Die sich derzeit ereignende Highspeed-Digitalisierungswelle berührt in besonderer Weise das Verhältnis von Mensch und Maschine. Wer kann es besser, der Mensch oder die Maschine? ist eine zentrale Frage. Die Antwort liegt auf der Hand: natürlich die Maschine, denn sonst würde ihr Einsatz ja keinen Sinn machen. Denken wir z.B. an das Ausschachten eines Kellers. Wer kann es besser, der Bagger oder der schaufelnde Mensch? Ok, eine Antwort erübrigt sich. Aber ist die Frage überhaupt richtig gestellt? Der schaufelnde Mensch im Kellerschacht benutzt ja schließlich Werkzeuge wie Spitzhacke und Schafeln, und ist der Bagger nicht letzten Endes auch ein Werkzeug, nur ein effektiveres, wenn es um umfangreichere Erdarbeiten geht?
Doch die Werkzeuge ändern sich. Man hantiert immer weniger mit ihnen, sondern man programmiert sie und überwacht dann allenfalls nur noch das einwandfreie Funktionieren. Die Maschinen werden quasi an der langen Leine geführt. Gleichzeitig werden die Maschinen immer komplexer, so dass man vielleicht besser von „Systemen“ sprechen sollte. Man braucht nur einen Blick in eine moderne Fertigungshalle zu werfen. Menschen sind oft nur am Rande zu bemerken, und sie hantieren nicht mit den Maschinen, sondern mit Programm- und Überwachungskonsolen.
Das ist vielleicht die bedeutsamste Veränderung der jetzigen Zeit: Die Maschinen verselbständigen sich immer mehr, und dazu leistet die sogenannte „künstliche Intelligenz“ einen erheblichen Beitrag. Die Abläufe werden immer stärker automatisiert, und die beteiligten Menschen werden zu Modulen in diesen modernen Systemen. Das betrifft nicht nur die produzierende Industrie, sondern auch Bereiche wie Handel, Finanzwesen, Verwaltung, Landwirtschaft, Dienstleistungsgewerbe – eigentlich alle Bereiche der menschlichen Gesellschaft. Längst ist die eingangs gestellte Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine obsolet. Wir müssen uns heute fragen: Was kann es besser, ein Maschinensystem mit Menschen oder Maschinen ohne Menschen?
Und auch hier geht die Antwort zugunsten der reinen, menschenfreien Maschinen bzw. Systeme aus. Zwar müssen Menschen derzeit noch gewisse Lücken füllen, aber im Endeffekt sind sie nur Ballast; sie stören. Ja, sie sind in einer Industriegesellschaft der größte Kostenfaktor, und logischerweise besteht der wirksamste Ansatz zur Rationalisierung darin, Menschen aus dem System zu eliminieren. Menschenfreie Syteme und Maschinen, das ist das Ziel einer rational und pragmatisch denkenden Gesellschaft. Zur Zeit befindet sich die Menschheit im Endspurt auf dem Weg dahin. Welche Rolle die Menschen in solchen Systemen spielen können oder sollen, ist noch völlig ungeklärt, und aus der Sicht der Digitalindustrie ist schon die Frage kontraproduktiv. Sie wird übertüncht, diese Frage, und zwar mit dem gebetsmühlenartig heruntergleierten Komfortversprechen: „We’ll make the world a better place“. Die Menschen an den zentralen Schalthebeln der digitalisierten Gesellschaft wissen, wie man die große Masse der Komparsen und Statisten zumindest erst mal ruhig stellt. Appell an die Bequemlichkeit – und mit Beschäftigung. Soziale Netzwerke oder auch süchtig machende Spiele sind hervorragend geeignet, von dummen (= tiefgreifenden) Gedanken abzulenken.
Noch einmal: Das Streben nach Effektivität beinhaltet das Streben nach möglichst weitreichender Automatisierung bei gleichzeitig geringer Menschenbeteiligung. Und sofern Menschen beteiligt sind, müssen sie strikt in das System eingebunden werden. Menschen sind in diesem System nur noch vertretbar, wenn sie annähernd so zuverlässig wie Zahnräder funktionieren. Unter diesem Aspekt ist es verwunderlich, dass es immer noch Soldaten gibt, die im lächerlichen Gleichschritt marschieren und zum Töten mit Schießgewehr und Kanone ausgebildet werden. Reine Symbolfiguren, die eigentlich nur noch so Dinge wie Disziplin und Gehorsam verkörpern, mehr nicht. Die Kriege der Zukunft werden nicht mehr mit Soldaten im Schlachtfeld geführt, sondern mit automatisierten, menschenfreien Kriegsmaschinen in Form von Drohnen. Drohnen, die wahrscheinlich in wenigen Jahren schon so weit mit „künstlicher Intelligenz“ vollgefüttert sind, dass sie selbständig strategisch operieren können. Und ebenso Schiffe und Landfahrzeuge. Fazit: Auch was das effektive Töten betrifft, können Maschinen es halt besser. Menschen haben oft noch hinderliche Skrupel und Ängste; es tut oft lausig weh, abgemurkst zu werden, und das hindert. Da sind Tötungsmaschinen wesentlich freier. Menschen stören beim modernen, digitalisierten Töten.
Na ja, und in dem Zusammenhang muss noch die indirekte Kriegsführung erwähnt werden, die darin besteht, die hochgezüchteten, weigehend menschenfreien Automatismen des Gegners zu zerstören. Aber Menschen hängen davon ab, selbst die digitalisierten, auf einer niedrigen Stufe komfortabel vor sich hin existierenden Menschen. Einfach nur mal den Strom des ganzen Landes für zwei Wochen ausschalten. Geht mit etwas Geschick ruck-zuck, denn die Menschen haben sich ans Internet gehängt, und das schafft weltweiten Zugang zu wichtigen Systemen. Der erste große Cyberwar, der unweigerlich irgendwann kommen wird, verspricht unterhaltsam zu werden.