Besonderheiten, Ergänzungen, Missgriffe
Wann ist eine Änderung der Pixelzahl notwendig oder sinnvoll?
In den vorausgegangenen Beiträgen habe ich wiederholt anklingen lassen, dass die Änderung der Pixelzahl normalerweise weder sinnvoll noch notwendig ist. Doch damit war immer die Skalierung des gesamten Bildes gemeint. Von dieser Regel gibt es m.E. zwei Ausnahmen:
- Es kann passieren, dass man durch falsche Einstellungen, z.B. beim Scannen, zu gigantischen Pixelzahlen gelangt, mit Dateigrößen von 100 MB oder mehr. Solche Bilder können nicht mehr vernünftig gehandhabt werden, und außerdem bringen derartig überhöhte Pixelzahlen in aller Regel überhaupt keinen Vorteil. Dann ist es sinnvoll, das Bild auf vernünftige Dimensionen herunterzurechnen.
- Mitunter liegt ein Bild mit sehr geringer Pixelzahl vor (z.B. 600 x 400 px). Es soll aber in einer Größe gedruckt
werden, die eigentlich mindestens 2400 x 1600 px verlangt. Natürlich kann der Druckertreiber das Bild skalieren, aber das Ergebnis ist wahrscheinlich sehr schlecht. Unter Umständen kann es Vorteile bringen, das Bild in der Bildbearbeitung zu vergrößern und anschließend durch Nachbearbeitung die eine oder andere Schwäche ein wenig abzumildern.
Neben diesen eher seltenen Fällen der Pixeländerung kommt es auch im normalen Bearbeitungsablauf dazu, dass sich andere Pixelzahlen ergeben. Aber dann handelt es sich nicht um eine Skalierung, sondern um unvermeidbare Pixelbeschneidungen oder -verschiebungen. Es sei nur auf die Verkleinerung des Bildes durch das Freistellen eines Ausschnittes hingewiesen. Oft denkt man gar nicht daran, dass Pixel neu berechnet und interpoliert werden müssen, etwa wenn perspektivische Verzerrungen korrigiert werden. Es gibt noch weitere Fälle, auf die ich hier aber nicht näher eingehe.
Wann ist eine "frühe" Festlegung der metrischen Größe sinnvoll?
Normalerweise wird die metrische Größe (Ausgabegröße, Dokumentgröße, Duckgröße - wie immer man sie nennen mag) unmittelbar vor dem Drucken festgelegt. Was vorher in den Exif-Daten eingetragen wurde, ist im Grunde unerheblich. Auf eine Ausnahme habe ich bereits hingewiesen: Wenn eine Vorlage gescannt und in Originalgröße gedruckt werden soll, dann überlässt man es zweckmäßigerweise dem Scanner, diese Größe einzutragen. Nicht dass es notwendig wäre, aber es erspart einem das Ausmessen der Vorlage mit dem Lineal.
Eine zweite Ausnahme könnte vorliegen, wenn eine Fotomontage erstellt werden soll. Dann bietet sich für den Druck ein gängiges Papierformat (z.B. Din A4) an, und es kann leichte Vorteile bringen, die gesamte Montage auf dieses Format einzustellen. Vor allem wenn zwischendurch immer wieder Probedrucke fällig sind, erreicht man auf diese Weise reproduzierbare Ergebnisse. Zwingend ist das allerdings nicht.
Photoshop und die Größen
Es spielt keine Rolle, ob wir Bilder mit Paintshop, Photo Impact, Photoshop oder Gimp bearbeiten: wir erfahren sehr schnell und nachhaltig, dass es immer nur um Pixel geht. Wenn wir Bilder beschneiden, fallen Pixel weg. Wenn wir die 100%-Darstellung wählen, werden die Pixel auf den Bildschirm eingestellt. Wenn wir Ebenen zur Deckung bringen, müssen die Pixelzahlen stimmen. Wenn wir Bilder ineinander montieren, bringen wir die Komponenten auf die richtige Pixelzahl, usw, usw. An keiner einzigen Stelle während der gesamten Bildbearbeitung interessiert uns, welche Größe in cm und mm zu dem Bild eingetragen ist. Sie ist, abgesehen vom anschließenden Drucken, total bedeutungslos Die Bedeutung der Pixelzahl ist so außerordentlich, dass es duchaus Sinn macht, sie in der Titelleiste anzuzeigen, jederzeit sichtbar. So, wie es fast alle mir bekannten Programme machen.
Bis eben auf Photoshop. Unten in der Statusleiste kann man sich allen erdenklichen Quatsch anzeigen lassen - nur nicht die Pixelzahl. In den mir bekannten Elements-Versionen (10 und 12) sowie in CS5 erhält man diese wichtige Zahl zumindest vorübergehend eingeblendet, wenn man auf die Statusanzeige klickt, doch in CS3 ist nicht mal das möglich. Da bleibt nur der umständliche Weg ins Menü.
Also, ich weiß nicht, welchen Narren die Photoshop-Leute an ihren Inches und Zentimetern gefressen haben. Wenn die nicht so unwahrscheinlich leistungsfähige Algorithmen auf die Beine gebracht hätten, müsste man die Vorlieben dieser Leute als bedenklich einstufen.
Die Sache mit der Scanotypie
Bis vor kurzem wusste ich gar nicht, was das ist: Scanotypie. Ich fand einen mehrseitigen Aufsatz darüber in einer Fotozeitschrift, und ich hab's gleich ausprobiert. Das Verfahren ist unkompliziert, erfordert keinen besonderen Aufwand und funktioniert verblüffend gut. Man öffnet den Deckel des Scanners und legt irgendetwas darauf, z.B. eine Nelke. Der Deckel bleibt beim Scannen offen, und wenn es nicht allzu hell im Raum ist, wird die Nelke wunderbar auf schwarzem Hintergrund abgebildet. Geheimtip für Leute, die mal schnell eine Geburtstagskarte aus dem Ärmel zaubern müssen.
Doch jetzt kommt es. Der Autor des Artikels ist offenbar ein Vertreter der fotografischen Zunft und sehr stark auf Qualität bedacht. Mit anderen Worten: Er empfiehlt, beim Scannen die höchste Auflösungsstufe zu verwenden, z.B. 9600 dpi, wenn der Scanner das hergibt. Oh weh, ich hatte meiner Nelke gerade mal 100 dpi gegönnt und war eigentlich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Oder sollte ich in meinem Anspruchsniveau, was Abbildungsqualität betrifft, bereits so tief gesunken sein? 9600 dpi, oder meinetwegen auch nur 4800 dpi, irgendwie muss man das Ganze ja auch verarbeiten. Ich hab' mal ein bisschen nachgerechnet. Ein DinA4-Bild, mit 4800 dpi gescannt, da stößt man, was die Dateigröße betrifft, deutlich in den Gigabyte-Bereich vor (etwa 2,5 GB bei 8 bit Farbtiefe). Und das für eine dusselige Nelke? War das wirklich ernst gemeint?
Ich las weiter und stellte fest, dass der Autor es tatsächlich ernst meinte. Er ließ sich auf fast zwei Seiten darüber aus, wie man mit solch großen Datenmengen umgeht, welche Programme oder Betriebssysteme damit Probleme haben und deshalb nicht zu empfehlen seien, oder wie man die Performance verbessern könne, evtl. durch Aufrüstung des Computers. In der Tat, DinA4 mit 4800 dpi, das dauert, da kann eine Nelke beim Scannen schon mal etwas welken und schrumpfen, was der Schärfe nicht besonders zuträglich ist.
Ok, ich habe mich schließlich vergewissert, dass es sich bei der Zeitschrift nicht um eine April-Ausgabe handelte und dann versucht, das Ganze irgendwie einzuordnen. Dabei kam mir ein grotesker Gedanke. Ich stellte mir vor, ich würde das Gesicht des Autors auf die Glasscheibe des Scanners drücken und mit 4800 dpi scannen. Anschließend würde ich das Ganze im Format 4 x 6 Meter ausdrucken (das steckt bei der Auflösung drin) und damit die Betonfassade eine Stadthauses tapezieren. Weithin sichtbares Konterfei eines anspruchsvollen Menschen mit Sachverstand.
Und noch so ein Hammer
Vor einigen Jahren kaufte ich ausnahmsweise mal eine Ausgabe der Zeitschrift "DOCMA" (3/2011), obwohl ich mich nicht im geringsten mit der Zielsetzung des Blattes identifizieren kann. Aber das erfuhr ich erst beim Lesen. Vielleicht liegt's auch daran, dass sich die Zeitschrift an Profis der höchsten Liga wendet und ich ein eher bescheidener Amateur bin. Der Herausgeber, Chefredakteur und Hauptsachverständige der Zeitschrift, Dr. Hans D. Baumann ("Doc") jedenfalls betont mit bewundernswertem Selbstbewusstsein, dass für ihn nur höchste Qualitätsmaßstäbe gelten. Keine Abstriche. Und so darf man davon ausgehen, dass alle Artikel erste Sahne sind, das Beste für die Könige der Bildbearbeitung. Und da ich das meiste in dem Heft nicht verstanden habe, wurde meine Überzeugung, damit etwas Exzellentes erstanden zu haben, nicht erschüttert.
Vor kurzem blätterte ich noch einmal in dem Heft und fand auf Seite 82 tatsächlich einen Artikel, der mich interessierte: "Interpolation im Vergleich" (Autor: gh). Mit Interpolation ist die Methode des Größerrechnens eines Bildes gemeint, genau: Wie gut arbeiten verschiedene Programme, wenn die Pixelzahl erhöht werden soll. Tja, und dann fand ich bei der Vorstellung des Testmaterials den folgenden Satz:
"Bei Bild 2 handelt es sich um das RAW-Foto einer digitalen Spiegelreflex-Kamera (ca. 5600 x 3700 Pixel), das auf das Format DIN A0 hochgezogen wird."
Ein typischer Photoshop-Mensch, dieser Autor, der sich so auf die Eigenwilligkeiten dieses Programms eingestelt hat, dass er den Lapsus wahrscheinlich nicht mal merkt. Ich stelle mir vor, wie ein neues Automodell beschrieben wird: "Unter der Motorhaube hat sich auch einiges getan. So wurde die Leistung des Motors von 125 PS auf 195 km/h hochgezogen."