Negativ Multiplizieren: andere Blickrichtung


Der Algorithmus

Zuvor ein paar Anmerkungen zu den Bezeichnungen. Es ist unheimlich schwer, für die verschiedenen Füllmethoden zutreffende, aber auch aussagekräftige Bezeichnungen zu finden. Schon die Bezeichnung für die Füllmethode "Multiplizieren" wirft Fragen auf. Sicherlich ist die Bezeichnung sachlich korrekt, doch nichtsdestoweniger irreführend. Beim Multiplizieren erwartet man in aller Regel ein Mehr, eine Steigerung, bei einem Bild also mehr Licht. Genau das Gegenteil tritt aber ein: das Bild wird dunkler. Nur wer sich intensiver mit den Hintergründen befasst, kann die Bezeichnung verstehen.

Noch schwieriger wird es bei der hier zu besprechenden Füllmethode, dem "Negative Multiplizieren". Etwas negativ multiplizieren, was soll das denn sein? Den negativen Wert nehmen? Farbwerte können doch nur positiv sein. Oder multiplizieren und das Ganze dann in irgendeiner Form umstülpen? Wie man's auch nimmt, eine einleuchtende Erklärung lässt sich aus dem Begriff nicht herleiten. Die englische Bezeichung "Screen" für diese Methode gibt ebenfalls nicht viel her, dazu ist er zu vielschichtig und deshalb in diesem Zusammenhang nichtssagend.

Also untersuchen wir den Algorithmus, und vielleicht erklärt sich die Bezeichnung dann von selbst. Das Bild rechts zeigt einen von mehreren Versuchen, dem Algorithmus auf die Spur zu kommen. Da sich hier alles im Rotkanal abspielt, kann natürlich kein Weiß entstehen, sondern der Farbwert 1.0 steht für rot mit maximaler Helligkeit.

Nun aber zu den Farbwerten in den Ergebnisfeldern. Die Werte 1.0 und 0.0 sind klar, die entstehen auch beim "normalen" Multiplizieren. Doch die anderen Werte erschließen sich nicht auf den ersten Blick. Auf die Spur können uns die beiden roten Reihen oben und rechts bringen. Gleiches Ergebnis, obwohl einer der Faktoren variiert? Das Verhalten gibt es doch nur, wenn ein Faktor 0 ist. Die Felder mit den Farbwerten 1 ignorieren den anderen Farbwert, als hätten selbst sie den Farbwert 0. Damit wird auf einmal die Bedeutung des Negativen klar: Die Farben werden anders herum bewertet, nicht vom dunkelsten zum hellsten Feld, sondern vom hellsten zum dunkelsten. Wir könnten hier von "Dunkelwerten" sprechen.

In die Rechnung geht das hellste Rot mit dem Faktor 0, das dunkelste (= schwarz) mit dem Faktor 1 ein. Natürlich müssen die Dunkelwerte am Schluss wieder in normale Farbwerte umgewandelt werden, was ganz einfach durch Subtraktion von 1 geschieht.

Es gibt sicherlich noch andere Betrachtungs- oder Zugangsweise. So können wir z.B. das ganze Bezugssystem um den Betrag 1.0 nach oben verschieben, dann wird tatsächlich mit negativen Farbwerten gerechnet. Aber das soll hier nur am Rande erwähnt werden.


Der neutrale Farbwert

Der neutrale Faktor, der den anderen Faktor unverändert lässt, ist 1. Dieser Wert steht hier aber für die Farbe Schwarz mit dem Farbwert 0. Somit ist 0.0 der neutrale Farbwert bei der Füllmethode "Negativ Multiplizieren".

Über das gesamte Bild gesehen, also unter Einbeziehung aller drei Farbkanäle, ist Schwarz die neutrale Farbe

Wie beim Multiplizieren gibt es auch hier einen überlagernden Farbwert, und zwar 1.0. Die entsprechende überlagernde Farbe ist demnach Weiß. Mit anderen Worten: Wenn auf einer Ebene reines Weiß vorkommt, ist an dieser Stelle auch das Ergebnis weiß, egal, welche Farbe die andere Ebene an der Stelle hat.


Anwendungen

Experimente mit irgendwelchen grauen oder farbigen Ebenen können wir uns hier sparen, da im Prinzip Ähnliches gilt wie beim normalen Multiplizieren, nur eben mit anderen Vorzeichen.Wenn wir an der einen oder anderen Stelle etwas umdenken, können wir uns vorstellen, was passiert.

Nun also zu sinnvollen Anwendungen. Dass diese Füllmethode das Bild allgmein heller macht, wenn wir es mit einer Kopie des Bildes verrechnen, müsste nun einleuchten. Die Frage ist nur, in welcher Weise. Dazu wieder ein Bildbeispiel.

Das Bild ist ein typisches Beispiel für eine Unterbelichtung, wie sie schon mal vorkommen kann. Die Belichtung reichte einfach nicht aus, um die hellen Töne auch hell darzustellen. Das Histogramm macht dieses deutlich. Gleichzeitig sind die Schattenpartien ohne richtige Zeichnung, irgendwie zusammengequetscht. Das Histogramm zeigt ferner, dass die dunkelsten Partien ganz ohne Zeichnung sind. Da ist natürlich nichts mehr zu machen.

Die Abbildung darunter zeigt das Ergebnis, wenn wir die Füllmethode Negativ Multiplizieren auf eine Kopie des Bildes anwenden. Alles im Bild wird heller, wobei in den dunkleren Bildteilen eine deutliche Kontraststeigerung stattfindet. Es ist wesentlich mehr Zeichnung vorhanden, wobei die dunkelsten Stellen (Bäume) nach wie vor schwarz sind. Da steckt einfach nichts mehr drin.

Interessant dürfte wieder die Verrechungskurve sein, die ja nichts anderes als die Gradationskurve repräsentiert. Es ist wieder eine quadratische Kurve, nur auf den Kopf gestellt, d.h. um 180° gedreht.

Die nach oben gewölbte Kurve verläuft im dunklen Bereich steiler, was einer Kontraststeigerung entspricht. Im hellen Bereich verläuft sie flacher, ein Zeichen, dass hier der Kontrast gegenüber dem Ursprungsbild abnimmt. In dem Bildbeispiel fällt das allerdings nicht so auf, weil das Bild wegen der Unterbelichtung keine sehr hellen Partien hatte.

Wenn wir nun sehen, welche Kurvenform aus dieser Füllmethode resultiert, dann erkennen wir aber gleichzeitig, dass es noch andere Werkzeuge gibt, die zum selben Ergebnis führen. Mit einem oder höchstens zwei zusätzlichen Stützpunkten lässt sich die normale Gradationskurve in die gleiche Form bringen. Es ist eine Frage persönlicher Vorlieben. Einige basteln gerne und zielsicher mit Gradationskurven herum, andere versuchen, dasselbe ohne Einstellungsebene mit einer speziellen Füllmethode zu erreichen.


Negatives Multiplizieren und Farbmischung

Ähnlich wie beim normalen Multiplizieren lassen sich hier ebenfalls Betrachtungen über die Farbmischung anstellen. Im Grunde ist klar, dass alles mit umgekehrten Vorzeichen läuft: Anstelle der subtraktiven Grundfarben verwenden wir die additiven (rot, grün, blau), und der Hintergrund ist diesmal schwarz und nicht weiß.

Dass im negativen Multiplizieren die additive Farbmischung steckt, ist auch daran zu erkennen, dass diese Füllmethode immer zu einem helleren Mischergebnis führt, genau das, was bei der additiven Farbmischung ebenfalls geschieht.


Montagen auf der Basis des negativen Multiplizierens

Wie bei der Farbmischung lassen sich auch hier die Gedanken des normalen Multiplizierens aufnehmen und umkehren. Also: Irgendein Objekt wird auf einen dunklen, möglichst schwarzen Hintergrund gelegt und kann somit in andere Bilder kopiert werden, ohne dass das Objekt richtig freigestellt werden muss.

Dass im negativen Multiplizieren die additive Farbmischung steckt, ist auch daran zu erkennen, dass diese Füllmethode immer zu einem helleren Mischergebnis führt, genau das, was bei der additiven Farbmischung ebenfalls geschieht.

Auch hier wieder die Formel: