Diesmal gingen die meist jungen Russen nicht auf die Straße, um gegen das Regime zu protestieren, sondern um möglichst zu verhindern, dass Russland sein Internet vom internationalen Netz abkapselt – ähnlich wie in China. Sowohl die Regierung unter Putin als auch die Protestierenden haben gewissermaßen recht – und auch wiederum nicht. Die Regierung argumentiert, dass nur so die Sicherheit des Landes gewährleistet werden kann. Stimmt. Es ist unverantwortlich, vielleicht sogar selbstmörderisch, die Energieversorgung, den Verkehr, die Verteidigung und ähnliche wichtige Dinge über das weltweit zugängliche Internet abzuwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass Russland schon längst die wunden Punkte in den westlichen Ländern gefunden hat und dieses natürlich nicht offenbart. Im Falles eines Cyber-Kriegs braucht man nur einen Schalter umzulegen, um ganze Länder in die Knie zu zwingen. Insofern handelt Russland also vernünftig.
Doch die russische Regierung hat dabei noch einen ziemlich miesen Hintergedanken. Es geht ihr nämlich auch darum, die Bevölkerung von Informationen aus dem Ausland fernzuhalten. Das ist nichts anderes als Einschränkung der Presse- und Informationsfreiheit. Dagegen protestieren die Leute in Russland zu Recht, wobei es den Protestierenen wohl eher um ihre lieben Internetgewohnheiten geht und weniger um verantwortungsvolle Informationsbeschaffung. So edel ist ihr Protest also keineswegs.
Dabei ist eine vernünftige Lösung relativ einfach: Man muss sich endlich von dem Gedanken trennen, dass man alles über das eine Internet bewerkstelligen kann. Das ist eine gefährliche Illusion. Wenn die existenzwichtigen Dinge über vollständig getrennte, dezentrale Netze (mit jeweils eigenen Protokollen) abgewickelt würden, dann könnte man dem Internet freien Lauf lassen. Das öffentliche Internet würde dadurch nicht sauberer, aber was soll’s. Dreckiger, versumpfter, krimineller als das Internet jetzt schon ist, kann es eh kaum noch werden.