Und dann?

Die Welt steht Kopf. Kopfstand dicht am Abgrund. Die ganze Misere, in der wir uns befinden, ist menschengemacht; sie spiegelt die Schwächen und Fehlleistungen der Menschheit wider: Unersättlichkeit und Gier nach mehr; blindes Vertrauen in die Technik; Streben nach immer mehr Bequemlichkeit und Komfort; Verantwortungs- und Gedankenlosigkeit; Aufspringen auf die Mainstream-Dynamik (Heißa, immer vorwärts. Immer schneller vorwärts!); vor allem aber Machtstreben.

Ja, Geld und Macht. Die Mächtigen sitzen nicht nur in Palästen und Regierungsgebäuden, sondern auch in den Chefetagen von Konzernen – Diktatoren und Herrscher der globalen Wirtschaftswelt. Aber das nur am Rande. Auch die klassischen Autokraten, die mit Geheimdiensten, Raketen und Untergebenen hantieren, sind weltweit im Vormarsch. Besonders gefährlich sind solche Typen, bei denen Macht und menschliche Schwäche zusammentreffen. Es ist keine Stärke, sondern Schwäche, wenn man sich an die Macht klammert. Es ist Schwäche, wenn Autokraten ihre persönliche Machtgier nicht kontrollieren können. Damit sind wir bei Putin, dieser eher mickrigen Erscheinung ohne Charisma. Aber er hat Macht.

Die Ukraine bekommt sie nun zu spüren, die Macht des Kreml-Herrschers und seiner Vasallen. Vorbei die Träume der Wendezeit von einer Zukunft ohne Kriege. Anstatt freundschaftliche Beziehungen zur Ukraine zu knüpfen, zog Putin es vor, die ehemalige Sowjetrepublik erst mal kaputtzumachen, bevor er sie in seinen Machtbereich eingliedert. Auch das ist typisch für wilde Machtausübung: Was man nicht haben kann, wird erst mal kaputt gemacht.

Was Putin nicht bedacht hatte: Die Ukraine, bereits an demokratisches Leben gewöhnt, wehrte sich. Und der Westen fand sich auf einmal in der Unterstützerrolle wieder. Nicht, dass die Europäer oder Nordamerikaner einen besonderen Hang zur Ukraine hatten. Nein, die Ukraine liegt nicht „mitten in Europa“, und auch geschichtlich bzw. kulturell gehört das Land eher zu Russland als zu Europa. Es war das Entsetzen angesichts der brutalen russischen Agression, das die demokratischen Länder spontan Partei für die Ukraine ergreifen ließ. Hinzu kam die barbarische Kriegsführung, der Krieg gegen die Zivilbevölkerung und nicht zuletzt die Massaker wie zum Beispiel in Butscha. Was die westlichen Sanktionen gegen Russland betrifft: na ja, ob’s was bewirkt?

Beendigung des Krieges durch Diplomatie? Mein Gott, wie naiv muss man sein, um daran zu glauben. Ein Mensch wie Putin kann nicht verlieren, dazu ist er nicht stark genug. Er wird weitermachen, bis seine Vorstellungen erfüllt sind. Und die sind klar: Die Ukraine muss wieder voll in Russland integriert werden. Ohne Abstriche, denn es handelt sich ja nach Meinung des Kremls um russischen Staatsgebiet.

Und so zeichnet sich allmählich ab, dass Russland siegen wird. Zu groß ist die Übermacht, zu wabbelig die Unterstützung des Westens. Wie lange es noch dauert? Keine Ahnung. Jedenfalls geht es nach Ende des Krieges nicht um den Wiederaubau der Ukraine, sondern um den Wiederaufbau der von Putin kaputtgeschossenen Südwestecke Russlands. Trümmer als Siegesbeute.

Und dann?

Es hätte auch anders laufen können. Wir hätten die Unterstützung der Ukraine ablehnen können. Wahrscheinlich wären dann weniger Menschen getötet, weniger Häuser zertrümmert worden. Wahrscheinlich würden bereits jetzt in den Administrationen Russen oder russlandtreue Ukraine-Russen sitzen. Also das gleiche Ergebnis. Noch einmal:

Und dann?

Egal, ob der Sieg Russlands auf langem oder kurzem Wege erfolgt; der weitere Fortgang der Geschichte ist schon vorgezeichnet, d.h. vom Kreml bereits geplant. Es wird um die Wiedereingliederung der „russisch-baltischen Provinzen“ gehen. Vielleicht nicht sofort, sondern erst nach einer Erholungsphase. Aber dass es Litauen, Lettland  und Estland ebenfalls an den Kragen gehen wird, kann getrost als Realität eingeordnet werden. Endlich wieder einen offenen Zugang zur Ostsee, keine Beschränkung auf die beschränkten Zugänge über Kaliningrad (schmaler Landkorridor) oder Petersburg (äußerster Winkel der Ostsee). Kann die Verlockung größer sein? Und damit die erwähnte Erholungsphase nicht zu lange dauert, wird rechtzeitig Belarus mit eingebunden.

Doch nun wird es spannend, denn die baltischen Länder haben sich nicht nur zu tollen Demokratien entwickelt, sondern sind zugleich MItglieder der NATO. In Litauen wird sogar die dauerhafte  Stationierung einer beachtlichen deutschen Militäreinheit vorbereitet. Wenn Russland das Baltikum angreifen sollte, tritt natürlich der Bündnisfall ein. Dann ist Scholz’sche Besonnenheit gefragt, denn der Bündnisfall sieht zwar auch die militärische Unterstützung vor, verlangt sie aber nicht ausdrücklicklich. Die Unterstützung kann auch ohne direkten Einsatz von NATO-Truppen erfolgen, und um eine Eskalation und das Überschwappen des Konflikte nach Westen zu vermeiden, gibt es erst mal weichere Methoden. Sanktionen zum Beispiel. Oder die Lieferung von Waffen, so wie wir es bereits kennen. Dieses Zögern ist Putin natürlich bekannt, und deshalb ist zu befürchten, dass er sich vom Bündnisfall nicht abschrecken lässt. Und wenn dann die baltischen Staaten erst mal wieder heim in Russland sind, dann …

 Ja, und dann?

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, der russischen Übermacht etwas entgegenzusetzen? Eine mögliche Chance ist vertan. Nachdem die Russen zu Beginn des Krieges in dem Gefühl ihrer Überlegenheit strategische Schwächen zeigten, da gab es eine Chance, allerdings hätte der Westen weniger besonnen als vielmehr entschlossen eingreifen müssen. Nun, die Gelegenheit ist verstrichen, die Russen haben inzwischen natürlich dazugelernt.

Und jetzt, nach zwei Jahren Krieg? Die Russen sind im Vormarsch, der Ukraine geht die Puste aus. Wenn es überhaupt noch einen Ansatzpunkt gibt, dann kann der nur darin bestehen, den Russen den Nachschub zu erschweren. Denn die Erreichbarkeit der Front ist ein klarer Vorteil der Ukraine. Also: Weg mit der Kertsch-Brücke, Zerstörung der wichtigen Nachschubwege hinter der russischen Front. Doch dazu sind bestimmte Waffen erforderlich, die bei besonnenem Hilfseinsatz wohl nicht in Frage kommen.

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kommt mir vor wie ein bizarrer Boxkampf. Auf der einen Seite der russische Boxer, kraftstrotzend, ein gigantischer Muskelberg, der sich um faire Regeln oder die bekannte Gürtellinie nicht kümmert. Auf der anderen Seite der ukrainische Boxer, auch nicht gerade schlapp, deutlich wendiger als sein Gegner. Aber: Er darf die Boxhandschuhe nur als Deckung benutzen und hoffen, dass er die meisten Hiebe des Russen abfangen kann. Das Team, das den Ukrainer traniert und unterstützt, achtet darauf, dass er seine passive Rolle einhält, denn sonst könnte es ja passieren, dass der russische Kraftprotz seinen Ärger an dem Team auslässt. Huh, das muss auf jeden Fall verhindert werden. Lieber verspricht man dem ukrainischen Boxer, nach seiner Niederlage für seine Heilung zu sorgen – oder für sein Begräbnis.

Endgültig …

Es geht um Jana Pareigis. Lange Zeit fühlte ich mich nicht imstande, eine von ihr moderierte Nachrichtensendung zu verfolgen, weil sie den Genderstern auch mündlich geradezu zelebrierte. Unerträglich für mich, diese Wortzertrümmerung. Unerträglich auch deshalb, weil Regeln und Strukturen, die in der künstlichen Sprache der Informationstechnik üblich und sinnvoll sind, mit Gewalt in die natürliche Sprache hineingepresst werden.

Dann nach etlichen Monaten „Pareigis-Abstinenz“ habe ich ihr noch einmal eine Chance gegeben. Und tatsächlich: ein halbes Dutzend Sendungen ging es gut. Wenn gegendert werden sollte, verwendete Pareigis die saubere Doppelnennung der Geschlechtsformen. Es geht doch, dachte ich. Bis vor einigen Tagen, ich glaub, es war der 8.4.2014. Da wurde in der Heute-Sendung um 19 Uhr wieder an einer Stelle sternchen-gegendert. Nicht so artikuliert und verletzend scharf wie ehedem, aber doch deutlich vernehmbar. Ich bin aufgesprungen, habe den Kopfhörer in die Ecke geworfen und fluchtartig den Raum verlassen. Das war’s dann wohl, und zwar endgültig. Leb wohl, Jana, ich werde deine Stimme, die eine saubere Sprache verdient hat, wahrscheinlich nie mehr hören. Schade.

 

Schmierentragödie

Mein Gott, was für ein jämmerliches Schauspiel war das, als Tucker Carlson sich, sein Land und dessen Verbündete dem Profilügner Putin auslieferte. Man könnte von einer Schmierenkomödie sprechen, wenn der angerichtete Schaden nicht so groß wäre. Also eine Schmierentragödie.

Auf das scheußliche Gelaber von dem klein geratenen Großrussen will ich gar nicht eingehen, sondern nur eine Passage des Interviews herausgreifen. Da hatte der Tucker doch tatsächlich den Mut, Putin zu fragen, ob Russland beabsichtige, neben der Ukraine auch noch andere Staaten wie Polen oder das Baltikum anzugreifen. Fast süffisant erklärte Putin, das sei auf keinen Fall beabsichtigt. Das läge nicht im Interesse Russlands.

Für Tucker Carlson war das natürlich eine Steilvorlage, und mit etwas Rückgrat hätte Carlson sie aufnehmen müssen. Er hätte Putin fragen müssen, wie es denn wäre, wenn Russlands Interessenlage sich änderte. Er hätte fragen müssen, ob die Sicherheit der Länder von Russlands Interessen abhängig seien. Hat er aber nicht, dieser Hardcore-Trumpist. Ganz im Sinne Trumps?

Und so bleibt nur ein übler Nachgeschmack, der durch Trumps jüngste Äußerungen zur Nato noch einmal verstärkt wird. Trump, der eine demokratische Wahl nicht akzeptiert, der den Todfeind des Westens auf solche Nato-Mitglieder hetzt, die sein persönliches Missfallen erregen. Trump, der wie eine wilde Bestie um sich beißt. Da fällt einem nicht so sehr das Weiße Haus ein, sondern eher ein Käfig.

Dass dieser Mensch eine große und treue Anhängerschaft hat, steht auf einem anderen Blatt. Putin hat ja ebenfalls viele Anhänger. Das Terror-Regime in Teheran ebenfalls. Und der große Vorsitzende Xi. Zeit, mal drüber nachzudenken, was in den Köpfen von Bürgern so vorgeht. Auch in den Köpfen deutscher Brüger, vor allem jener Leute, die in den neuen Bundesländern wohnen. Falls da überhaupt etwas vorgeht.

Üble Geschichte

Die Digitalisierung hat inzwischen so gut wie alle Lebensbereiche erfasst und teilweise erheblich verändert. Es ist eine unüberschaubar große Zahl von neuen Produkten entstanden. Produkte aller Art: Geräte, Software, Systeme, Strukturen usw. Zum Teil ist es Aufgabe dieser Produkte, wieder neue Digitalprodukte zu generieren. Eine Dynamik, wie es sie in der ganzen Menschheitsgeschichte noch nie gab.

Einige Digitalerzeugnisse sind unerlässlich, weil die Digitalisierung sich selbst unentbehrlich gemacht hat. Andere Produkte sind ganz nützlich und haben auch vergleichsweise geringe Nebenwirkungen. Der größte Teil allerdings ist – sagen wie mal – bestenfalls überflüssig (wenngleich auch schick oder „smart“) und zudem fragwürdig. Als Beispiel will ich hier nur das Smarthome anführen. Ja und dann gibt es eine Vielzahl von ausgesprochen gefährlichen oder üblen Digitalprodukten. Dazu gehört der Bitcoin. Man könnte diese Krypto“währung“ sogar als eiterndes Geschwür in der ohnehin nicht sehr gesunden Finanzwelt bezeichnen.

1. Bitcoin als Währung? Auch wenn sich in der kapitalistischen Welt alles ums Geld dreht, sollte man nicht vergessen, dass Geld an sich ziemlich wertlos ist. Der Wert, den man dem Geld zuschreibt, steckt in Wirklichkeit in den Produkten, die man damit kaufen kann. Damit das Gefüge von realen Werten und der Repräsentation in Form von Geld nicht durcheinandergerät, müssen die beiden Dinge aufeinander abgestimmt sein, was wiederum eine Regulierung erfordert. Diese Regulierung nehmen z.B. Zentralbanken vor. Wenn die Regulierung versagt, kann es gefährlich aus dem Ruder laufen; die Hyperinflation 1923 ist ein Beispiel. Eine Währung muss die solide Wechselbeziehung zwischen Geld und Realwerten gewährleisten. Der Bitcoin entzieht sich jeder Kontrolle und verdient deshalb auch nicht die Bezeichnung „Währung“.

2. Das Geldwesen hat sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem komplexen, kaum noch zu durchschauenden Gebilde entwickelt. Die Finanzwirtschaft ist zu einem regelrechten Dickicht ausgewuchert. In diesem Dchungel geht es vor allem darum, mit Geld mehr Geld zu machen, was Spekulanten und risikofreudige Investoren auf den Plan ruft. Natürlich sind die Finanzgeschäfte (meistens) legal, aber sie stören dennoch die ausgewogenen Gleichgewichte, die Voraussetzung eines stabilen Geldwesens sind. Im Extremfall kann es zu gefährlichen Krisen kommen; es sei nur an die Finanzkrise 2008 und vor allem an die Weltwirtschaftskrise 1929 errinnert. Damit zum Bitcoin: Diese Geldsorte lebt zu 100 % von Spekulation. Der Kurs wird nicht von realen Werten bestimmt, sondern ausschließlich von Spekulationen anderer auf den – Bitcoin. Geht’s noch widerlicher?

3. Dank der zugrunde liegenden Blockchain-Technik ist der Bitcoin extrem sicher und vor alllem absolut geheim. Es ist so gut wir unmöglich, den Urheber irgendeiner Transaktion ausfindig zu machen. Das macht den Bitcoin zu einer Währung für Kriminelle, denn bei sauberen Geldgeschäften ist die absolute Geheimhaltung kaum erforderlich, wenngleich die Sicherheit schon wünschenswert wäre. Tatsächlich haben sich viele Leute aus Verwaltung und Wissenschaft begeistert über die Blockchain-Technik geäußert. Dennoch: Dinge wie Geldwäsche oder die Bezahlung krimineller Machenschaften werden durch den Bitcoin ganz erheblich begünstigt.

4. Noch einmal die Blockchain-Technik. Sie ist extrem energiehungrig, wobei der Energieverbrauch nicht ohne weiteres (etwa durch Löschung) wieder zurückgefahren werden kann. Vielmehr kommt es zu einer unaufhaltsamen, permanenten Steigerung des Energiebedarfs. Alleine diese Technik hat das Zeug, alle Bemühungen zur Temperaturdrosselung auf dem Planeten zunichte zu machen – vorausgesetzt, die an sich ja so phaszinierende Blockchain-Technik wird allgemein eingesetzt.

Fazit: Kann man es einem Erpresser oder Betrüger verdenken, wenn er seine Bemühungen in Bitcoins auszahlen lässt? Solange es bei der Kryptowährung bleibt, ist es ein unegährliches Spiel. Aber irgendwann will man seine Bitcoins zu richtigem Geld machen, damit man auch etwas davon hat. Damit kommen die Plattformen und Institute ins Spiel, wo man die Mögichkeit zum Geldwechsel anbietet (natürlich anonym) – und dabei selbst am Bitcoin verdienen will. Dass es (vor allem in der Schweiz und den USA) Finanzinstitute gibt, die sich aufgeschlossen zum Bitcoin zeigen, sollte nicht überraschen. Finanzinstitute und Banken sind längst nicht mehr die soliden, vertrauenswürdigen Instanzen, sondern aktiv in Spekulationen und zweifelhafte Investitionen verstrickt.

 

 

Digitalisierung 1: Streaming, mal etwas kritischer betrachtet

Streaming ist beliebt, egal ob Film oder Musik. So ein Abonnement kostet nicht allzu viel, und man kann die Inhalte beliebig oft und zu jeder  gewünschten bzw. passenden Zeit konsumieren. Und wenn für einzelne Inhalte bezahlt werden muss, dann sind das oft nur Kleckerbeträge. Die ideale Methode des Medienkonsums also. Scheint jedenfalls so.

Wirklich so ideal? Beginnen wir beim Preis. Es kommen immer neue Streamingdienste hinzu, aber je mehr davon verfügbar sind, desto geringer ist das Angebot eines einzelnen Dienstes, jedenfalls wenn es um Highlights geht. Folglich abonniert man halt mehrere Anbieter – und schon ist der Traum vom billigen Mediengenuss ausgeträumt.

Doch der Kostenfaktor ist nur ein Aspekt, und nicht einmal der wichtigste – auch wenn viele Nutzer vorrangig an die Kosten denken (neben den Inhalten natürlich). Nein, es gibt da noch zwei wesentlich schwerwiegendere Gesichtspunkte:

a) Aus der Sicht der Streaming-Anbieter: Sie haben die volle (!) Kontrolle über das Hör- und Sehverhalten ihrer Kunden. Nicht nur das Wann und Wie-lange ist sehr aufschlussreich, sondern vor allem die Auswahl der Titel. Das alles wird natürlich genauestens registriert und lässt sich hervorragend analysieren. Die Streaming-Anbieter verfügen über detaillierte Charakterbilder ihrer Kunden und können diese Daten lukrativ vermarkten, insbesondere wenn datenhungrige KI an Bedeutung gewinnt.

b) Aus der Sicht der Benutzer: Die bequeme, Jederzeit-Verfügbarkeit von gefühlt unzähligen Titeln verführt zu oberflächlichem Medienkonsum. Da wird herumprobiert, weggeschoben, wenn es im Augenblick mal nicht spannend genug zugeht. Die Leute hopsen gerne von Titel zu Titel, ohne echte Vorlieben zu pflegen oder das Gespür für echte Qualität zu schärfen. Diese Oberflächlichkeit, die übrigens kennzeichnend für weite Teile der Digitalisierung ist, trägt zum Werteverfall innerhalb der Gesellschaft bei.

Was besonders bedrückt, ist die Tatsache, dass die beiden Nebenwirkungen in der Gesellschaft kaum wahrgenommen werden (außer von den Anbietern; die wissen genau, was sie wollen).

 

 

 

Wenn schon gendern, dann richtig

Tja, ich habe mich auf die Seite der Genderer geschlagen. Nicht, dass ich persönlich den Stern oder den Unterstrich mitten im Wort verwenden könnte, aber ich kann mitlerweile akzeptieren, dass andere es tun. Ein Problem liegt mir aber noch am Herzen: Was machen wir mit den vielen Texten, auch den Texten von Dichtern und Autorinnen, die vor der Genderzeit entstanden sind? Schließlich war Diskriminierung  auch dann schon Diskriminierung, als niemand daran dachte.

Nun, ich will hier nicht Goethes gesammelte Werke herauskramen, sondern drei Beispiele anführen, die vielleicht typisch für die Problematik sind. Es handelt sich um die Texte von bekannten Nationalhymnen, nämlich die Texte der deutschen, österreichischen und auropäischen Natlonalhymne.

Beginnen wir mit der österreichischen. „Brüder, reicht die Hand zum Bunde.“ heißt es gleich in der ersten Strophe. Brüder? Wo bleiben denn die Schwestern? In der deutschen Hymne werden ebenfalls nur die Brüder zitiert, wenn es heißt: „Brüderlich mit Herz und Hand.“ Und in der Ode an die Freude heißt es: „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Was ist denn das, fragt man entsetzt. Spricht Schiller nur die Männer an, oder will er gar die Frauen und sonstigen Geschlechter zu Männern machen?

Krasse Fälle, aber was tun? Die alten Texte gendersprachlich überarbeiten? Ich denke, das geht nicht, denn das wäre eine glatte Fälschung. Sicher, im Zuge der Digitalisierung verliert Echtheit an Bedeutung, ebenso wie Wahrheit. Andere Werte treten in den Vordergrund, wie z.B. Nutzen, Wirksamkeit usw., aber wenn’s um vordigitale Werke geht, sollten wir auf jeden Fall bei der Echtheit bleiben.

Andere Möglichkeit: Wir verwenden andere, unverfängliche Strophen. Doch im Falle des Deutschlandliedes wären die Strophen dann bereits verbraucht, und im Falle der Freude-Ode kann man kaum ausweichen, denn es ist ja gerade der Text der 1. Strophe, der so eingängig und aufmunternd herüberkommt. Wie es um die österreichische Hmyne bestellt ist, weiß ich nicht.

Oder ein verpflichtender Hinweis vor jedem Gebrauch: Vorsicht, diskriminierend! Jugendliche auf die damit verbundenen Gefahren aufmerksam machen. Und nach Möglichkeit nur sparsam anwenden. Hm, das ist wohl kaum konsequent genug.

Nein, es gibt nur eine überzeugende Lösung für dieses und ähnlich gelagerte Probleme: Die Nationalhymnen müssen verboten und durch andere ersetzt werden. Natürlich auch alle anderen Texte, die gegen die Genderregeln verstoßen. Wir müssten die verbotenen Werke auflisten, quasi auf den Index setzen. Der Begriff „Index“ passt übrigens sehr gut, denn die Gendergemeinde stellt schließlich eine hohe moralische Instanz dar, so dass der Vergleich mit der christlichen Kirche der Vergangenheit gar nicht so verkehrt ist. Oder?

Jetzt müsste noch ein geeigneter Schlusssatz folgen, aber mir fällt keiner ein. Die Gendersprache macht irgendwie auch sprachlos.

Künstliche Intelligenz – Fluch oder Segen?

Es gibt kaum einen Sachverhalt, bei dem die Meinungen so weit auseinanderklaffen wie bei der „künstlichen Intelligenz“. Am Anfang dieses Beitrags stelle ich einfach mal zwei Meinungen vor:

„Systeme und Geräte, die wir mit künstlicher Intelligenz ausstatten, sind selbständige Wesen; sie haben Anspruch auf Artenschutz.“
(ein Entwickler in einer Software-Firma)

„Wir sind bestrebt, der künstlichen Intelligenz Liebe beizubringen. Damit sollte sichergestellt sein, dass sich künstlich-intelligente Systeme nicht gegen Menschen richten.“
(eine Dozentin, die an der Berkeley-Universität in Kalifornien lehrt und forscht)

Jedem vernünftig denkenden Menschen sollte klar sein: Die Auffassungen dieser beiden Protagonisten tragen auf keinen Fall zu einem sinnvollen Umgang mit KI bei; sie kennzeichnen einen zynischen Umgang mit humanen Werten und sind darüber hinaus ziemlich gefährlich. Eine entscheidende Ursache für derartig schrille Extremauffassungen dürfte die überall zu beobachtende, maßlose wissenschaftliche Arroganz sein. Alles scheint möglich zu sein; Grenzüberschreitungen werden durch die Überschreitung anderer Grenzen gerechtfertigt. Geschöpfe fühlen sich ermutigt, in die Schöpferrolle zu schlüpfen, und in ihrer Überheblichkeit merken sie gar nicht, wie sehr sie die Menschen verhöhnen, die in aufopfernder Liebe ihren Mitmenschen zugetan sind. Ein Algorithmus kann nicht lieben.

Um zu einem vernünftigen Umang mit der KI zu gelangen, sind Extremauffassungen wie die zitierten wenig hilfreich, ebensowenig wie panisches Weltuntergangsgeschrei oder das euphorische Versprechen einer glücklichen, digitalen Zukunft. Ki ist Algorithmik, nicht mehr. Allerdings eine besonders leistungsfähige und deshalb auch gefährliche. Doch wie die KI-gesteuerte Zukunft aussieht, ist einzig und allein Sache der Menschen. Die Menschen haben es in der Hand, KI zu ihrem Nutzen einzusetzen und KI-bedingte Schäden zu vermeiden. Doch dazu ist es erforderlich, das entscheidende Merkmal der künstlichen Intelligenz zu erkennen und jederzeit im Blick zu behalten.

Wie schon gesagt handelt es sich bei KI-Systemen um Algorithmen, und alles, was mit KI erreicht werden kann, wäre prinzipiell auch mit herkömmlichen Programmen zu bewerkstelligen – sofern wir den dazu erforderlichen Aufwand leisten könnten. Da sind uns die KI-Systeme deutlich überlegen, weswegen wir aber nicht vor Ehrfurcht erstarren müssen. Ein Bagger ist uns ja auch kräftemäßig überlegen, ohne dass wir ihn gleich unter Artenschutz stellen müssten.

Das Wesentliche, was KI von allem bisher Dagewesenen unterscheidet, sind nicht die Leistungsfähigkeit und die Einsatzmöglichkeiten, sondern die Kontrolle, der sich KI entzieht. Wir wissen nicht, wie der Algorithmus vorgeht; er präsentiert uns ein mehr oder weniger gutes Ergebnis, das im Wiederholungsfall ganz anders ausfallen könnte. KI-Systeme sind unberechenbar, und genau damit berühren wir die eigentliche Problematik.

Im Grunde ist es ein Dilemma. Einerseits entziehen sich KI-gesteuerte Vorgänge der unmittelbaren Beobachtung und Kontrolle; andererseits sind diese Systeme Werikzeuge, die wie alle Werkzeuge kontrolliert und zielorientiert eingesetzt werden müssen. Man darf auf kenen Fall (!) ein KI-System sich vollständig selbständig überlassen, so wie es manchen KI-Missionaren vorschwebt. Es entstehen weder neue, schützenswerte Arten (allenfalls digitale Monster) noch lassen KI-Systeme sich durch algorithmische „Liebe“ in die Schranken verweisen. Wie also mit KI umgehen?

Auf jeden Fall brauchen wir ein Regelwerk, das strikt einzuhalten ist. Dazu gehört die konsequente Sanktionierung bei Regelüberschreitungen. Andernfalls wird die KI-Entwicklung im Chaos enden. Im Grunde hätten wir ein solches Regelwerk auch schon im Zuge der herkömmlichen Digitalisierung (PA = programmatische Algorithmik) einsetzen sollen; dann wäre uns mancher digitale Wildwuchs erspart geblieben. Man muss sich nur mal vorstellen: Jährlicher Schaden durch Cyber-Kriminalität in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro. Der gesellschaftliche Schaden wir noch erheblicher sein und lässt sich nicht beziffern (Verrohung, menschliche Entfremdung, Fake-news, Meinungsblasen, Stress und Krankheit durch Dauerpräsenz usw. usw.).

Aber zurück zur KI. Die nächstliegende Regel muss in der Forderung bestehen, dass alle KI-Produkte, egal ob Texte, Bilder, Diagnosen, Informationen etc., deutlich als KI-Erzeugnisse gekennzeichet werden müssen. Im Grunde reicht diese selbstverständliche Forderung ins Urheberrecht hinein, das infolgedessen den Schwerpunkt nicht hauptsächlich auf das Vermarktungsrecht des Urhebers legen dürfte, sondern auf das Recht des Lesers, Betrachters oder Anwenders, den Urheber zu erfahren. In gewisser Hinsicht ein Paradigmenwechsel.

Ganz wichtig wird sein, dass gesellschaftsrelevante Schritte immer in der Hand von Menschen liegen müssen. Wenn es also um Entscheidungen geht, die in die Grundrechte von Menschen hineinreichen oder deren Lebensführung erheblich beeinflussen, dürfen grundsätzlich nur Menschen entscheiden. KI kann zwar bei der Beurteilung einer Situation helfen und Entscheidungsvorschläge liefern, aber die eigentliche Entscheidung muss immer von Menschen getroffen werden. Und dass bei den Begründungen darauf hingewiesen wird, falls KI im Spiele ist, sollte selbstverständlich sein.

Viele Vorgänge werden automatisch von Ki gesteuert werden. Solange es um technische Dinge handelt, ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden – sofern es die Möglichkeit gibt, korrigierend in die Vorgänge einzugreifen. Das bedeutet vor allem, automatische Abläufe auf der Stelle beenden zu können. Der Interrupt-Schalter muss absolut sicher und möglichst verzögerungsfrei funktionieren. Da sich die KI-Vorgänge nicht direkt kontrollieren lassen, müssen sie in möglichst kleine Schritte zerlegt werden, zwischen denen eine Ergebniskontrolle möglich ist – und vor allem ein Einschreiten.

Aber nicht nur die Abläufe müssen fragmentiert werden, sondern auch die Zuständigkeitsbereiche. Es darf auf keinen Falll ein KI-Monster geben, das die verschiedensten Aufgabenbereiche bearbeitet und kontrolliert. Was nützt z.B. ein Sicherheitsschalter, wenn das zu überwachende KI-System diesen Schalter deaktivieren kann? Aktuelle, noch nicht ausentwickelte KI-Systeme werden oft als nützliche Fachidtioten bezeichnet. Genau das müssen sie bleiben – aus Sicherheitsgründen und um sicherzustellen, dass Menschen die Technik beherrschen und nicht umgekehrt.

Es hat sich gezeigt, dass KI-Systeme das Aussehen, Verhalten, die Sprache usw. von real existierenden Menschen kopieren können, und zwar täuschend echt. Ähnliches gilt für kreative Werke von Menschen: Musik, die selbst von Experten nicht von der Musik eines Bach oder Händel zu unterscheiden ist; Bilder, mit denen sich Dutzende von täuschend echt aussehenden Edvard Munchs „finden“ lassen. Für all diese „Leistungen“ gibt es keine (keine einzige) sinnvolle oder auch nur vertretbare Anwendung. Alle Anwendungen auf dieser Basis sind Täuschung, Betrug, und zwar von einer ziemlich widerlichen Art. Deshalb muss es eine Regel geben, dass Menschen überhaupt keinen Zugang zu solchen KI-Anwendungen erhalten, was auch bedeutet, dass KI-Systeme grundsätzlich nur mit anonymisierten Daten trainiert werden dürfen. Hier wird erneut deutlich, dass bereits vor der künstlichen Intelligenz manches falsch gelaufen ist und immer noch läuft.

Dieses sind nur einige Gedanken zum KI-Regelwerk. Man kann über die Ausgestaltung dieser Regeln streiten, aber zwei Dinge darf man dabei nicht aus dem Blick verlieren:

1. Im Miteinander von Mensch und Technik muss immer der Mensch die Entscheidungs- und Gestaltungshoheit behalten, und zwar in allen Bereichen.
2. Künstliche Intelligenz ist Algorithmik, also Technik, und darf niemals mehr als nur Werkzeug sein.

Vor allem aber der Grundsatz:

Entscheidend für das Handeln und Planen der Menschen darf nicht das sein, was sie können, sondern das, was sie dürfen. Zu oft hat die Menschheit im Vertrauen auf ihr Können ihr Handeln gleichzeitig als richtig und erlaubt eingestuft oder – was genau so  schlimm ist – kritiklos als unvermeidlich akzeptiert. Nun bricht unser Planet unter unseren Füßen auseinander, und kein Klimakleber kann die Risse noch kitten. Auch die Digitalisierung nicht; sie vermag allenfalls, uns vor den Rissen zu warnen, dass wir nicht hineinfallen.

 

Formalitäten

Mit diesem Beitrag knüpfe ich unmittelbar an den vorangegangenen Beitrag „Gendern – aber richtig“ an. Gendern ist eine Erscheinungsform der „politischen Korrektheit“.

Ehrlich, ich kann sie nicht mehr ertragen, diese Missionare der „politischen Korrektheit“ oder – um es auf deutsch zu sagen – der „political correctness“. Diese Leute verfangen sich in oberflächlichen Formalitäten und kommen sich als Weltverbesserer vor, obwohl sie nicht den Mumm haben, an den Kern der Probleme heranzugehen. Gleichzeitig ein typisches Beispiel für den „Komfort“ der digitalen Zeit: Alles möglich, alles besser machen, alles vorantreiben, aber bitteschön ohne wirklich Verantwortung zu übernehmen oder schwerwiegende Entscheidungen treffen zu müssen.

Flucht an die Oberfläche. Es ist einfacher (und sicherer), Sprache zu zerstören oder von A-Worten, B-Worten, C-Worten … Z-Worten zu reden anstatt sich mit den Poblemen auseinanderzusetzen oder die Werte, die andere Generationen unter anderen Voraussetzungen gebildet haben, zumindest respektvoll zu betrachten. Und natürlich kritisch und distanziert. Aber sollten wir nicht auch unsere heutigen Maßstäbe kritisch und distanziert betrachten? Ist die Welt wirklich besser geworden, nur weil’s die heutige Welt ist?

Zweifellos ist das wüste Sternchengendern eine besonders zerstörerische Erscheinungsform der „politischen Korrektheit“. Es gibt auch harmlose Fälle, die allenfalls peinlich sind. Als Beispiel erwähne ich die Umbenennung der „Zigeunersauce“ in „Paprikasauce“. Eigentlich habe ich jetzt gerade gegen die „politische Korrektheit“ verstoßen, den ich hätte es „Z-Wort-Sauce“ nennen müssen. Mit dem Z-Wort verbinde ich seit meiner Jugend eine freie Lebensform, verbunden mit einem hohen Maß an Temperament und Musikalität. „Z-Wort-Sauce“ ist demnach ein Ausdruck von Bewunderung für eine Lebensform, die zu einer überorganisierten, strikt auf Ordnung bedachten Welt nicht so richtig passen will. Übrigens: Hat schon jemand einen Vorschlag gemacht, wie man in Auschwitz-Birkenau das „Z-Wort-Lager“ demnächst politisch korrekt benennen könnte?

Eine besonders groteske Form der „politischen Korrektheit“ ist die „kulturelle Aneignung“, Eigentlich unvorstellbar, aber wahr: Fridays For Future hat einer Aktivistin die Teilnahme an einer Demonstration versagt, weil sie Rasta-Locken trug, also eine Frisur, die kennzeichnend für die Auflehnungskultur von Farbigen in den USA ist. Da kann man doch nicht einfach …

Deutlicher kann man den Unsinn der „kulturellen Aneignung“ nicht zum Ausdruck bringen. Da bemüht man sich im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Welt um Integration, wozu vor allem die Akzeptanz anderer Kulturen beiträgt. Mehr noch: andere Kulturen werden nicht als fremd und abstoßend, sondern als bereichernd für die eigene Kultur verstanden. Es gibt viele positive Beispiele, die genau das Gegenteil von dem verkörpern, was mit der „kulturellen Aneignung“ erreicht werden soll. Denken wir nur an die Musik. Müssen wir jetzt alle Spirituals und Gospel-Songs aus unserem Repertoire entfernen, weil wir sie uns angeeignet haben? Dürfen wir als Nichtjuden keine Kipa mehr tragen, um Solidarität mit den Juden zu zeigen, etwa beim Betreten eines jüdischen Friedhofs? Usw.

Das ganze Getue rund um „politische Korrektheit“ ist doch im Grunde nichts anderes als ein Plätschern an der Oberfläche, verbunden mit einem Ausweichen vor den eigentlichen Problemen. Kultureller Knigge. Egal wie’s schmeckt, Hauptsache die Gabel wird vorschriftsmäßig gehalten.

Gendern – aber richtig

Dieser letzte Beitrag zu dem Thema fällt mir nicht ganz leicht, und zwar vor allem deshalb, weil ich das englische Wort „gender“ und seine Varianten regelrecht zum Kotzen finde, ähnlich wie die Wortgruppe rund ums „date“. Widerlich. Da sind mir die Menschen, die sich – auf deutsch – zum Bumsen verabreden, doch lieber.

Gleichwohl ist es nicht verkehrt, wenn wir es sprachlich allen Geschlechtern (sorry, ich weiß nicht genau, wieviel es gibt, müssen so um die 6 oder 7 sein) recht machen wollen. Zwar kann Sprache keine gute Gesinnung erzeugen, wohl aber Ventile öffnen, so dass eine vorhandene, miese Gesinnung sich nun frei über die Gesellschaft ergießen kann. Also machen wir’s sprachlich korrekt.

Doch wie? Am besten ist es, wir besinnen uns auf den eigentlichen Kern von Sprache, nämlich das Sprachverständnis. Der Hörer (Leser usw.) soll das Mitgeteilte so auffassen, wie es vom Sprecher (Schreiber usw.) gemeint ist, und zwar mit allen denkbaren Facetten, wovon Humor und Ironie nicht die unwichtigsten sind. Wenn zum Beispiel die Rede davon ist, dass die Besucher eines Freiluftkonzerts begeistert waren, dann kommt niemand (absolut niemand) auf die Idee, es handele sich nur um männliche Besucher. Sowohl Mitteilungsabsicht als auch das Verständnis stimmen überein, womit diese schlichte, geschlechtsneutrale Form „Besucher“ die sauberste und integrativste Form der geschlechtsneutralen Sprache ist.

So einfach und schlüssig das Prinzip des neutralen Plurals auch sein mag, es gibt Leute, die damit nicht zufrieden sind. Da sind zum einen die überzüchteten Theoretiker (vorwiegend männlich), die den Unsinn des „generischen Maskulinums“ in ihr Regelwerk hineindefiniert haben. Zum anderen sind da die Sortierer (vorwiegend weiblich), die nicht damit einverstanden sind, dass alles in einen Topf geworfen wird. Also, da muss es doch was Trennendes geben, zumal ja auch die Sprache in vielen Fällen weibliche Formen anbietet! Tja, ein Privileg, das die Männer und die anderen nichtweiblichen Geschlechter nicht haben. Und wenn es die weiblichen Formen schon gibt, dann bitte auch benutzen, auf Biegen und Brechen.

Und so wurde zunächst die Doppelnennung kreiert: „Der Redner wandte sich an alle Betroffenen, an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, an die kommunalen Beamten und Beamtinnen, an die Bürgemeister und Bürgermeisterinnen, an die Reporterinnen und Reporter, die Journalisten und Journalistinnen, an die Protokollführer und Protokollführerinnen …“ Heißa, da kann man der Redelust freien Lauf lassen. Ist natürlich bescheuert, diese Art der formalen Korrektheit, aber sprachlich kann man nichts dagegen einwenden. Wer will, soll so sprechen. Es gibt natürlich auch (wenige) Fälle, wo die sprachliche Doppelgeschlechtlichkeit einen Sinn macht. Beispiel: Der Verteidigungsminister besuchte die Soldaten und Soldatinnen in Mali. Unter „Soldaten“ versteht nicht jeder, dass auch weibliche Angehörige der Bundeswehr gemeint sind. – Nun ist diese Art der Personentrennung irgendwie auch lästig, was bei manchen Rednern zur Verschleifung führt. Beispiel Olaf Scholz: „Die Bürger und Bürgern können darauf vertrauen, dass wir …“ Ok, Sprache kann auch beschwerlich sein.

Eine andere Art, diesem verbosen Überschuss zu begegnen, besteht darin, abwechselnd mal die allgemein-neutrale und dann die rein weibliche Form zu benutzen: „Die Arbeiterinnen, Monteure, Außendienstmitarbeiter und Werkstattleiterinnen waren mit der Sitzung des Betriebsrats zufrieden“. Geht doch, wenngleich die Arbeiter und Monteurinnen zu kurz kommen. Immerhin ist gute Absicht erkennbar.

Ja, selbst wenn jemand sich auf die rein weibliche Form konzentriert, ist das – sprachlich – noch in Ordnung. Selbst inhaltlich ein bisschen. Wenn also von den Sängerinnen des Männergesangvereins „Frohe Liederfreunde“ die Rede ist, weiß doch jeder, dass es sich um männliche Sängerinnen handelt. Klarer Fall, niemand wird benachteiligt, darauf kommt es letztlich an. Und sprachlich ist es ebenfalls in Ordnung. Na ja, so einigermaßen jedenfalls. Und wir Männer haben die Chance, uns mal großzügiger als verbissene Feministinnen zu zeigen.

Es gibt also diverse Möglichkeiten, auf korrekte Weise so etwas wie sprachliche Geschlechtergerechtigkeit zu praktizieren. Nur eines geht nicht: Wir dürfen auf keinen Fall die sprachlichen Grundlagen zerstören, indem wir z.B. sprachfremde Elemente mitten in die Wörter klemmen und diese dadurch regelrecht zertrümmern. Konstrukte wie Zuschauer*innen, Mitarbeiter:innen oder Leser_innen sind sprachliche Perversitäten, und diejenigen, die sich solcher Konstrukte bedienen (vor allem mündlich) verhalten sich sprachlich pervers. Ja, pervers, im wahrsten Sinne des Wortes abartig, denn Sprache gehört nicht zu den Formen des menschlichen Miteinanders, die man beliebig umgestalten kann und darf. Ein derartiges Umbauen von Sprache ist nicht artgerecht.

Anhängerinnen und Anhänger des Gendersternchens versuchen zu bagatellisieren, indem sie darauf hinweisen, dass es immer schon Anpassungen der Sprache gegeben habe und dass die Sprache es durchaus vertrage. Doch das Gendersternchen und vor allem die artikulierte Sprechpause („Betreuer Innnen“) sind keine Anpassungen, weil sie sich nicht mit der grammatischen Grundstruktur der deutschen Sprache vertragen. Die vielen Fälle, wo das Sternchengendern zu einem widerlichen Gehampel führt, zeigen es doch überdeutlich. Diese Form des Genderns lässt sich nicht mal halbwegs sauber umsetzen und kann nur als schlimme Zerstörung von Sprache bezeichnet werden.

Das Gendersternchen oder andere, in Wörter hineingepresste Sonderzeichen stammen aus der Digitalwelt, speziell aus der Welt der algorithmischen Sprachen. Doch hier dienen solche Konstrukte nur dazu, Bezeichner (also Namen) aussagekräftig zu machen. Die Grammatik solcher Sondersprachen dagegen wird von den algorithmischen Abläufen bestimmt. Sie hat nichts mit der Grammatik einer natürlich wachsenden Umgangssprache gemein, wo die Gendersternchen nichts anderes als widerliche Fremdkörper sind.

Und auch das sage ich ganz offen: Diejenigen, die vor allem in den Medien die Gender-Sprechpause praktizieren, sind offensichtlich nicht bereit (oder fähig), ein einwandfreies Deutsch zu sprechen, und das in Zeiten, wo die Kommunikation innerhalb der Gesellschaft zunehmend verkommt. Sprache ist zu wichtig, als dass wir sie auf derart grobe Weise misshandeln dürfen. Gerade in öffentlichen Medien dürften nur solche Leute zu Worte kommen, die deutsch sprechen. Zuviel verlangt?

Bleibt noch ein persönliches Resummée: Ich fühle mich durch die Gender-Sprechpause unangenehm berührt, mitunter sogar verletzt. Wenn im TV jemand auf diese Weise gendert, schalte ich ab, egal, ob es sich um eine Nachrichtensendung oder einen Gottesdienst handelt. Bei einigen Moderatorinnen kommt der Gap so scharfkantig und verletzend heraus, dass ich die entsprechenden Sendungen gar nicht erst einschalte – sicherheitshalber. Wir recherchieren, wer die Sendung morderiert, und sollte zum Beispiel Jana Pareigis mit ihrer extrem spitzen Artikulation an der Reihe sein, dann fällt die Heute-Sendung um 19 Uhr eben  aus. „Bleib sitzen und iss in Ruhe zu Ende, heute ist Pareigis dran.“

Zum Glück gibt es ja auch noch sprachlich saubere Zonen. Wenn ich mal wieder zusammenzucke, weil jemand den Gender-Schluckauf bekommt, dann greife ich zu einem Gedichtsband oder einem Buch mit gewissem literarischem Anspruch. Bei Droste-Hülshoffs Judenbuche oder Schillers Balladen ist man absolut sicher vor diesem Genderwahn. Sprachliche Geborgenheit.

Trotzdem: MIr graut vor den Leuten, die die „politische Korrektheit“ vorantreiben und damit  die Abwendung von inhaltlicher Substanz und die Hinwendung zur formalen Oberflächlichkeit vorantreiben. Das ist nichts anderes als eine Aushöhlung der Gesellschaft. Wie soll eine derart schlappe, inhaltsleere Gesellschaft überleben oder gar den wachsenden Haurausforderungen stark entgegentreten? Kein Wunder, dass die Schlappen, Faulen und Entscheidungsunfähigen immer mehr auf die sogenannte „KI“ setzen. Es ist nicht nur die Sprache. die betroffen ist.

Immer Vorwärts …

Ja, immer schneller, immer weiter, immer höher, immer mehr, immer mehr, immer mehr, das ist die Grundhaltung, von dem das Streben der heutigen Menschheit geprägt wird. Eigentlich sogar exponentiell: immer schneller schneller, immer schneller weiter usw. Die Triebkräfte für diese Haltung bezieht die Menschheit vor allem aus der Wirtschaft, aus dem von einem brutalen Kapitalismus angefeuerten gnadenlosen Konkurrenzkampf. Wie heißt es so schön in diesem Milieu: „Stillstand ist Rückschritt“.

Doch längst geht es nicht nur um wirtschaftliche Belange. Das Tempo-Vorwärts-Syndrom hat inzwischen die gesamte Gesellschaft durchdrungen. Mobilität und Dynamik sind alles; wer nicht mitmacht, fällt aus der Gesellschaft heraus. Kuriose Sonderfälle, bedauernswert oder beneidenswert, je nach Sichtweise. In einem TV-Werbespot der „Deutschen Sporthilfe“ heißt es am Schluss: „… Aber bleibe niemals stehen.“

Deutlicher kann man einen der großen Missstände der Menschheit nicht auf den Punkt bringen. Bleibe niemals stehen! Doch, wir müssen stehen bleiben, nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig. Wir müssen uns die Zeit nehmen, uns zu orientieren, Wir müssen um uns schauen, nach vorne selbstverständlich, aber auch mal zurück. Ist das noch der richtige Weg? Was muss korrigiert werden? Welche Alternativen gibt es? Oder müssen wir sogar eine Strecke zurück gehen und nach neuen Ansätzen suchen? Dieses Innehalten ist umso wichtiger je verworrender oder komplexer die Materie ist.

Doch wie gesagt, das Innehalten passt nicht ins Weltbild der heutigen Gesellschaften. Und so müssen wir, wenn wir ehrlich sind, eingestehen, dass z.B. die Digitalisierung bislang mehr Nachteile als Vorteile gebracht hat, vor allem in jenen Bereichen, die das Leben der Menschen unmittelbar beeinflussen. In den Fertigungshallen der Industrie mag das anders sein. Aber wir sehen die Nachteile nicht (oder wollen sie nicht sehen); wir bemängeln allenfalls die zu schleppende Digitalisierung und jagen ungebremst mit Scheuklappen durch Zeit und Raum. Immer schneller, immer komfortabler, immer gedankenloser …

Und merken vor lauter Dynamik und Fortbewegungsdrang gar nicht, wie töricht wir uns verhalten.