Fuji und die Sache mit den ISO-Normen


Zuerst dachte ich an einen Defekt und wollte meine neu erstandene X-T1 bereits in die Werkstatt schicken, bevor ich sie richtig in Betrieb genommen hatte. Doch dann fragte ich lieber erst mal im Forum nach und erhielt die Bestätigung, dass es sich um eine Beobachtung handelt, die schon etliche Fotografierende vor mir machten und auch zu mehreren diesbezüglichen Anfragen führten. Also doch kein Defekt meiner eigenen Kamera, sondern ein allgemeines Problem, sofern man es überhaupt als Problem sehen will. Ich persönlich sehe es als Problem.

Worum geht es? Ganz einfach, die ISO-Angaben auf dem Einstellrädchen liegen arg daneben, im Schnitt um 1,5 Blendenstufen. Wenn man einen ISO-Wert von 400 einstellt, hat man nur eine effektive Empfindlichkeit von irgedetwas zwischen ISO 100 und 200. Da verwundert es natürlich nicht, dass Fuji, und wahrscheinlich auch andere Hersteller, mit einem vorzüglichen Rauschverhalten bei höheren ISO-Werten aufwarten können.

Damit man mir nicht unterstellen kann, dass ich extreme Lichtsituationen heranziehe oder mit irgendwelchen schwammigen Methoden messe, kurz die Situaton: Ich wähle ein Motiv ohne großen Motivkontrast, was beim derzeitigen, bedeckten Winterhimmel kein Problem sein dürfte, vor allem, wenn ich noch darauf achte, dass der Himmel im Bild (und bei der Messung) ganz ausgeblendet ist. Der Kontrast ist so, dass der Dynamikumfang gerade mal zu zwei Dritteln ausgenutzt wird. Ein Histogramm wie ein kleiner, glatter Hügel. Zur Messung verwende ich zwei Belichtungsmesser, einen alten, aber guten (da kürzlich noch kalibrierten) Profisix von Gossen und einen modernen, digitalen Belichtungsmesser von Seconic. Beide liefen weitgehend übereinstimmende Messergebnisse, und zwar sowohl mit Objekt- als auch mit Lichtmessung. Die Abweichungen sind vernachlässigbar, vielleicht 0,1 Blendenstufen.

Mit diesen Messwerten entstehen in der X-T1 aber stark (!) unterbelichtete Bilder; der Histogrammbuckel ist ziemlich genau in der Mitte abgeschnitten. Gebe ich eine Blende hinzu, ist das Bild immer noch unterbelichtet; die äußeren Schatten rutschen links aus dem Histogramm heraus, und rechts ist noch gut die Hälfte des Histogramms unbelegt. Erst bei 1,5 Blendenstufen mehr zeigt das Histogramm den kompletten Tonwertumfang, zwar immer noch am linken Rand gelegen, aber immerhin komplett.

Fazit: Wenn ich mit einem externen Belichtungsmesser arbeiten will, muss ich an der Kamera einen um etwa 1,5 Blendenstufen höheren ISO-Wert einstellen, dann funktioniert es. "Was willst du denn, es funktioniert doch so, und bei der Fuji kannst du bedenkenlos bis ISO 1600 oder höher gehen!" haute man mir im Forum um die Ohren. "Außerdem scheinst du die ASA-Werte auf den Belichtungsmessern mit den ISO-Werte der Kamera zu verwechseln."

Als ich das las und außerdem registrierte, dass diese "Richtigstellung" in dem Thread unwidersprochen blieb, brach bei mir ein Teil meines fotografischen Weltbilds zusammen. Ich war immer der Meinung gewesen, dass sich ASA-Werte unmittelbar in ISO-Werte umrechnen lassen, und dass beide auf genormten Messverfahren beruhen, die sicherstellen sollen, dass man unter Beachtung dieser Normen zu richtig belichteten Bildern kommt, sofern die weiteren Parameter stimmen. Die weiteren Parameter, das war zu Analogzeiten vor allem die Filmentwicklung, und ein richtig belichtetes Bild entstand, wenn das Negativ sowohl in den Lichtern als auch in den Schatten eine wahrnehmbare Durchzeichnung hatte. In der Digitalfotografie gibt es eine vergleichbare Entwicklung, nämlich zum JPG-Bild. Sie wird automatisch in der Kamera vorgenommen, so dass hier beste Möglichkeiten bestehen, die normgerechte Belichtung wie aus einem Guss zu gewährleisten. Und die Kontrolle mit Hilfe des Histogramms ist eindeutig und exakter als jede Sichtkontrolle bei der Filmentwicklung.

Wie gesagt, das dachte ich immer, ja ich hielt dieses normgerechte Vorgehen für eine Selbstverständlichkeit. Die Fuji X-T1 hat mich eines besseren belehrt. ISO-Werte als Norm? Nix da, ISO-Beliebigkeit, um im Wettbewerb einen vorgegaukelten Qualitätsvorsprung zu erzielen. Klar, dass die anderen nachziehen - nachziehen müssen, wenn sie nicht ins Hntertreffen geraten wollen. Vielleicht hat auch Fuji nur nachgezogen. Meine alte Canon 20D jedenfalls verhält sich normgerecht. Die neuen EOS-Modelle immer noch? Ich weiß es nicht. Und natürlich ist das alles auch ein Armutszeugnis für Fotozeitschriften, die das Rauschverhalten von Kameras bei verschiedenen ISO-Einstellungen testen und vergleichen. Vergleichen - womit? Es wäre schön, wenn Fotozeitschriften derartige Diskrepanzen aufdecken würden, anstatt seitenlange Testtabellen ohne Wert zu drucken. Oder liegt die Abweichung von den ISO-Normen nicht im Vorstellungsbereich erfahrener Fotoredakteure? So wie meine Vorstellung auch nicht reichte? Im Grunde eine Ungeheuerlichkeit, für die es mehrere Ausdrücke gäbe. "Betrug" wäre einer davon; "grobe technische Fehlleistung" ein anderer, harmloserer.