Merkel in China

Wenn Merkel in Peking zu Gast ist, und das ist regelmäßig der Fall, dann haben wir immer dasselbe Bild: Eine resolute, auf dem internationalen Parkett erfahrene Kanzlerin schreitet zielstrebig voran, gefolgt von einem ganzen Tross von Wirtschaftsvertretern. Das markante Gesicht von Joe Kaeser ist fast immer dabei. Klar, eine Weltfirma wie Siemens kann China nicht einfach ignorieren. Und auch der Ablauf ist immer ähnlich: Es beginnt mit einem Gespräch mit einem Chinesen aus der ersten Reihe, wobei Merkel pflichtgemäß die Menschenrechte anspricht. Die Chinesen hören zu, mit scheinbar freundlichem Gesichtsausdruck. Das täuscht allerdings, denn die Gesichter strahlen keine Freundlichkeit, sondern eher eiskalte Höflichkeit aus. Immerhin dauert die Pflichtübung nicht lange; die Chinesen hören vielleicht gar nicht hin. Kann auch sein, dass sie den Standardtext vorher ausgehändigt bekamen und sofort in den Papierkorb werfen konnten.

Anschließend beginnt der eigentliche Besuch. Die deutsche und die chinesische Wirtschaftsdelegationen fallen übereinander her. Die Deutschen wollen Absatzmärkte, um den Wohlstand zu sichern. Die Chinesen wollen mit ihrer Kapitalmacht Einfluss in Europa, um so ihrem Ziel der Weltherrschaft ein Stück näher zu kommen.

Und dann kommt auf einmal ein Student aus Hongkong nach Deutschland und stellt mit einer gewissen historischen Weitsicht fest, dass es zwischen dem inzwischen freien Berlin und dem nicht mehr ganz freien Hongkong deutliche Parallelen gibt. Und dieser schmächtige Geselle schafft, was Merkel mit ihrer gebetsmühlenartigen Kritik an China nicht hingekriegt hat: er bringt die Mächtigen des mächtigsten Landes der Erde auf die Palme, erregt ihren Zorn, verleitet sie zu Maßnahmen und Verlautbarungen, die nur ihre verdeckte Schwäche offenbaren. Und warum?

Ganz einfach, dieser junge Typ aus Hongkong handelt, und er handelt konsequent. Er redet nicht nur, wie Merkel, und geht dann zur Tagesordnung über. Doch Merkel sind die Hände gebunden, denn Deutschland kann nicht handeln. Deutschland muss ja für das Wohlergehen der deutschen Industrie Sorge tragen, da darf man nicht zimperlich sein. Und auch die Forderung nach Einhaltung von Menschrechten nicht allzu nachdrücklich zum Ausdruck bringen. Schließlich ist man ist ja erpressbar. Und das Einfordern von Menschenrechten – du liebe Güte, die Chinesen wissen doch, wie’s gemeint ist.

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