Spezialthemen der Bildbearbeitung


Die Möglichkeiten zur Bearbeitung digitaler Bilder sind nahezu grenzenlos. Mit wenigen Mausklicks lassen sich Bilder in kürzester Zeit verbessern, verfälschen oder verschlechtern. Automatische Funktionen in den Bearbeitungsprogrammen, allen voran Photoshop, sorgen für einfache und schnelle "Workflows", manchmal sogar zum Vorteil der Bilder. Manipulationen an den Bildern werden häufig als selbstverständliche Bearbeitungsschritte angesehen, und mit dem Attribut "kreativ" geht man umso freigiebiger um, je stärker das Bild in Farbgebung, Kontrast oder Inhalt verzerrt wird. Das alles spricht nicht gegen die spannende und in gewissen Grenzen auch notwendige Bildbearbeitung an sich, sondern weist vor allem auf Schwächen im Umgang mit diesen Programmen hin. Und so kommt es zu einer merkwürdigen Diskrepanz: Je besser die Werkzeuge werden, desto fragwürdiger und im fotografischen Sinne minderwertiger präsentieren sich die durchschnittlichen Ergebnisse.

Unterstützt wird diese Tendenz durch das überwiegend rezeptive Vorgehen in der Literatur. Arbeitsschritte werden in der Regel wie Rezepte aufgelistet, ohne dass ein fundiertes Verständnis dieser einzelnen Schritte auch nur angestrebt wird. Darüber hinaus ist das Ziel dieser Bearbeitungen sehr stark vom Zeitgeschmack geprägt: knallige Farben, knackige Konstraste, glatte und makellose Haut, "fremdkörperbereinigte" Motivteile usw. Das alles hat mit guter Fotografie selbstverständlich nichts zu tun, sondern ist vordergründig auf Bildwirkung ausgerichtet, wobei natürlich eine positve Ausstrahlung angestrebt wird. Das Bild soll "schön" auf den Betrachter wirken, doch in der Verzerrung des Dargestellten offenbart sich mitunter ein beachtliches Maß an Fälschung und Verlogenheit. Oberflächliche Schönheitsideale, durchsetzt vom Gedankengut der Werbung, sind tief in der digitalen Fotografie verwurzelt.

Und wie verhält es sich mit der Kunst, der freien Gestaltung? Schon der inflationäre Gebrauch des Wortes "kreativ" ist überaus verdächtig, und wenn wir uns die Prozesse anschauen, die angeblich zu künstlerischen Ergebnissen führen sollen, ist tiefes Unbehagen angesagt. Es mag ja sein, dass man von 100 durchgestalteten Fotos eines halbwegs als Kunst bezeichnen kann, aber viel häufiger wird mit den Mitteln der Bildbearbeitung Kitsch erzeugt, schöner Kitsch. Nein, als Mittel zur Erzeugung von Fotokunst ist die Bildbearbeitung in den Händen von jedermann nicht geeignet. Fotokunst ist anspruchsvoll. Sehr anspruchsvoll. Vorausgesetzt, dass man die Fotografie überhaupt als künstlerisch relevantes Medium akzeptieren will oder kann. Aber das soll hier nicht diskutiert werden.

Damit wieder ein Schuss Ehrlichkeit und Echtheit in die "Bearbeitungsszene" kommt, sind vor allem zwei Dinge erforderlich:


  • Wir müssen uns von der gedankenlosen, rein rezeptiven Anwendung der Bearbeitungswerkzeuge lösen und stattdessen Verständnis für die Abläufe anstreben. Es sollte also immer klar sein, was mit dem Bild geschieht, und ob die Bearbeitungsschritte die Aussagekraft des Bildes verstärken. Das setzt auch voraus, dass die Funktion der verschiedenen Werkzeuge verstanden wird. Fundiertes Verständnis ist Voraussetzung für sachgerechten Umgang.
  • Es muss einen Paradigmenwechsel geben: weg von der oberflächlichen Wirkung eines Bildes hin zum Primat des Motivs. Die motivgerechte Wirkung schließt auch negative Ausstrahlungen ein und impliziert vor allem, dass der Fotograf bereits bei der Aufnahme eine Vorstellung von der Bildaussage hat. Es wird Zeit, mal wieder über den Begriff "Motiv" nachzudenken.

Abschließendes Argument, dem ich spontan nicht viel entgegensetzen kann: Warum soll man nicht einfach Bilder erzeugen, die schön sind und die man sich mit Freuden anschaut? Ist das keine legitime Motivation, die Bildbearbeitung nach allen Regeln der "Kunst" auszureizen und dabei ruhig auf die Rezepte in Buch, Zeitschrift und Internet zurückzugreifen? Ja, einverstanden, warum nicht! Wenn da nur nicht dieser fatale Überdruss bestünde. Ich kann sie nicht mehr ertragen, diese vielen, vielen schönen Bilder. Und ich hoffe im Interesse der Fotografie, dass es anderen Menschen langsam ähnlich geht. Schöne Massenware! Gibt es eine treffendere Definition für "Kitsch"? Und, ja, ich geb's noch einmal zu: Kitsch ist legitim und und kann einen billigen und anspruchslosen Beitrag zur Verschönerung des Lebens liefern.