Erbärmlich

Der Markus Söder schäumte regelrecht, und selbst AKK zog eine gimmige Miene, um ihren Ärger auszudrücken: Wie können die deutschen (<- Betonung) Sozialdemokraten in Straßburg es rechtfertigen, nicht für Ursula von der Leyen zu stimmen!

Nun mal halblang, kann ich da nur sagen. Warum zum Henker sollten die Sozis für die Kandidatin der Konservativen stimmen? Zumal sie mit Frans Timmermans einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt haben, der bestimmt mindestens so gut ist wie die Ursula? Seit wann regen sich Politiker auf, wenn Vertreter einer anderen Partei hinter deren eigenen Kandidaten stehen?

Fragen wir mal anders herum: Welche Gründe sollten die Sozis überhaupt haben, von der Leyen zu wählen? Die Kompetenz der Kandidatin? Sie wird sich noch bewähren müssen und vielleicht auch können, aber in Kenntnis ihrer bisherigen politischen Leistungen sind arge Zweifel angebracht. Sie erscheint ja doch ziemlich blass, und das ist in der schwierigen Situation, in der Europa zur Zeit steckt, nicht besonders vielversprechend. Ich jedenfalls wünschte mir eine Chefin oder einen Chef mit einer kräftigen Faust. Diese Faust muss so lauf auf den Tisch schlagen können, dass der republikanische Wüstling im Weißen Haus vor Schreck das Twittern vergisst, dass Typen wie Orban oder Kaczynski auf die Knie fallen und rückwärts zur Tür kriechen. Dass den Brexit-Nationalisten deutlich wird, dass Europa sie gar nicht mehr haben will und dass sie möglichst schnell abhauen sollen. So eine oder einen hätte ich persönlich gerne an der Spitze. Doch das sind wohl Wunschträume und passen nicht so richtig zur Realpolitik.

Aber zurück nach Straßburg und zur Wahl. Egal, woran man die Zustimmung oder Ablehnung eines Kandidaten festmacht: Eines darf auf keinen Fall eine Rolle spielen, nämlich die Nationalität. Und genau das scheint AKK und Söder zu wurmen: dass deutsche Politiker eine deutsche Kandidatin ablehnen. Nationaler Ehrgeiz und nationale Eitelkeit also. Europa ist aber geschaffen worden, um genau diese Neigungen zu überwinden. Timmermans ist kein Ausländer, er ist einer von uns! Ich halte diesen unverblümten Rückzug auf nationale (nationalistische?) Standpunkte für ziemlich erbärmlich.

Oder täusche ich mich, und die beiden meinen gar nicht die Nationalität, sondern denken an die GroKo, so nach dem Motto: Wer mit uns in einer Koalition zusammenarbeitet, muss auch unsere Kandidatin unterstützen. Könnte man auch von der anderen Seite sehen: Wenn die CDU mit uns in einer Koalition zusammenarbeitet, kann sie auch unseren Kandidaten Timmermans unterstützen. Aber das will die CDU auch wieder nicht, da beharrt man stur auf einem konservativen Kandidaten. Nur der SPD gesteht man sowas nicht zu. Wie gesagt, eine erbärmliche Einstellung.

Aber was soll’s. Die CDU/CSU, allen voran Markus Söder, beruft sich bei jeder Gelegenheit auf den Koalitionsvertrag und fordert die Einhaltung ein. Ok, dann zeigt doch mal den Passus im Koalitionsvertrag, demzufolge die SPD im Falle eines Falles eine CDU-Kandidatin überstützen soll.