Künstliche Intelligenz – Fluch oder Segen?

Es gibt kaum einen Sachverhalt, bei dem die Meinungen so weit auseinanderklaffen wie bei der „künstlichen Intelligenz“. Am Anfang dieses Beitrags stelle ich einfach mal zwei Meinungen vor:

„Systeme und Geräte, die wir mit künstlicher Intelligenz ausstatten, sind selbständige Wesen; sie haben Anspruch auf Artenschutz.“
(ein Entwickler in einer Software-Firma)

„Wir sind bestrebt, der künstlichen Intelligenz Liebe beizubringen. Damit sollte sichergestellt sein, dass sich künstlich-intelligente Systeme nicht gegen Menschen richten.“
(eine Dozentin, die an der Berkeley-Universität in Kalifornien lehrt und forscht)

Jedem vernünftig denkenden Menschen sollte klar sein: Die Auffassungen dieser beiden Protagonisten tragen auf keinen Fall zu einem sinnvollen Umgang mit KI bei; sie kennzeichnen einen zynischen Umgang mit humanen Werten und sind darüber hinaus ziemlich gefährlich. Eine entscheidende Ursache für derartig schrille Extremauffassungen dürfte die überall zu beobachtende, maßlose wissenschaftliche Arroganz sein. Alles scheint möglich zu sein; Grenzüberschreitungen werden durch die Überschreitung anderer Grenzen gerechtfertigt. Geschöpfe fühlen sich ermutigt, in die Schöpferrolle zu schlüpfen, und in ihrer Überheblichkeit merken sie gar nicht, wie sehr sie die Menschen verhöhnen, die in aufopfernder Liebe ihren Mitmenschen zugetan sind. Ein Algorithmus kann nicht lieben.

Um zu einem vernünftigen Umang mit der KI zu gelangen, sind Extremauffassungen wie die zitierten wenig hilfreich, ebensowenig wie panisches Weltuntergangsgeschrei oder das euphorische Versprechen einer glücklichen, digitalen Zukunft. Ki ist Algorithmik, nicht mehr. Allerdings eine besonders leistungsfähige und deshalb auch gefährliche. Doch wie die KI-gesteuerte Zukunft aussieht, ist einzig und allein Sache der Menschen. Die Menschen haben es in der Hand, KI zu ihrem Nutzen einzusetzen und KI-bedingte Schäden zu vermeiden. Doch dazu ist es erforderlich, das entscheidende Merkmal der künstlichen Intelligenz zu erkennen und jederzeit im Blick zu behalten.

Wie schon gesagt handelt es sich bei KI-Systemen um Algorithmen, und alles, was mit KI erreicht werden kann, wäre prinzipiell auch mit herkömmlichen Programmen zu bewerkstelligen – sofern wir den dazu erforderlichen Aufwand leisten könnten. Da sind uns die KI-Systeme deutlich überlegen, weswegen wir aber nicht vor Ehrfurcht erstarren müssen. Ein Bagger ist uns ja auch kräftemäßig überlegen, ohne dass wir ihn gleich unter Artenschutz stellen müssten.

Das Wesentliche, was KI von allem bisher Dagewesenen unterscheidet, sind nicht die Leistungsfähigkeit und die Einsatzmöglichkeiten, sondern die Kontrolle, der sich KI entzieht. Wir wissen nicht, wie der Algorithmus vorgeht; er präsentiert uns ein mehr oder weniger gutes Ergebnis, das im Wiederholungsfall ganz anders ausfallen könnte. KI-Systeme sind unberechenbar, und genau damit berühren wir die eigentliche Problematik.

Im Grunde ist es ein Dilemma. Einerseits entziehen sich KI-gesteuerte Vorgänge der unmittelbaren Beobachtung und Kontrolle; andererseits sind diese Systeme Werikzeuge, die wie alle Werkzeuge kontrolliert und zielorientiert eingesetzt werden müssen. Man darf auf kenen Fall (!) ein KI-System sich vollständig selbständig überlassen, so wie es manchen KI-Missionaren vorschwebt. Es entstehen weder neue, schützenswerte Arten (allenfalls digitale Monster) noch lassen KI-Systeme sich durch algorithmische „Liebe“ in die Schranken verweisen. Wie also mit KI umgehen?

Auf jeden Fall brauchen wir ein Regelwerk, das strikt einzuhalten ist. Dazu gehört die konsequente Sanktionierung bei Regelüberschreitungen. Andernfalls wird die KI-Entwicklung im Chaos enden. Im Grunde hätten wir ein solches Regelwerk auch schon im Zuge der herkömmlichen Digitalisierung (PA = programmatische Algorithmik) einsetzen sollen; dann wäre uns mancher digitale Wildwuchs erspart geblieben. Man muss sich nur mal vorstellen: Jährlicher Schaden durch Cyber-Kriminalität in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro. Der gesellschaftliche Schaden wir noch erheblicher sein und lässt sich nicht beziffern (Verrohung, menschliche Entfremdung, Fake-news, Meinungsblasen, Stress und Krankheit durch Dauerpräsenz usw. usw.).

Aber zurück zur KI. Die nächstliegende Regel muss in der Forderung bestehen, dass alle KI-Produkte, egal ob Texte, Bilder, Diagnosen, Informationen etc., deutlich als KI-Erzeugnisse gekennzeichet werden müssen. Im Grunde reicht diese selbstverständliche Forderung ins Urheberrecht hinein, das infolgedessen den Schwerpunkt nicht hauptsächlich auf das Vermarktungsrecht des Urhebers legen dürfte, sondern auf das Recht des Lesers, Betrachters oder Anwenders, den Urheber zu erfahren. In gewisser Hinsicht ein Paradigmenwechsel.

Ganz wichtig wird sein, dass gesellschaftsrelevante Schritte immer in der Hand von Menschen liegen müssen. Wenn es also um Entscheidungen geht, die in die Grundrechte von Menschen hineinreichen oder deren Lebensführung erheblich beeinflussen, dürfen grundsätzlich nur Menschen entscheiden. KI kann zwar bei der Beurteilung einer Situation helfen und Entscheidungsvorschläge liefern, aber die eigentliche Entscheidung muss immer von Menschen getroffen werden. Und dass bei den Begründungen darauf hingewiesen wird, falls KI im Spiele ist, sollte selbstverständlich sein.

Viele Vorgänge werden automatisch von Ki gesteuert werden. Solange es um technische Dinge handelt, ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden – sofern es die Möglichkeit gibt, korrigierend in die Vorgänge einzugreifen. Das bedeutet vor allem, automatische Abläufe auf der Stelle beenden zu können. Der Interrupt-Schalter muss absolut sicher und möglichst verzögerungsfrei funktionieren. Da sich die KI-Vorgänge nicht direkt kontrollieren lassen, müssen sie in möglichst kleine Schritte zerlegt werden, zwischen denen eine Ergebniskontrolle möglich ist – und vor allem ein Einschreiten.

Aber nicht nur die Abläufe müssen fragmentiert werden, sondern auch die Zuständigkeitsbereiche. Es darf auf keinen Falll ein KI-Monster geben, das die verschiedensten Aufgabenbereiche bearbeitet und kontrolliert. Was nützt z.B. ein Sicherheitsschalter, wenn das zu überwachende KI-System diesen Schalter deaktivieren kann? Aktuelle, noch nicht ausentwickelte KI-Systeme werden oft als nützliche Fachidtioten bezeichnet. Genau das müssen sie bleiben – aus Sicherheitsgründen und um sicherzustellen, dass Menschen die Technik beherrschen und nicht umgekehrt.

Es hat sich gezeigt, dass KI-Systeme das Aussehen, Verhalten, die Sprache usw. von real existierenden Menschen kopieren können, und zwar täuschend echt. Ähnliches gilt für kreative Werke von Menschen: Musik, die selbst von Experten nicht von der Musik eines Bach oder Händel zu unterscheiden ist; Bilder, mit denen sich Dutzende von täuschend echt aussehenden Edvard Munchs „finden“ lassen. Für all diese „Leistungen“ gibt es keine (keine einzige) sinnvolle oder auch nur vertretbare Anwendung. Alle Anwendungen auf dieser Basis sind Täuschung, Betrug, und zwar von einer ziemlich widerlichen Art. Deshalb muss es eine Regel geben, dass Menschen überhaupt keinen Zugang zu solchen KI-Anwendungen erhalten, was auch bedeutet, dass KI-Systeme grundsätzlich nur mit anonymisierten Daten trainiert werden dürfen. Hier wird erneut deutlich, dass bereits vor der künstlichen Intelligenz manches falsch gelaufen ist und immer noch läuft.

Dieses sind nur einige Gedanken zum KI-Regelwerk. Man kann über die Ausgestaltung dieser Regeln streiten, aber zwei Dinge darf man dabei nicht aus dem Blick verlieren:

1. Im Miteinander von Mensch und Technik muss immer der Mensch die Entscheidungs- und Gestaltungshoheit behalten, und zwar in allen Bereichen.
2. Künstliche Intelligenz ist Algorithmik, also Technik, und darf niemals mehr als nur Werkzeug sein.

Vor allem aber der Grundsatz:

Entscheidend für das Handeln und Planen der Menschen darf nicht das sein, was sie können, sondern das, was sie dürfen. Zu oft hat die Menschheit im Vertrauen auf ihr Können ihr Handeln gleichzeitig als richtig und erlaubt eingestuft oder – was genau so  schlimm ist – kritiklos als unvermeidlich akzeptiert. Nun bricht unser Planet unter unseren Füßen auseinander, und kein Klimakleber kann die Risse noch kitten. Auch die Digitalisierung nicht; sie vermag allenfalls, uns vor den Rissen zu warnen, dass wir nicht hineinfallen.

 

Formalitäten

Mit diesem Beitrag knüpfe ich unmittelbar an den vorangegangenen Beitrag „Gendern – aber richtig“ an. Gendern ist eine Erscheinungsform der „politischen Korrektheit“.

Ehrlich, ich kann sie nicht mehr ertragen, diese Missionare der „politischen Korrektheit“ oder – um es auf deutsch zu sagen – der „political correctness“. Diese Leute verfangen sich in oberflächlichen Formalitäten und kommen sich als Weltverbesserer vor, obwohl sie nicht den Mumm haben, an den Kern der Probleme heranzugehen. Gleichzeitig ein typisches Beispiel für den „Komfort“ der digitalen Zeit: Alles möglich, alles besser machen, alles vorantreiben, aber bitteschön ohne wirklich Verantwortung zu übernehmen oder schwerwiegende Entscheidungen treffen zu müssen.

Flucht an die Oberfläche. Es ist einfacher (und sicherer), Sprache zu zerstören oder von A-Worten, B-Worten, C-Worten … Z-Worten zu reden anstatt sich mit den Poblemen auseinanderzusetzen oder die Werte, die andere Generationen unter anderen Voraussetzungen gebildet haben, zumindest respektvoll zu betrachten. Und natürlich kritisch und distanziert. Aber sollten wir nicht auch unsere heutigen Maßstäbe kritisch und distanziert betrachten? Ist die Welt wirklich besser geworden, nur weil’s die heutige Welt ist?

Zweifellos ist das wüste Sternchengendern eine besonders zerstörerische Erscheinungsform der „politischen Korrektheit“. Es gibt auch harmlose Fälle, die allenfalls peinlich sind. Als Beispiel erwähne ich die Umbenennung der „Zigeunersauce“ in „Paprikasauce“. Eigentlich habe ich jetzt gerade gegen die „politische Korrektheit“ verstoßen, den ich hätte es „Z-Wort-Sauce“ nennen müssen. Mit dem Z-Wort verbinde ich seit meiner Jugend eine freie Lebensform, verbunden mit einem hohen Maß an Temperament und Musikalität. „Z-Wort-Sauce“ ist demnach ein Ausdruck von Bewunderung für eine Lebensform, die zu einer überorganisierten, strikt auf Ordnung bedachten Welt nicht so richtig passen will. Übrigens: Hat schon jemand einen Vorschlag gemacht, wie man in Auschwitz-Birkenau das „Z-Wort-Lager“ demnächst politisch korrekt benennen könnte?

Eine besonders groteske Form der „politischen Korrektheit“ ist die „kulturelle Aneignung“, Eigentlich unvorstellbar, aber wahr: Fridays For Future hat einer Aktivistin die Teilnahme an einer Demonstration versagt, weil sie Rasta-Locken trug, also eine Frisur, die kennzeichnend für die Auflehnungskultur von Farbigen in den USA ist. Da kann man doch nicht einfach …

Deutlicher kann man den Unsinn der „kulturellen Aneignung“ nicht zum Ausdruck bringen. Da bemüht man sich im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Welt um Integration, wozu vor allem die Akzeptanz anderer Kulturen beiträgt. Mehr noch: andere Kulturen werden nicht als fremd und abstoßend, sondern als bereichernd für die eigene Kultur verstanden. Es gibt viele positive Beispiele, die genau das Gegenteil von dem verkörpern, was mit der „kulturellen Aneignung“ erreicht werden soll. Denken wir nur an die Musik. Müssen wir jetzt alle Spirituals und Gospel-Songs aus unserem Repertoire entfernen, weil wir sie uns angeeignet haben? Dürfen wir als Nichtjuden keine Kipa mehr tragen, um Solidarität mit den Juden zu zeigen, etwa beim Betreten eines jüdischen Friedhofs? Usw.

Das ganze Getue rund um „politische Korrektheit“ ist doch im Grunde nichts anderes als ein Plätschern an der Oberfläche, verbunden mit einem Ausweichen vor den eigentlichen Problemen. Kultureller Knigge. Egal wie’s schmeckt, Hauptsache die Gabel wird vorschriftsmäßig gehalten.

Gendern – aber richtig

Dieser letzte Beitrag zu dem Thema fällt mir nicht ganz leicht, und zwar vor allem deshalb, weil ich das englische Wort „gender“ und seine Varianten regelrecht zum Kotzen finde, ähnlich wie die Wortgruppe rund ums „date“. Widerlich. Da sind mir die Menschen, die sich – auf deutsch – zum Bumsen verabreden, doch lieber.

Gleichwohl ist es nicht verkehrt, wenn wir es sprachlich allen Geschlechtern (sorry, ich weiß nicht genau, wieviel es gibt, müssen so um die 6 oder 7 sein) recht machen wollen. Zwar kann Sprache keine gute Gesinnung erzeugen, wohl aber Ventile öffnen, so dass eine vorhandene, miese Gesinnung sich nun frei über die Gesellschaft ergießen kann. Also machen wir’s sprachlich korrekt.

Doch wie? Am besten ist es, wir besinnen uns auf den eigentlichen Kern von Sprache, nämlich das Sprachverständnis. Der Hörer (Leser usw.) soll das Mitgeteilte so auffassen, wie es vom Sprecher (Schreiber usw.) gemeint ist, und zwar mit allen denkbaren Facetten, wovon Humor und Ironie nicht die unwichtigsten sind. Wenn zum Beispiel die Rede davon ist, dass die Besucher eines Freiluftkonzerts begeistert waren, dann kommt niemand (absolut niemand) auf die Idee, es handele sich nur um männliche Besucher. Sowohl Mitteilungsabsicht als auch das Verständnis stimmen überein, womit diese schlichte, geschlechtsneutrale Form „Besucher“ die sauberste und integrativste Form der geschlechtsneutralen Sprache ist.

So einfach und schlüssig das Prinzip des neutralen Plurals auch sein mag, es gibt Leute, die damit nicht zufrieden sind. Da sind zum einen die überzüchteten Theoretiker (vorwiegend männlich), die den Unsinn des „generischen Maskulinums“ in ihr Regelwerk hineindefiniert haben. Zum anderen sind da die Sortierer (vorwiegend weiblich), die nicht damit einverstanden sind, dass alles in einen Topf geworfen wird. Also, da muss es doch was Trennendes geben, zumal ja auch die Sprache in vielen Fällen weibliche Formen anbietet! Tja, ein Privileg, das die Männer und die anderen nichtweiblichen Geschlechter nicht haben. Und wenn es die weiblichen Formen schon gibt, dann bitte auch benutzen, auf Biegen und Brechen.

Und so wurde zunächst die Doppelnennung kreiert: „Der Redner wandte sich an alle Betroffenen, an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, an die kommunalen Beamten und Beamtinnen, an die Bürgemeister und Bürgermeisterinnen, an die Reporterinnen und Reporter, die Journalisten und Journalistinnen, an die Protokollführer und Protokollführerinnen …“ Heißa, da kann man der Redelust freien Lauf lassen. Ist natürlich bescheuert, diese Art der formalen Korrektheit, aber sprachlich kann man nichts dagegen einwenden. Wer will, soll so sprechen. Es gibt natürlich auch (wenige) Fälle, wo die sprachliche Doppelgeschlechtlichkeit einen Sinn macht. Beispiel: Der Verteidigungsminister besuchte die Soldaten und Soldatinnen in Mali. Unter „Soldaten“ versteht nicht jeder, dass auch weibliche Angehörige der Bundeswehr gemeint sind. – Nun ist diese Art der Personentrennung irgendwie auch lästig, was bei manchen Rednern zur Verschleifung führt. Beispiel Olaf Scholz: „Die Bürger und Bürgern können darauf vertrauen, dass wir …“ Ok, Sprache kann auch beschwerlich sein.

Eine andere Art, diesem verbosen Überschuss zu begegnen, besteht darin, abwechselnd mal die allgemein-neutrale und dann die rein weibliche Form zu benutzen: „Die Arbeiterinnen, Monteure, Außendienstmitarbeiter und Werkstattleiterinnen waren mit der Sitzung des Betriebsrats zufrieden“. Geht doch, wenngleich die Arbeiter und Monteurinnen zu kurz kommen. Immerhin ist gute Absicht erkennbar.

Ja, selbst wenn jemand sich auf die rein weibliche Form konzentriert, ist das – sprachlich – noch in Ordnung. Selbst inhaltlich ein bisschen. Wenn also von den Sängerinnen des Männergesangvereins „Frohe Liederfreunde“ die Rede ist, weiß doch jeder, dass es sich um männliche Sängerinnen handelt. Klarer Fall, niemand wird benachteiligt, darauf kommt es letztlich an. Und sprachlich ist es ebenfalls in Ordnung. Na ja, so einigermaßen jedenfalls. Und wir Männer haben die Chance, uns mal großzügiger als verbissene Feministinnen zu zeigen.

Es gibt also diverse Möglichkeiten, auf korrekte Weise so etwas wie sprachliche Geschlechtergerechtigkeit zu praktizieren. Nur eines geht nicht: Wir dürfen auf keinen Fall die sprachlichen Grundlagen zerstören, indem wir z.B. sprachfremde Elemente mitten in die Wörter klemmen und diese dadurch regelrecht zertrümmern. Konstrukte wie Zuschauer*innen, Mitarbeiter:innen oder Leser_innen sind sprachliche Perversitäten, und diejenigen, die sich solcher Konstrukte bedienen (vor allem mündlich) verhalten sich sprachlich pervers. Ja, pervers, im wahrsten Sinne des Wortes abartig, denn Sprache gehört nicht zu den Formen des menschlichen Miteinanders, die man beliebig umgestalten kann und darf. Ein derartiges Umbauen von Sprache ist nicht artgerecht.

Anhängerinnen und Anhänger des Gendersternchens versuchen zu bagatellisieren, indem sie darauf hinweisen, dass es immer schon Anpassungen der Sprache gegeben habe und dass die Sprache es durchaus vertrage. Doch das Gendersternchen und vor allem die artikulierte Sprechpause („Betreuer Innnen“) sind keine Anpassungen, weil sie sich nicht mit der grammatischen Grundstruktur der deutschen Sprache vertragen. Die vielen Fälle, wo das Sternchengendern zu einem widerlichen Gehampel führt, zeigen es doch überdeutlich. Diese Form des Genderns lässt sich nicht mal halbwegs sauber umsetzen und kann nur als schlimme Zerstörung von Sprache bezeichnet werden.

Das Gendersternchen oder andere, in Wörter hineingepresste Sonderzeichen stammen aus der Digitalwelt, speziell aus der Welt der algorithmischen Sprachen. Doch hier dienen solche Konstrukte nur dazu, Bezeichner (also Namen) aussagekräftig zu machen. Die Grammatik solcher Sondersprachen dagegen wird von den algorithmischen Abläufen bestimmt. Sie hat nichts mit der Grammatik einer natürlich wachsenden Umgangssprache gemein, wo die Gendersternchen nichts anderes als widerliche Fremdkörper sind.

Und auch das sage ich ganz offen: Diejenigen, die vor allem in den Medien die Gender-Sprechpause praktizieren, sind offensichtlich nicht bereit (oder fähig), ein einwandfreies Deutsch zu sprechen, und das in Zeiten, wo die Kommunikation innerhalb der Gesellschaft zunehmend verkommt. Sprache ist zu wichtig, als dass wir sie auf derart grobe Weise misshandeln dürfen. Gerade in öffentlichen Medien dürften nur solche Leute zu Worte kommen, die deutsch sprechen. Zuviel verlangt?

Bleibt noch ein persönliches Resummée: Ich fühle mich durch die Gender-Sprechpause unangenehm berührt, mitunter sogar verletzt. Wenn im TV jemand auf diese Weise gendert, schalte ich ab, egal, ob es sich um eine Nachrichtensendung oder einen Gottesdienst handelt. Bei einigen Moderatorinnen kommt der Gap so scharfkantig und verletzend heraus, dass ich die entsprechenden Sendungen gar nicht erst einschalte – sicherheitshalber. Wir recherchieren, wer die Sendung morderiert, und sollte zum Beispiel Jana Pareigis mit ihrer extrem spitzen Artikulation an der Reihe sein, dann fällt die Heute-Sendung um 19 Uhr eben  aus. „Bleib sitzen und iss in Ruhe zu Ende, heute ist Pareigis dran.“

Zum Glück gibt es ja auch noch sprachlich saubere Zonen. Wenn ich mal wieder zusammenzucke, weil jemand den Gender-Schluckauf bekommt, dann greife ich zu einem Gedichtsband oder einem Buch mit gewissem literarischem Anspruch. Bei Droste-Hülshoffs Judenbuche oder Schillers Balladen ist man absolut sicher vor diesem Genderwahn. Sprachliche Geborgenheit.

Trotzdem: MIr graut vor den Leuten, die die „politische Korrektheit“ vorantreiben und damit  die Abwendung von inhaltlicher Substanz und die Hinwendung zur formalen Oberflächlichkeit vorantreiben. Das ist nichts anderes als eine Aushöhlung der Gesellschaft. Wie soll eine derart schlappe, inhaltsleere Gesellschaft überleben oder gar den wachsenden Haurausforderungen stark entgegentreten? Kein Wunder, dass die Schlappen, Faulen und Entscheidungsunfähigen immer mehr auf die sogenannte „KI“ setzen. Es ist nicht nur die Sprache. die betroffen ist.

Immer Vorwärts …

Ja, immer schneller, immer weiter, immer höher, immer mehr, immer mehr, immer mehr, das ist die Grundhaltung, von dem das Streben der heutigen Menschheit geprägt wird. Eigentlich sogar exponentiell: immer schneller schneller, immer schneller weiter usw. Die Triebkräfte für diese Haltung bezieht die Menschheit vor allem aus der Wirtschaft, aus dem von einem brutalen Kapitalismus angefeuerten gnadenlosen Konkurrenzkampf. Wie heißt es so schön in diesem Milieu: „Stillstand ist Rückschritt“.

Doch längst geht es nicht nur um wirtschaftliche Belange. Das Tempo-Vorwärts-Syndrom hat inzwischen die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Mobilität und Dynamik sind alles; wer nicht mitmacht, fällt aus der Gesellschaft heraus. Kuriose Sonderfälle, bedauernswert oder beneidenswert, je nach Sichtweise. In einem TV-Werbespot der „Deutschen Sporthilfe“ heißt es am Schluss: „… Aber bleibe niemals stehen.“

Deutlicher kann man einen der großen Missstände der Menschheit nicht auf den Punkt bringen. Bleibe niemals stehen! Doch, wir müssen stehen bleiben, nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig. Wir müssen uns die Zeit nehmen, uns zu orientieren, Wir müssen um uns schauen, nach vorne selbstverständlich, aber auch mal zurück. Ist das noch der richtige Weg? Was muss korrigiert werden? Welche Alternativen gibt es? Oder müssen wir sogar eine Strecke zurück gehen und nach neuen Ansätzen suchen? Dieses Innehalten ist umso wichtiger je verworrender oder komplexer die Materie ist.

Doch wie gesagt, das Innehalten passt nicht ins Weltbild der heutigen Gesellschaften. Und so müssen wir, wenn wir ehrlich sind, eingestehen, dass z.B. die Digitalisierung bislang mehr Nachteile als Vorteile gebracht hat, vor allem in jenen Bereichen, die das Leben der Menschen unmittelbar beeinflussen. In den Fertigungshallen der Industrie mag das anders sein. Aber wir sehen die Nachteile nicht (oder wollen sie nicht sehen); wir bemängeln allenfalls die zu schleppende Digitalisierung und jagen ungebremst mit Scheuklappen durch Zeit und Raum. Immer schneller, immer komfortabler, immer gedankenloser …

Und merken vor lauter Dynamik und Fortbewegungsdrang gar nicht, wie töricht wir uns verhalten.

Digitale Schweinerei

Nein, es ist hier nicht die Rede von den üblichen Sauereien, mit denen das Netz bis zum Überlaufen vollgepumpt wird; ich spreche hier von einer hochoffiziellen Aktion, nämlich der digital einzureichenden Grundsteuererklärung. Obwohl die Frist bald abläuft, ist mehr als die Hälfte der angeforderteren Erklärungen noch nicht bei der Finanzverwaltung eingegangen. Und das aus guten Gründen. Der Hauptgrund dürfte sicherlich die digitale Form sein. Ich will gleich vorwegschicken: Alle, die die Erklärung noch nicht abgegeben haben, sollten sich um ein schriftliches Formular bemühen, dieses zu Hause auf dem Tisch ausbreiten (etliche Seiten!) und in Ruhe ausfüllen. Besser noch: unter den Arm klemmen und damit zum Steuerberater rennen.

Ich selber hab’s digital gemacht und kann nur sagen: ein einziger Albtraum! Ich kenne die Nachteile der digitalen Formularausfüllung, bei der man wie ein Blinder durch die Seiten geführt wird und nicht weiß, an welcher Stelle man gerade ist. Somit habe ich vorher bereits die mehr als 20-seitige Anleitung heruntergeladen, ausgedruckt und mindestens dreimal gelesen, damit im Ernstfall alles klappt. Es hat nicht geklappt! Trotz allergrößter Sorgfalt meldete die abschließende Überprüfung mehrere Fehler. Irgendetwas vergessen, irgendein Häkchen übersehen? Also die Hilfe bemüht. In reinstem, das heißt für einen Laien völlig unverständlichen Juristendeutsch brachte die „Hilfe“ am Ende null Hilfe. Ich versuchte zu verstehen, aber ich verstand – nix.

Da fiel mir ein, dass ich auf irgendeiner Seite ein Häkchenfeld offen gelassen hatte, weil ich nicht entziffern konnte, was mir der Frage gemeint war. Wie gesagt, ich bin kein Finanzexperte. Sollte dieses Häkchen wichtig sein? In der ausgedruckten Hilfe wurde die Stelle gar nicht erwähnt, also wohl nicht so wichtig? Trotzdem, einen Versuch war’s wert. Aber wo war die Stelle? Eine geschlagene Stunde irrte ich im Dschungel des Formulars herum, bis ich in etwa soviel Orientierung gewonnen hatte, um die Häkchenstelle wiederzufinden. Ich verstand den Sachverhalt immer hoch nicht, aber ich setzte das Häkchen. Erneute Überprüfung: Die vorher gemeldeten 4 oder 5 Fehler waren weg. Geschafft

Nach etwa dreieinhalb Stunden Herumirren in einem  digitalen Irrgarten konnte ich den Schweiß aus dem Gesicht wischen und den Rechner ausschalten. Blieb nur noch das Fazit zu ziehen. Was hatte ich eigentlich der Finanzverwaltung mitgeteilt? Klar, Name und Anschrift. Dann das halbe Dutzend Daten, die mir die Finanzverwaltung schriftlich verraten hatte, also alles Dinge, die die Finanzverwaltung bereits wusste. Kurios: Die Finanzverwaltung teilte mir die Daten mit, die ich ihr zurückmelden musste.  Nur eine einzige Angabe war neu, nämlich die bewohnte Fläche des Hauses. Eine dämliche Zahl, und dafür der ganze Aufwand!

Wenn das die Vorteile der Digitalisierung sein sollen, dann kann man sich nur die analoge Zeit zurückwünschen. „Die Digitalisierung schafft mehr Komfort, macht das Leben einfacher“, heißt es doch immer wieder. Wer daran glaubt, merkt offenbar nicht, dass die Digitalisierung ein hervorragendes Werkzeug ist, um die Menschen zu verarschen. Oder dafür zu missbrauchen, dass sie in ungeordnete Daten Ordnung hineinbringen, also Dinge tun, für die die Behörden zuständig und auch befähigt sind. Wie gesagt: digitale Verarschung bzw. eine moderne Form von bürokratischer Schweinerei.

 

Stammtisch Deutschland

„Wenn ich Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe: „Wir stehen mit euch zusammen, so lange, wie ihr uns braucht“, dann will ich das auch einhalten – egal, was meine deutschen Wähler denken, ich will gegenüber den Ukrainern Wort halten.“

Annalena Baerbock

Ich hatte mir vorgenommen, mich in politischen Angelegenheiten nur noch sehr zurückhaltend zu äußern, doch die vorstehend zitierte Äußerung von Annalena Baerbock kann ich einfach nicht unkommentiert beiseite schieben. Das heißt, dem Zitat an sich ist im Prinzip nichts hinzuzufügen, denn die Aussage ist klar: Wenn ich eine Verhaltensweise für richtig und notwendig erachte, dann muss ich dazu stehen und kann nicht darauf schielen, ob die Wähler mich dafür bei der nächsten Wahl abstrafen werden. Klare Haltung also, Ablehnung von Populismus. Ob eine solche Äußerung diplomatisch geschickt ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber Baerbocks Auftritte als Außenministerin sind ohnehin nicht mit allzuviel diplomatischem Ballast belastet. Erfrischende Direktheit.

Weniger erfrischend die Reaktion von Politikerinnen und Politikern. Da brodelt am linken und rechten Rand so richtig die fundamentalistische Soße hoch. Fast genüsslich wird die leicht falsch zu interpretierende Äußerung Baerbocks denn auch bewusst falsch interpretiert. Willkommenes Fressen, heißa, tolle Gelegenheit, mal wieder an den Stützen der demokratischen Gesellschaft zu rütteln. Klar, dass insbesondere die AfD-Alice alle Register der gespielten Entrüstung zieht. Ich will sie hier nicht zitieren, es ist einfach zu widerlich.

Aber auch die politisch Gemäßigkten haben Annalena offensichtlich falsch verstanden. Die Jagd auf Wählerstimmen ist so sehr in ihrem Streben verankert, dass ihnen die Baerbock-Äußerung förmlich unfassbar erscheint. Es passt einfach nicht in ihr Weltbild, so offen gegen Populismus Stellung zu beziehen. Um Himmels Willen, Annalena, wir brauchen doch die Wähler, denen darf man doch nicht vor den Kopf stoßen! Und so wird versucht, die Sache zu entschärfen. Aus dem Zusammenhang gerissen sei die Äußerung, Von gezielt sinnentstellenden Tweets, von Russen massenhaft in die sozialen Medien geschleudert, ist die Rede. Ach ja, kann sein, aber tun die russischen Hacker nicht einfach ihre Pflicht? Schließlich befindet sich Deutschland im hybriden Krieg gegen Russland.

Nein, die bisher aufgeführten Reaktionen auf die Baerbock-Äußerung waren zu erwarten, quasi vorhersagbar, und insofern – geschenkt. Da müssen wir nicht weiter drauf rumreiten. Was aber doch überraschend, ja geradezu schockierend war, das war das Gebrülle in den „sozialen“ Medien, ein Aufschrei, der sich sogar in Hashtags wie „#BaerbockRuecktritt“ äußerte. Was hier an unterschwelliger Nörgellust, Gedankenlosigkeit, Haltlosigkeit, Verlustangst, Oberflächlichkeit usw. zutage trat, ist m.E. ein deutlicher Hinweis darauf, dass es um die moralische Stärke der Gesellschaft ziemlich schlecht bestellt ist Jammern, meckern, anklagen anstatt die Ärmel hochkrempeln und sich der Herausforderung stellen. Da kommt Scham auf, Scham darüber, dass man selber ja auch Teil der Gesellschaft ist.

Nein, ich kann den Lobpreis auf die tollen Mitbürger nicht nachvollziehen, auch wenn das widerliche Hassgetöse nur von einem Teil der Gesellschaft ausgeht. Doch dieser Teil ist zu groß. Ich kann auch das Gerede vom „unzufriedenen Bürger“ aus der „Mitte der Gesellschaft“ nicht mehr ertragen. Wer seine Unzufriedenheit so zum Ausdruck bringt wie es massenweise in den „sozialen“ Medien geschieht, hat nicht wirklich verdient, dass es ihm besser geht. Das einzige, was man diesen Meckerern zugute halten kann, ist die Tatsache, dass die „sozialen“ Medien die gesamte Gesellschaft in eine große Stammtischrunde umgestalten. Wie ungefährlich sind dagegen doch die klassischen, kleinen Stammtische, die immerhin in geschlossenen Räumen stattfinden.

Gendern – aber konsequent

Wenn das Gendern so wichtig ist wie die Vertreter der neuen Sprache (komischerweise immer noch als Deutsch verkauft) lautstark behaupten, dann bitteschön aber konsequent anwenden. Mit dem gelegentlichen „liebe Bürger_ops_innen“ ist es nicht getan. Denken wir an die diskriminierenden Hausnamen. Da gibt es z.B. eine Gabriele Lehmann. Ich weiß definitiv, dass es sich um eine Frau handelt, der man doch nicht einfach einen männlich ausgerichteten Hausnamen überstülpen darf. Also: Korrekt muss es „Lehfrau“ heißen.

Das gilt auch für die vielen Müllers und Meiers und so weiter. Machen wir’s doch richtig: Er heißt Emil Müller, seine Frau Susanne Müllerin. Geht doch. Und wenn wir’s gemischt anpacken, dann haben wir es mit der Familie Müller*innen zu tun.

Oder wir machen’s neutral und benennen die Famlien um in Heckmensch oder Lehmensch oder Kampmensch. Meinetwegen, um bei den Artkeln auf Dauer zu einer gerechten Quote zu kommen: Lehperson, Heckperson oder Kampperson. Keine Sorge, eine Sprache, die den Genderstern irgendwie wegstecken kann, wird auch die Nachnamen problemlos vom Maskulinum befreien können. Wir leben ja inzwischen in einer tollen Zeit. Machen wir’s auch toll.

Leichen pflasterten seinen Weg

Wenn ich an Putin denke, dann denke ich automatisch an diesen Film, in dem Klaus Kinski einen gewissenlosen Kopfgeldjäger spielte. Paraderolle für Kinski. Ja, in der Tat, auch Putin hat eine breite Blutspur hinterlassen: zuerst Tschetschenien (totale Zerstörung der Hauptstadt Grosny), dann Georgien, weiter über die Krim nach Syrien (Giftgas, Streubomben) und schließlich zurück in die Ukraine, wo inzwischen ganze Landstriche verwüstet wurden, wo viele tausend Zivilisten getötet wurden. Zerstörung und Massentötungen – Paraderolle für Putin. Putin hat das Töten ja als KGB-Agent gelernt, und nachdem er die Macht über Russland an sich gerissen hat, kann er seiner Lieblingsbeschäftigung nun im großen Stil nachgehen und seine triebhafte Machtgier befriedigen.

Nun gibt es ja einige Zusammenhänge, die ihren Ursprung im Wesen der Menschen haben. Wer z.B. Gewalt erfahren hat, neigt dazu, auch anderen Menschen Gewalt anzutun. Wer unterdrückt wurde, ist schnell bei der Hand, wenn es gilt, andere zu unterdrücken. Nach dem äußerst brutalen Vorgehen der Russen in Tschetschenien kann es eigentlich nicht verwundern, dass die tschetschenischen Soldaten in der russischen Armee besonders rücksichtslos und brutal in der Ukraine auftreten.

Und was ist, wenn die Russen die Ukraine besiegt (= zerstört) haben? Was geschieht mit den verbliebenen ukrainischen Soldaten? Ganz einfach, sie werden in russische Uniformen gesteckt. Und wenn die Russen dann in den nächsten Staat einmarschieren (ja, das ist zu berürchten, denn die imperialistische Gier Putins kennt offensichtlich keine Grenzen mehr), dann wird man vielleicht feststellen müssen, dass die Ukrainer ebenso brutal auftreten wie die Tschetschenen.

Horrorvorstellung, aber durchaus realistisch.

 

Hört mit dem Unsinn auf !

Wirklich, beendet endlich dieses lächerliche, ja geradezu peinliche Gender-Gap-Gehampel. Die Anliegen, die ihr damit verbindet, sind zu wichtig, als dass man sie mit einem derartig grotesken Sprachformalismus ins Lächerliche ziehen sollte. Egal, ob Stern, Unterstrich oder Doppelpunkt, sie gehören nicht in unsere Sprache und passen auch gar nicht hinein.

Dazu ein Beispiel, entnommen einem Infobrief des VDS. Der Audi-Konzern schreibt das Gendern vor, worüber sich ein Mitarbeiter des übergeordneten VW-Konzerns in seinem Sprachempfinden verletzt fühlte und sich gerichtlich gegen das Pflichtgendern wandte. So stand etwa in einer an ihn gewandten EMail:

Der_die BSM-Expertin ist qualifizierte_r Fachexpert_in …

Solche Sprachgebilde sind natürlich schon grotesk, abgesehen davon, dass das Gap-Gendern nicht richtig erfolgte. Genau müsste es heißen:

Der_die BSM-Expert_e_in ist qualifizierte_r Fachexpert_e_in …

Heißa, da gerät Sprache zum Brechmittel, und die nichtmännlichen Zeitgenossen lassen es über sich ergehen. Immerhin tapfer. Um auf die gerichtliche Auseinandersetzung zurückzukommen:  Ein Audi-Anwalt verteidigte sich damit, dass die Gendersprache von Experten gestaltet sei. (Anmerkung: Was die „Experten“ zustande bringen, zeigt die Rechtschreibreform.) Und natürlich wurde der Anwalt von der Gegenseite süffisant darauf hingewiesen, dass er nun die Expertinnen nicht berücksichtigt habe, ein grober Verstoß gegen die Gender-Regeln. Der Audi-Anwalt verteidigte sich mit dem Hinweis, dass jeder wissen könne, dass auch weibliche Experten gemeint seien. Darauf komme es doch an.

Haargenau, darauf kommt es an, und deshalb ist das ganze Herumgendern Quatsch.  Um noch einige amüsante Sprachtrümmer zu bringen:

„Er brachte es zur Meister_innen_schaft.“

Selbst eine Qualifikation hat auf einmal ein Geschlecht und unterliegt dem Gendern. Es reicht den Genderfanatikern offenbar nicht, dass eigenlich nur Lebewesen weiblich oder männlich oder wasweißich sein können. Selbst Staaten können auf einmal geschlechtliche Wesen sein, wie Sarah Pagung, ansonsten respektable Journalistin, vor kurzem in der ZDF-Heute-App  zum Ausdruck brachte:

… die G7-Staaten und Partner*innen …

Gemeint waren Partnerstaaten, sowohl weibliche als auch männliche. Natürlich auch Staaten mit sonstigem Geschlecht, so wie es die von Experten ausgearbeiteten Genderregeln definieren. Oder Staat_innen?

Nee, ich ägere mich nicht mehr über die Leute, die öffentlich herumgendern, dazu sind die derzeitigen wirklichen Probleme zu brisant. Ich betrachte die Gender*innen als Witzfiguren, ausgestattet mit einer beachtlichen Portion an sprachlicher Unter- oder Überentwicklung.

P.S.: Aufgrund  meiner langjährigen Programmiererfahrung bin ich gewohnt, sogenannte „Bezeichner“ nach Belieben zusammenzubasteln, z.B. ‚setInitialValue‘ oder ‚mp_privatAnschrift‘. Aber das ist was anderes, beim Gendern geht es um normale Alltagssprache. Soll man die mit fragwürdigen Gender-Gaps oder einer Häufung von Anglizismen vermanschen? Mir ist eben beim Herumschnüffeln in den Bücherregalen eine Ausgabe von Droste-Hülshoffs ‚Judenbuche‘ in die Hände gefallen, und erneut bin ich phasziniert von der sprachlichen Verdichtung, wie sie z.B. in dem Prolog zum Ausdruck kommt. Müssen eigentlich demnächst auch Schriftsteller und Dichter gendergerecht schreiben, um sich nicht dem Zorn von Genderfurien auszusetzen? Müssen wir gar die bestehende Literatur gendergemäß umformulieren? Beginnend beim Titel hätten wir also die Jüd_innen_buche. Oder so.

Mein Gott, die Welt steht am Abgrund, und wir zerbrechen uns den Kopf über lächerliche Sprachformalismen. Typisch deutsch? Oder typisch für Leute, die merken, dass der Boden unter den Füßen zu schlingern beginnt? Hinwendung zu Nebensächlichkeiten, wenn man mit dem Wichtigen und Notwendigen überfordert ist?

Imperialismus

An dieser Stelle habe ich vier Beiträge zum Ukraine-Krieg veröffentlicht und alle nach jeweils kurzer Zeit wieder gelöscht. Ich fand sie nicht gelungen; mir fehlen einfach die Worte, um das Geschehen einigermaßen angemessen zu beschreiben und zu bewerten. Vielleicht sollte man es wie Max Liebermann zum Ausdruck bringen, der vor rund 90 Jahren bemängelte, dass er nicht so viel essen könne wie er kotzen möchte. Doch die meisten Deutschen haben sich vom NS-Gebrüll einfangen lassen und den ekligen NS-Unrat in sich hineingestopft – ohne zu kotzen. Was ein bezeichnendes Licht auf die Natur des Menschen und die Robustheit seines Magens wirft.

Nein, es geht nicht nur um den mordgewohnten, ehemaligen KGB-Agenten Putin und seine Bande, es geht auch um die Haltung des sogenannten „Westens“. Als Anfang der 90er Jahre das Sowjet-Imperium zusammenbrach, da jubelte der Westen. Besonders in den USA war das Triumphgeheul laut: „Nun sind wir die einzige verbliebene Großmacht.“ Glückwunsch nachträglich, Blumen habe ich allerdings nicht zur Hand. Endlich, endlich war das Schreckgespenst des Westens, der imperialistisch ausgerichtete Kommunismus, besiegt. Und ein hemmungsloser Kapitalismus konnte weltweit aufblühen und zu einem globalen Wirtschafts-Imperialismus auswuchern. Globalplayer, Nummer eins in der Welt, heißa. Wohlstand über alles, so lange noch die Chance auf Ausbeutung besteht. Ausbeutung von Menschen, von Ländern; Ausbeutung unseres Planeten. Planet kaputt? Nicht schön, aber wir kriegen’s in den Griff, wir sind ja soo gut. Und, wie gesagt, Wohlstand …

Um noch einmal auf das Verhältnis zu Russland zurückzukommen. Wie immer, wenn etwas schief läuft, müssen Schuldige her, und die werden in der Vergangenheit gesucht. Die Politiker haben sicherlich vieles falsch engeschätzt und infolgedessen falsch gemacht. Aber die Medien, die heute über die Leute herfallen, haben sie vor wenigen Monaten noch gelobt, etwa wegen der Fähigkeit, Kompromisse zu schließen oder überlegte Realpolitik zu betreiben. Und die Wirtschaftsbonzen, die sich heute noch am Hosenbein Chinas festkrallen (wegen der tollen Gewinne), sind keineswegs bereit, loszulassen und eigene, weniger gewinnbringende Wege zu gehen. Wie gesagt, es geht um Wohlstand – und natürlich um Macht. Ja, vor allem um Macht. Wirtschaftsmacht, die neue Form des Imperialismus.

Als das Sowjetimperium zerfiel, da dachte der Westen nicht an die simple Wahrheit: Länder, mit denen man gut auskommen will, die besiegt und unterwirft man nicht, sondern macht sie zu Freunden, mindestens aber zu Verbündeten, auf Augenhöhe natürlich. Da kam nichts, man bot Russland einen Katzentisch an. An Empathie oder Mitleid für die gedemütigten Russen hat es dagegen nicht gefehlt, auch in Deutschland nicht. Besonders in Deutschland nicht. Denken wir an die Aktion „Ein Herz für Russland“ mit Lebensmittelpaketen  und Sonstigem. Geradezu wohltuend für die deutsche Seele – mächtig sein im Gutestun. Ah, das tat wirklich gut. Und da uns die Volksgesundheit der Russen so sehr am Herzen lag, wurden keine Zigaretten mitgeschickt. Mein Gott, wie peinlich war das alles. Und heute? Wieder so eine Peinlichkeit: Helme für die Ukraine.

Auch auf China muss ich noch mal zurückkommen, genauer gesagt: auf Xi Jinping. Machen wir uns nichts vor, der Knabe ist (mindestens) so skrupellos wie der KGB-Wladimir. Aber noch berechnender, dabei eiskalt und hart wie Stahl. Ich glaube nicht, dasś es jemals einen kälteren, unerbittlicheren Machtpolitiker gegeben hat oder geben wird. Für die Deutschen eine weitere Gelegenheit, gründlich das Falsche zu tun. Die Abhängigkeit von China ist (mindestens!) so groß wie die von Russland. Und nicht zu vergessen: Auch China hat seine Krim, nämlich Hongkong. Auch China hat seine Ukraine, nämlich Taiwan. Auch China rüstet militärisch auf, mindestens so stark wie Russland. Man darf gespannt sein. Und: Wenn dem russischen Regime die eigene Bevölkerung egal ist, so egal, dass man sie man sie nach Strich und Faden belügt oder in der Ukraine verheizt, dann gilt das für China erst recht. Komfortproblem, man hat ja genügend Menschenmaterial, das man gleichschalten kann, dem man die für das Menschsein entscheidenden Freiheiten verwehren kann.

Russland und China, das sind nur zwei prominente Beispiele von Ländern, deren Verhältnisse (=Führer) Wut und Brechreiz auslösen. Bis an die EU oder sogar hinein haben sich solche Banausen vorgewagt. Ja, Max Liebermann, du hast es wirklich auf den Punkt gebracht, und deine Äußerung ist wahrlich zeitlos.