Blendenzahl und Belichtungszeit: zwei Skalierungsarten
Ich denke, dass jeder Fotografierende weiß, was mit einer Blendenstufe gemeint ist. Das ist die Abstufung der Blendenwerte, die man entweder am Blendenring vorfindet oder die man im Sucher eingeblendet bekommt. Es ist die bekannte Reihe: 1.4 - 2 - 2.8 - 4 - 5.6 - 8 - 11 - 16. Ebenso sollte bekannt sein, dass von Stufe zu Stufe eine Verdopplung der Belichtung bzw., wenn's anderes herum geht, eine Halbierung erfolgt. Das ist ein ganz wichtiges Merkmal: Pro Stufe wird keine bestimmte Lichtmenge addiert oder subtrahiert, sondern diese wird mit 2 multipliziert bzw. durch 2 dividiert. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Nur soviel: diese logarithmische Skalierung reicht bis in die Anfangszeit der Fotografie zurück und ist bis heute für die Belichtung maßgebend.
Dabei geht es nicht nur um die Blende an sich. Das selbe Abstufungsprinzip gilt ebenfalls für die Belichtungszeit. Hier ist das Verdopplungs-Halbierungs-Prinzip noch deutlicher zu erkennen: 1/250 - 1/125 - 1/60 - 1/30 Sekunde ... Deshalb halte ich es für sinnvoller, von "Belichtungsstufen" anstatt von "Blendenstufen" zu sprechen. Bei der Belichtungszeit ist der Sachverhalt klar, denn es leuchtet unmittelbar ein, dass bei 1/30 Sekunde doppelt so viel Licht auf den Sensor bzw. den Film gelangt wie bei 1/60 Sekunde - und umgekehrt.
Doch was ist mit der Blende? Da haben wir zum einen die umgekehrte Richtung, denn je größer die Blendenzahl, desto geringer ist die Lichtmenge. Zum anderen scheint die Abstufung nicht zum Verdopplungsprinzip zu passen. Wir wissen, dass auch hier jeder Schritt eine Verdoppung bzw. Halbierung der Lichtmenge bedeutet, wohingegen die Blendenzahlen feiner abgestuft sind. Um das zu verstehen, müssen wir überlegen, wie die Blendenzahlen zustande kommen.
Die Blendenzahl berechnet sich aus dem Durchmesser der Blendenöffnung sowie der Brennweite. Die Brennweite muss deshalb mit einbezogen werden, weil die Öffnung bei größerer Brennweite auch entsprechend größer sein muss, um dieselbe Lichtmenge durchzulassen.

Aus der Formel ist ersichtlich, dass sich die Blendenzahl umgekehrt proportional zum Durchmesser der Blendenöffnung verhält. Das erklärt die gegenläufige Blendenskala. Aber da ist noch ein weiterer Punkt zu berücksichtigen: Die durchgelassene Lichtmenge hängt ja von der Fläche der Blendenöffnung ab, also vom Quadrat des Durchmessers. Wenn also die Blendenzahl halbiert wird (z.B. 5.6 anstatt 11), dann ist die Belichtung 4 mal so groß - und umgekehrt. Wenn wir dagegen eine halb so große Belichtung haben wollen, dann dürfen wir die Blendenzahl nicht mit 2 multiplizieren, sondern mit √2 = 1.41. Dieser Faktor liegt der gesamten Blendenskala zugrunde.
So erhalten wir zwei Skalierungen. Die eine nenne wir geometrische Skalierung, weil sie immer dann am Anwendung kommt, wenn geometrische Größen wie Abstände, Durchmesser usw. zum Tragen kommen; die andere liegt auf der Belichtungsebene und heißt entsprechend belichtungsorienterte Skalierung. So ist also die Zeitskala eine belichtungsorientierte Skala, weil die Zeitmarken direkt die Lichtmenge zum Ausdruck bringen, während die Blendenskala geometrisch orientiert ist, weil sich die eingestellten Werte in ihren Quadraten belichtungsmäßig auswirken.
Diese Unterscheidung mag an dieser Stelle weit hergeholt, arg konstruiert und auch überflüssig erscheinen, aber wenn wir uns mit der Blitzlichttechnik befassen, dann können diese Zusammenhänge manches erklären.