Preisfrage

Klaus Kleber brachte es vor einigen Tagen auf den Punkt: So toll die Digitalisierung auch sein mag, wir bezahlen einen hohen Preis dafür. Das stimmt: Wir müssen mit argen Zersetzungserscheinungen in der Gesellschaft leben, wir müssen die Wertverluste verdauen (auch Grundwerte), und wir müssen die Gefahren sehen, die im Internet lauern. In der Tat, wenn es zu einem ernsthaften Konflikt zwischen Großmächten kommen sollte, können ganze Staaten alleine übers Netz lahmgelegt und ausgelöscht werden. Da nützen auch keine noch so ausgeklügelten Passwörter oder Verschlüsselungsmaßnahmen. Atomwaffen sind harmlos dagegen. Russland und China haben sich abgesichert, indem sie ihre nationalen Netze vom allgemeinen Internet abgekoppelt haben bzw. die Abkopplung mit einem Handgriff erledigen können.

Ja, der Preis für die Digitalisierung ist hoch, sehr hoch, eigentlich zu hoch. Was machen wir normalerweise, wenn wir feststellen, dass eine Ware zu teuer ist? Ganz einfach, wir kaufen sie nicht. Warum wenden die Menschen diesen gesunden Grundsatz nicht auf die Digitalisierung an? Warum weigern sich die Leute zu erkennen, dass das Internet nicht die Lösung für alles ist? Warum legen wir bei der Gestaltung des vom Grundsatz her durchaus leistungsfähigen Internets nur technische, keine gesellschaftlichen oder humanen Kriterien an? Irgendwie scheint die Menschheit mit Blindheit geschlagen zu sein, wenn’s um die Verehrung des Götzen Internets geht. Sie lässt sich von Vorteilen einlullen, die zum großen Teil nur lächerlich sind.

Ein Beispiel dafür las ich kürzlich in irgendeiner Zeitung. Da bedauerte jemand den nur schleppenden Einzug smarter Technik in deutsche Haushalte. Das sei schade, da ja solche Haushaltsgeräte, zum Beispiel smarte Kühlschränke, ein enormes Potential an Energieeinsparung böten. Leider hat der Mensch nicht erklärt, wie er erreichen will, dass das Internet meine Wurst und meine Milch kühl hält. Ich dachte immer, dafür seien Energie, eine gute Isolation und ein zuverlässig funktionierender Thermostat zuständig. Aber möglicherweise irre ich mich. Kann ja sein, dass man Wärmeenergie auch übers Netz abführen kann – exakt berechnet. Nach landläufiger Meinung kann das Internet ja alles. ALLES.

Absurde Preise

Ich glaube, ich habe schon mal meine Meinung zur modernen Preisgestaltung gesagt. Deshalb hier nur ein kleiner Nachtrag, weil mir eben ein Prospekt von einem Telefon- und Internetanbieter aus der Zeitung rutschte. Bevor ich das Ding in den Papierkorb werfe, schnell einige Preise daraus:

DSL mit Flatrate usw. monatlich 19.99 Euro
TV-Home-Tarif monatlich 9.99 Euro
iPhone 11 Zuzahlung 49.99 Euro

9.99 Euro, 19.99 Euro, 49.99 Euro – so kommen fast alle Preise daher, nicht nur von dem Telefonanbieter. Für diese absurden Zahlen gibt es m.E. drei Erklärungen:

  1. Die Kunden sind so doof, dass sie gar nicht merken, wie sie verarscht werden. Wenn jemand sagt (3. Preisangabe): „Das kostet weniger als 50 Euro“, dann haben wir so einen plattgeistigen Doofi vor uns.
  2. Die Preisgestalter halten die Kunden für doof genug, um sie mit solchen Preisen betören zu können. Wodurch sie womöglich bekunden, dass sie selbst so doof sind. Doof genug, um die Peinlichkeit einer derartigen Preisgestaltung gar nicht zu registrieren.
  3. Die Kunden haben sich dran gewöhnt und stören sich nicht mehr daran. Das ist die schlimmste der drei Erklärungen, denn sie zeugt von der Manipulierbarkeit der Massen. Wenn die Welt an die Scheiße gewöhnt ist, in der sie lebt, nimmt sie den Geruch kaum noch wahr.

Ich bitte, die Kraftausdrücke zu entschuldigen. Ich habe lange nach harmloseren Ersatzausdrücken gesucht, aber kaum etwas Passendes gefunden. Sicher, anstatt von einem „Doofi“ könnte man von „geistig schwach ausgestatteten Menschen“ sprechen, was ziemlich umständlich ist. Oder einen Vergleich heranziehen, denn Vergleiche sind sehr anschaulich. Also nicht „Doofi“, sondern ein „Mensch mit Ähnlichkeit zu D.Tr.“. So in der Art. Immerhin hat man beim Vergleichsverfahren die große Auswahl.

Entschuldigung, Ludwig

Klaus Kleber bekam im Heute-Magazin regelrecht glänzende Augen, als er über den Fall berichtete, und seine Stimme zitterte beinahe vor Ehrfurcht, als er in dem Zusammenhang von „künstlicher Intelligenz“ sprach. Worum ging es?

Man ist dabei, mit Hilfe von KI die Fragmente von Beethovens 10. Symphonie zu einem geschlossenen Musikwerk zu ergänzen. Offensichtlich gelingt es recht gut, wie Musiker bestätigen. Dass so eine Initiative auch Kritiker auf den Plan ruft, ist nur verständlich. Ich gehöre zu den Kritikern und sage es direkt: Was hier abläuft, ist ein ganz schlimmes Vergehen an einem unserer bedeutendsten Komponisten. Man muss sich mal vorstellen: Das Werk Beethovens ist so billig, dass man es auch künstlich erzeugen kann. Natürlich sagen die Initiatoren, dass man die genialen Gedanken Beethovens ja aufgreife und nur in seinem Sinne vervollständige.

Aber kann man das? Wer weiß denn wirklich, was Beethoven sich dabei gedacht hat, und warum das Werk nur stückweise vorliegt? Ist er sich über das Gesamtwerk überhaupt schon schlüssig gewesen? Und sind die Fragmente bereits fertig geworden oder sollten sie vom Komponisten noch mal überarbeitet werden? Und sind Algorithmen überhaupt imstande, wie der Komponist selber an das Werk heranzugehen? Ein Werk wird immer von einer Idee getragen, doch gibt eine reine Mustererkennung soviel her?

Machen wir uns nichts vor: Das Ganze mag zwar wie von Beethoven klingen, ist aber künstlich und zufällig. Beim nächsten Durchlauf wird wahrscheinlich ein völlig anderes Ergebnis präsentiert. Alle Beethoven? Und selbst wenn sich der Algorithmus auf ein festes Ergebnis stabilisieren sollte, dann würde er (der Algorithmus) sich selbst als unintelligent und starr entlarven – und somit als unfähig, kreativ zu sein. Komponieren ohne Kreativität?

Hier zeigt sich die Hybris des KI-Kultes. Selbst die Werke von genialen Menschen werden entwertet, zu beliebigen IT-Produkten geschrumpft. KI kann Muster erkennen (lernen), keine Frage. Und somit ist es auch möglich, harmonische und rhythmische Motive herauszukristallieren und zusammenzufügen, so wie der Komponist es vielleicht in ähnlicher Form gemacht hätte. Vielleicht – hätte – ähnlich – das hat nichts mit der Genialität eines echten Komponisten zu tun. Aber den Machern geht es ja auch gar nicht um Beethoven. Es geht ihnen um ihre heißgeliebten Algorithmen und somit um sich selbst. Eine Tendenz, die in der IT-Welt allgemein verbreitet ist.

Bei Ludwig van Beethoven kann ich mich nur entschuldigen. Tut mir leid, Ludwig, aber so läuft das heutzutage. Dein Name ist noch wichtig, so wie der Markenname eines aufgekauften und dann zerschlagenen Unternehmens. Aber deine Musik? Ab in die KI-Maschine damit, die wird aus den geschredderten Noten schon was machen. Nicht wahr?

Man mag vor „künstlicher Intelligenz“ auf die Knie fallen, die Hände falten und vor Inbrunst eine Gänsehaut bekommen, in Wirklichkeit kann KI nicht mehr als Kunsthonig an die Stelle von echtem Honig setzen. Kunst hat eine Menge mit Echtheit zu tun. KI-Kunst ist Fälschung – so wie viele Produkte der Digitalisierung.

Wenn’s um unsere Interessen geht …

Wie sagte vor einigen Wochen unser ehermaliger Außenminister Sigmar Gabriel (sinngemäß)? „Der Flücktlingspakt mit der Türkei ist kein schlimmer Deal. Denn immerhin werden dabei auch deutsche Interessen berührt.“ Klar doch, wenn’s um deutsche Vorteile geht, kann man durchaus in Kauf nehmen, dass der osmanische Sultan die Flüchtliche in menschenunwürdige Lager sperrt. Sind ja weit weg, diese Lager.

Wie sagte der Manager von Bayer Leverkusen? „Der Kauf von Monsanto verschafft uns einen gewaltigen Kundenkreis und enorme Absatzmärkte“. Sogar die Gewerkschaft begrüßt die Fusion, wegen der Arbeitsplätze.  Klar doch, wenn’s um wirtschaftliche Vorteile, vor allem um die Stellung im globalen Wettbewerb geht, kann man nicht zimperlich sein. Da muss man auch schon mal eine verpestete Kröte wie Monsanto schlucken.

Wie sagte die Hure, als sie in ihrem Edelappartement interviewt wurde? „Natürlich muss ich bereit sein, meinen Arsch an die Mauer zu stellen und täglich einige stinkende Freier über mich herrutschen zu lassen. Sonst könnte ich mir dieses Appartement gar nicht leisten.“ Klar doch, wenn’s ums Überleben oder einfach nur ums Besserleben geht, kann man sich nicht in dem vergraben, was die Gutgehenden der Gesellschaft als Moral bezeichnen.

Wie sagte der Konzernboss, der wie jedes Mal bei einem China-Besuch die Schleppe der Kanzlerin hielt? „China bietet riesige Absatzmärkte. Da werden die Interessen der deutschen Wirtschaft elementar berührt.“ Klar doch, wenn’s um die globale Vorherrschaft geht, da kann man nicht kleinlich über fehlende Menschenrechte stolpern. Da darf man sich auch nicht allzu laut über die Kontrolle deutscher Betriebe in China beklagen.

Wie sagte der deutsche Außenpolitiker, nachdem Trump einmal mehr um sich herumgeschlagen und dabei den Deutschen Sanktionen und Strafzölle angedroht hat? „Wir müssen mit den Amerikanern im Gespräch bleiben. Schließĺich sind sie unsere wichtigsten Verbündeten, und somit liegt das gute Verhältnis zu den Amerikanern in unserm Interesse.“ Klar doch, ist egal, wen die Amis ins Weiße Haus schicken. Selbst wenn’s ein dressierter Gorilla wär, da kann man doch nicht zimperlich und allzu deutlich sein. Oder?

Was haben diese Beispiele nun miteinander zu tun? Ich denke, am ehesten kann uns die Nutte eine plausible, allgemeingültige Antwort geben: Moral ist ein gut verkäuflicher Wert. Man spricht in dem Zusammenhang auch von Prostitution.

 

Komfort – na was denn?

Viele Dinge rund um die Digitalisierung werben mit Komfort, und die Leute sprechen drauf an. Absolut erfolgreich, diese Werbung. Da klingeln die Kassen der Werbetreibenden, und die Leute, die sich beeinflussen lassen, merken nicht mal, wie sie verarscht werden. Besser gesagt: Eigentlich wollen sie’s nicht merken, denn Komfort ist ja sowas Schönes, sowas Bequemes. Als Beispiel will ich hier nur das SmartHome erwähnen, und da wiederum den berühmten und inzwischen auch erfolgreichen Echo-Lautsprecher von Amazon. Ein bisschen Smalltalk mit Alexa, bequem vom Sofa aus, und schon kommt alles ins Haus. Nein, nicht das, was man eigentlich haben sollte, sondern das, was Alexa, dieser einfühlsame Geist, für richtig hält. Und was den Gewinn von Amazon steigert.

Komfort wird oft mit Bequemlichkeit gleichgestellt. Dabei sind das ganz verschiedene Dinge. Den Arsch aus lauter Bequemlichkeit nicht mehr hochkriegen zu müssen, hat nur ins Ausnahmefällen etwas mit Komfort zu tun (z.B. bei Behinderten). In der Regel meint Komfort etwas ganz anderes, nämlich die Fülle an Möglichkeiten, das Leben intensiver, reichhaltiger, lebenswerter zu gestalten. Faulheit ist kein Lebenswert, sondern das Gegenteil. Ja, Komfort kann sogar das Gegenteil von Bequemlichkeit bedeuten, nämlich Anstrengung, die lästige Aufforderung, mal zu denken oder zu planen. Planerische Möglichkeiten machen Komfort aus.

Nun werden alle Bequemlichkeitsanbieter unisono einwenden, dass es bei Dingen wie dem SmartHome doch nur darum geht, nebensächliche und überflüssige Anstrengungen zu vermeiden. Mag sein, aber dann reihen sie sich in die Kategorie des Überflüssigen, Unwichtigen ein. Und sollten nicht so laut tönen, sondern sich in der Spielzeugabteilung hinten anstellen. Abteilung lächerliches Digitalspielzeug.

Fragwürdige Studie

Kaum setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass die Meinungsbildung im Netz gesteuert wird, dass die Meinungssuchenden manipuliert werden, da erscheint in England eine Studie, dass das nicht der Fall ist. Im Gegenteil: Gerade das Internet biete eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen, so dass die Chancen einer vielseitigen Meinungsbildung noch nie so groß gewesen seien. Außerdem sei nicht erkennbar, dass die Suchmaschine von Google vorrangig solche Webseiten anbiete, die die Meinung des Anfragenden in einer bestimmten Richtung beeinflussen sollen. Überhaupt gebe es keine empirischen Beobachtungen, die die These von der Meinungslenkung im Internet begründeten.

Dieses Ergebnis ist so verblüffend, dass man sich die Augen reibt. Alles nur Erfindungen von böswilligen Internetfeinden? Da muss natürlich zuerst die Frage gestellt werden, wer denn hinter der Studie steht und wie dessen Grundeinstellung zum Internet ist. Denn dass Studien, sie mögen noch so wissenschaftlich erscheinen, in gewünschte Richtungen gelenkt werden können, ist klar und durch unzählige Beispiele belegt. Verdächtig ist in diesem Fall, dass die Studie ausgerechnet in England entstand, dem Land, in dem die Entscheidung für den Brexit den Verdacht auf manipulative Unterstützung im Netz nährte.

Und die Fakten? Dass großartige Manipulationen über die Google-Suchmaschine erfolgen, ist eher unwahrscheinlich. Google hat vor allem ein Interesse an Geld, und so ist das Ranking hauptsächlich kommerziell bestimmt. Informationen? Ja, die gibt es auch, oft erst ab Seite 4 oder 5. Nein, die Meinungsbildung spielt bei Google eine eher untergeordnete Rolle.

Die eigentliche Meinungsmanipulation spielt sich auf den „sozialen“ Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram  usw. ab, wo Bots und Hackergruppen gezielte Informationen platzieren, je nachdem, wer sie bezahlt hat. Die Meinungsmacher können dabei völlig im Verborgenen bleiben, so dass der Nachweis von Manipulationen praktisch unmöglich ist. Selbst groß angelegte, statistische Studien versagen mehr oder weniger, weil Vergleichspopulationen fehlen. Wer kann zum Beispiel sagen, dass eine internetfreie Gesellschaft einen Kaputtmacher wie Trump nicht gewählt hätte? Auch wenn vieles dafür spricht? Genau hier steckt die Beweisnotlage, die es den Kritikern an der Digitalisierung so schwer macht, mit Fakten aufzuwarten. Und Studien wie die genannte haben es einfach, das Internet als sauber hinzustellen – entgegen den Tatsachen.

Doch es gibt Whistleblower und Insider, die die Schnauze voll haben und deutlich sagen, was da alles schief läuft. Und – ich glaube ihnen mehr als einer fragwürdigen, englischen Studie.

„Im Netz der Lüge“

So lautet ein Aufmacherartikel im Focus 47/19. Eigentlich gehört der Focus nicht zu meiner Standardlektüre, da bevorzuge ich eher den Spiegel oder Zeitungen wie die Süddeutsche. Doch ab und zu muss ich auch meine gelegentlich aufflammende Sehnsucht nach konservativer Lektüre stillen, nicht zuletzt eines breiten Meinungsspektrums willen. Und wenn da noch eine Kritik an der Digitalisierung durchscheint, dann kann ich nicht widerstehen.

In der Tat: Es tat richtig gut, den Artikel zu lesen. So langsam bahnt sich ja doch eine kritische Grundhaltung gegenüber dem „größten Wandel in der Geschichte der Menschheit“ an. Ich will gar nicht im Detail auf den Inhalt des Artikels eingehen, den kann jeder Interessierte nachlesen – oder einfach aus den rundum zu beobachtenden Phänomenen schließen – mit ein wenig Menschenverstand und ein wenig logischem Denken. Kurz: der Artikel zeigt eindringlich auf, wie sehr die öffentliche Meinungsbildung von den digitalen Medien nach Belieben gesteuert wird, bis hin zur unmerklichen Manipulation von Millionen von Menschen. Auch die Folgerung, dass wir davon ausgehen müssen, dass sowohl die verheerende Wahl Trumps als auch der Brexit auf derartige Meinungsmanipulationen zurückzuführen sind, ist äußerst plausibel.

Dabei geht es in dem Artikel nur um eine von mehreren schädlichen bis zerstörenden Auswirkungen der Digitalisierung, nämlich um die digitalen Medien. Die gesellschaftliche Verstumpfung, die wachsenden Gefahren von Angriffen im Internet, die hemmungslose Verbreitung von widerlichen oder kriminellen Inhalten usw. werden gar nicht mal angesprochen. Aber auch die Beschränkung auf das Thema der „sozialen“ Medien hat es in sich. In einer Art Zusammenfassung wird dann vorgeschlagen, „wie Sie der Manipulationsfalle entgehen“. Diese Übersicht ist hoch interessant, so dass ich die genannten 7 Tips kurz mit eigenen Worten beschreiben und natürlich auch kommentieren will.

  1. Auswahl der Informationsquellen. Gemeint ist, das man zugewiesene Informationen kritisch hinterfragen und die Vertrauenswürdigkeit der Quelle prüfen soll. – Ich habe es schon wiederholt gefordert: Meinungsbildende Informationen mussen grundsätzlich geholt werden, ob einzeln oder im Abonnement spielt keine Rolle. Die Zustellung von Informationen, etwa auf einen Messenger, ist immer fragwürdig.
  2. Andere Medien als Kontrolle. Gemeint ist, dass man besonders bei Sensationsmeldungen nicht einfach drauf anspringt, sondern sich mit Hilfe von anerkannt seriösen Medien Bestätigung sucht. – Ok, klingt plausibel, obwohl: warum wendet man sich nicht gleich an seriöse Quellen und meidet fragwürdige?
  3. Andere Meinungen zulassen. Gemeint ist, dass man nicht nur Meinungen an sich heranlässt, die sich bequem ins persönliche Meinungsbild einfügen, sondern auch gegensätzliche Ansichten. – Ebenfalls nichts Neues für mich. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass Meinungsfreiheit nicht zuletzt auch Meinungsvielfalt und Meinungsgegensätzlichkeit beinhaltet. [1]
  4. Ruhig bleiben. Gemeint ist: Nicht sofort und unüberlegt im Netz reagieren, insbesondere nicht in Gruppen, wo sich in der Regel Meinungsblasen bilden und einseitige Meinungen verfestigen. Wut und Hetze sind Triebkräfte und Ergebnis eines überzogenen Aktionismus im Netz. – Facebook wirbt neuerdings aus gutem Grund in Form ganzseitiger Zeitungsanzeigen mit Gruppen, wohlwissend, dass dort die meist einseitigen und oft hasserfüllten Aktivitäten auf Betriebstemperatur gehalten werden.
  5. Vorsicht bei Humor. Was auf den ersten Blick lustig und humorvoll erscheint, ist sehr oft verletzend und inhuman. – Diesen Aspekt hatte ich bisher noch nicht im Fokus (mit „k“), aber es stimmt. Vor allem Youtube, zum Beispiel die vielen Beiträge „Just for laughs“ oder die vielgestaltigen „Pranks“ sind oft nur gemein, nicht humorvoll. Solche „lustigen“ Beiträge heizen die Netz-Schimpfereien gehörig an.
  6. Kontakt zur Welt haben. Also nicht nur Smartphonegefummel, sondern öfter und länger in der realen Welt leben. Keine Pseudokontakte mit sogenannten „Friends“, sondern Gespräche mit richtigen Kontakten zu anderen Menschen. – So selbstverständlich, dass sich ein Kommentar erübrigt.
  7. Lieber zögern als teilen. Hier treffe ich zum ersten Mal auf eine Stimme, die das „Teilen“ im Netz kritisch sieht. Es handelt sich ja auch nicht um wertvolles Teilen, sondern auf Grund der zweifelhaften Verbreitungstechniken um entwertendes Vervielfachen. Im Grunde wird hier das Kernproblem der digitalen Medien, das eng mit den Geschäftsmodellen der Plattformen verknüpft ist, angesprochen. Es geht darum, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen (wieviel Likes?) und deshalb auch Aufmerksamkeit, die oft in Hektik ausartet, zu spenden.

Klingt auf den ersten Blick gut und plausibel, was der Focus den Internetnutzern rät. Nur hat die Sache einen Haken, nein zwei:

Die Nutzer wollen sich ja gar nicht vor der Manipulation im Netz schützen. Sie mögen zwar Opfer sein, fühlen sich aber nicht als solche. Die zerstörende Macht der digitalen Medien zu begrenzen, ist nicht Aufgabe der vordergründig nutznießenden Teilnehmer, sondern der Institutionen in der Gesellschaft, die die Menschenwürde der Netzbenutzer und die Gesundheit der Gesellschaft zu schützen haben.

Und damit zum zweiten Haken: Politik, Justiz usw. zeigen sich unfähig, diesen Schutz zu gewährleisten. Nicht, dass sie die Probleme nicht erkennen, aber das Denken und Handeln der Verantwortlichen wird von einer völlig falschen Auffassung von der Digitalisierung beherrscht. Am erstes muss doch die Frage gestellt werden: Was ist das eigentlich, diese Digitalisierung oder – besser gesagt – das, was man komischerweise mit diesem Begriff verbindet?

So komplex die Thematik auch sein mag, die Antwort auf diese Frage ist gar nicht mal so schwierig: Es handelt sich um ein Bündel von Werkzeugen bzw. Verfahren, mit dem die Menschheit versucht, einige ihrer Probleme zu lösen. Nicht mehr. Andererseits handelt es sich um sehr leistungsfähige Werkzeuge, nicht weniger. Alle Werkzeuge sind nicht Selbstzweck, sondern sie dienen einem Zweck. Werkzeuge können verbessert werden, sie können ausgetauscht werden, wenn sie nicht „gut in der Hand liegen“. Werkzeuge müssen, damit sie kein Unheil anrichten, beherrscht werden. Und dann können sie eingesetzt werden, um das Leben auf unserem Planeten zu berherrschen. Bei Verfahren ist es ähnlich, sie müssen ständig optimiert und überprüft werden.

Die Digitalisierung wird von den maßgeblichen Gestaltern aber nicht als Werkzeug gesehen, sondern als  Gesellschaftsziel. Betrachten wir einmal, welchen Stellenwert die Digitalisierung in Politik, Wirtschaft, Verwaltung usw. hat. Restlos überall nimmt die Digitalisierung einen Spitzenplatz in der jeweiligen Agenda ein. Kein Politiker, der nicht die Digitalisierung als wichtigstes Zukunftsziel propagiert. Die Gesellschaft ist überzeugt,  dass die Digitalisierung überwältigende Vorteile bietet – ohne dass solche Vorteile konkret benannt werden müssen.

Digitalisierung als gesellschaftliches Ziel also. Ziele hinterfragt man nicht, man diskutiert allenfalls, auf welche Weise sie möglichst schnell und möglichst umfassend erreicht werden können. Und so wird die Entwicklung nicht gesteuert, sondern angeheizt. Dabei entsteht ein Sog, dem sich kaum jemand entziehen kann. Erst recht nicht die Internetnutzer, die einfach mitgerissen werden und sich – natürlich – keine großartigen Gedanken über das Wohlverhalten im Netz machen können. Warum sollen sie sich an Lügen stören, wenn sich daraus keine offensichtlichen negativen Folgen ergeben? Warum sollen sie selbst nicht lügen, wenn wohltuende Aufmerksamkeit das Resultat der Lüge ist? Warum sollen sie nicht beschimpfen und heruntermachen, wenn es doch so schön kribbelt und die Opfer außer Sichtweite sind?

Nee, wenn es einen Weg zurück in eine nach analogen Maßstäben gesittete Gesellschaft gibt, dann nur, indem man die Digitalisierung  von ihrem Sockel herunterreißt und ganz nüchtern und pragmatisch als das betrachtet, was sie ist: ein Werkzeug, das in bestimmten Situationen gewisse Vorteile bietet, in anderen Situationen mit deutlichen Nachteilen und Gefahren verbunden ist. Nur dann ist die Digitalisierung beherrschbar.

Das gilt in besonderem Maße auch für einen techischen Aspekt der Digitalisierung, die „künstliche Intelligenz“. Auch KI-Systeme sind Werkzeuge, nämlich algorithmische Verfahren zur gezielten Strukturierung großer, ungeordneter Datenmengen. Mit wirklicher Intelligenz hat das nichts zu tun, auch nicht mit dem, was Joseph Weizenbaum, der Schöpfer des Begriffs der „künstlichen Intelligenz“, seinerzeit seiner Eliza einhauchte. Weizenbaum orientierte sich an dem Primat menschlicher Intelligenz und fasste die künstliche Abart derselben vor allem als Simulation auf. Das Ergebnis seiner Forschungen war, dass er zu einem leidenschaftlichen Kritiker des oft fragwürdigen Computereinsatzes wurde.

Die Tatsache, dass Menschen die Vorgänge in den künstlich-neuronalen Netzen nicht mehr durchschauen und deshalb auch nur noch bedingt steuern können, hat den Traum von künstlich-intelligenten Wesen aufleben lassen. Wesen, die lernen, selbständig zu denken und zu fühlen – und vor allem den Menschen als hilfreiche Gestalten zur Seite stehen. Ob in einer Maschine mit „maschineller Intelligenz“ jemals so etwas wie Hilfsbereitschaft entstehen kann, ist mehr als fraglich. Und wenn sich die Maschine als hilfreich erweisen sollte, dann nur deshalb, weil sie eben noch nicht intelligent ist. Doch wie gesagt, Fragen nach dem Sinn sind zur Zeit nicht gefragt. Wichtiger ist, dass die Entwicklung noch schneller vorangeht. Deutschland als Vorreiter in der Entwicklung von KI, das ist die Zukunftsvision vieler Politiker.

[1] Deshalb ist es, auf die politische Praxis übertragen, so extrem wichtig, dass sich die großen Parteien in Opposition gegenüberstehen. Wenn dominante Meinungspole vermengt werden, schleifen sich auch die Meinungsbilder ab. Das ist wiederum mit einem Verlust an Meinungsfreiheit verbunden.