonnen hatte, um die Häkchenstelle wiederzufinden. Ich verstand den Sachverhalt immer hoch nicht, aber ich setzte das Häkchen. Erneute Überprüfung: Die vorher gemeldeten 4 oder 5 Fehler waren weg. Geschafft

Nach etwa dreieinhalb Stunden Herumirren in einem  digitalen Irrgarten konnte ich den Schweiß aus dem Gesicht wischen und den Rechner ausschalten. Blieb nur noch das Fazit zu ziehen. Was hatte ich eigentlich der Finanzverwaltung mitgeteilt? Klar, Name und Anschrift. Dann das halbe Dutzend Daten, die mir die Finanzverwaltung schriftlich verraten hatte, also alles Dinge, die die Finanzverwaltung bereits wusste. Kurios: Die Finanzverwaltung teilte mir die Daten mit, die ich ihr zurückmelden musste.  Nur eine einzige Angabe war neu, nämlich die bewohnte Fläche des Hauses. Eine dämliche Zahl, und dafür der ganze Aufwand!

Wenn das die Vorteile der Digitalisierung sein sollen, dann kann man sich nur die analoge Zeit zurückwünschen. „Die Digitalisierung schafft mehr Komfort, macht das Leben einfacher“, heißt es doch immer wieder. Wer daran glaubt, merkt offenbar nicht, dass die Digitalisierung ein hervorragendes Werkzeug ist, um die Menschen zu verarschen. Oder dafür zu missbrauchen, dass sie in ungeordnete Daten Ordnung hineinbringen, also Dinge tun, für die die Behörden zuständig und auch befähigt sind. Wie gesagt: digitale Verarschung bzw. eine moderne Form von bürokratischer Schweinerei.

 

Stammtisch Deutschland

„Wenn ich Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: „Wir stehen mit euch zusammen, so lange, wie ihr uns braucht“, dann will ich das auch einhalten – egal, was meine deutschen Wähler denken, ich will gegenüber den Ukrainern Wort halten.“

Annalena Baerbock

Ich hatte mir vorgenommen, mich in politischen Angelegenheiten nur noch sehr zurückhaltend zu äußern, doch die vorstehend zitierte Äußerung von Annalena Baerbock kann ich einfach nicht unkommentiert beiseite schieben. Das heißt, dem Zitat an sich ist im Prinzip nichts hinzuzufügen, denn die Aussage ist klar: Wenn ich eine Verhaltensweise für richtig und notwendig erachte, dann muss ich dazu stehen und kann nicht darauf schielen, ob die Wähler mich dafür bei der nächsten Wahl abstrafen werden. Klare Haltung also, Ablehnung von Populismus. Ob eine solche Äußerung diplomatisch geschickt ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber Baerbocks Auftritte als Außenministerin sind ohnehin nicht mit allzuviel diplomatischem Ballast belastet. Erfrischende Direktheit.

Weniger erfrischend die Reaktion von Politikerinnen und Politikern. Da brodelt am linken und rechten Rand so richtig die fundamentalistische Soße hoch. Fast genüsslich wird die leicht falsch zu interpretierende Äußerung Baerbocks denn auch bewusst falsch interpretiert. Willkommenes Fressen, heißa, tolle Gelegenheit, mal wieder an den Stützen der demokratischen Gesellschaft zu rütteln. Klar, dass insbesondere die AfD-Alice alle Register der gespielten Entrüstung zieht. Ich will sie hier nicht zitieren, es ist einfach zu widerlich.

Aber auch die politisch Gemäßigkten haben Annalena offensichtlich falsch verstanden. Die Jagd auf Wählerstimmen ist so sehr in ihrem Streben verankert, dass ihnen die Baerbock-Äußerung förmlich unfassbar erscheint. Es passt einfach nicht in ihr Weltbild, so offen gegen Populismus Stellung zu beziehen. Um Himmels Willen, Annalena, wir brauchen doch die Wähler, denen darf man doch nicht vor den Kopf stoßen! Und so wird versucht, die Sache zu entschärfen. Aus dem Zusammenhang gerissen sei die Äußerung, Von gezielt sinnentstellenden Tweets, von Russen massenhaft in die sozialen Medien geschleudert, ist die Rede. Ach ja, kann sein, aber tun die russischen Hacker nicht einfach ihre Pflicht? Schließlich befindet sich Deutschland im hybriden Krieg gegen Russland.

Nein, die bisher aufgeführten Reaktionen auf die Baerbock-Äußerung waren zu erwarten, quasi vorhersagbar, und insofern – geschenkt. Da müssen wir nicht weiter drauf rumreiten. Was aber doch überraschend, ja geradezu schockierend war, das war das Gebrülle in den „sozialen“ Medien, ein Aufschrei, der sich sogar in Hashtags wie „#BaerbockRuecktritt“ äußerte. Was hier an unterschwelliger Nörgellust, Gedankenlosigkeit, Haltlosigkeit, Verlustangst, Oberflächlichkeit usw. zutage trat, ist m.E. ein deutlicher Hinweis darauf, dass es um die moralische Stärke der Gesellschaft ziemlich schlecht bestellt ist Jammern, meckern, anklagen anstatt die Ärmel hochkrempeln und sich der Herausforderung stellen. Da kommt Scham auf, Scham darüber, dass man selber ja auch Teil der Gesellschaft ist.

Nein, ich kann den Lobpreis auf die tollen Mitbürger nicht nachvollziehen, auch wenn das widerliche Hassgetöse nur von einem Teil der Gesellschaft ausgeht. Doch dieser Teil ist zu groß. Ich kann auch das Gerede vom „unzufriedenen Bürger“ aus der „Mitte der Gesellschaft“ nicht mehr ertragen. Wer seine Unzufriedenheit so zum Ausdruck bringt wie es massenweise in den „sozialen“ Medien geschieht, hat nicht wirklich verdient, dass es ihm besser geht. Das einzige, was man diesen Meckerern zugute halten kann, ist die Tatsache, dass die „sozialen“ Medien die gesamte Gesellschaft in eine große Stammtischrunde umgestalten. Wie ungefährlich sind dagegen doch die klassischen, kleinen Stammtische, die immerhin in geschlossenen Räumen stattfinden.