Klaus Kleber bekam im Heute-Magazin regelrecht glänzende Augen, als er über den Fall berichtete, und seine Stimme zitterte beinahe vor Ehrfurcht, als er in dem Zusammenhang von „künstlicher Intelligenz“ sprach. Worum ging es?
Man ist dabei, mit Hilfe von KI die Fragmente von Beethovens 10. Symphonie zu einem geschlossenen Musikwerk zu ergänzen. Offensichtlich gelingt es recht gut, wie Musiker bestätigen. Dass so eine Initiative auch Kritiker auf den Plan ruft, ist nur verständlich. Ich gehöre zu den Kritikern und sage es direkt: Was hier abläuft, ist ein ganz schlimmes Vergehen an einem unserer bedeutendsten Komponisten. Man muss sich mal vorstellen: Das Werk Beethovens ist so billig, dass man es auch künstlich erzeugen kann. Natürlich sagen die Initiatoren, dass man die genialen Gedanken Beethovens ja aufgreife und nur in seinem Sinne vervollständige.
Aber kann man das? Wer weiß denn wirklich, was Beethoven sich dabei gedacht hat, und warum das Werk nur stückweise vorliegt? Ist er sich über das Gesamtwerk überhaupt schon schlüssig gewesen? Und sind die Fragmente bereits fertig geworden oder sollten sie vom Komponisten noch mal überarbeitet werden? Und sind Algorithmen überhaupt imstande, wie der Komponist selber an das Werk heranzugehen? Ein Werk wird immer von einer Idee getragen, doch gibt eine reine Mustererkennung soviel her?
Machen wir uns nichts vor: Das Ganze mag zwar wie von Beethoven klingen, ist aber künstlich und zufällig. Beim nächsten Durchlauf wird wahrscheinlich ein völlig anderes Ergebnis präsentiert. Alle Beethoven? Und selbst wenn sich der Algorithmus auf ein festes Ergebnis stabilisieren sollte, dann würde er (der Algorithmus) sich selbst als unintelligent und starr entlarven – und somit als unfähig, kreativ zu sein. Komponieren ohne Kreativität?
Hier zeigt sich die Hybris des KI-Kultes. Selbst die Werke von genialen Menschen werden entwertet, zu beliebigen IT-Produkten geschrumpft. KI kann Muster erkennen (lernen), keine Frage. Und somit ist es auch möglich, harmonische und rhythmische Motive herauszukristallieren und zusammenzufügen, so wie der Komponist es vielleicht in ähnlicher Form gemacht hätte. Vielleicht – hätte – ähnlich – das hat nichts mit der Genialität eines echten Komponisten zu tun. Aber den Machern geht es ja auch gar nicht um Beethoven. Es geht ihnen um ihre heißgeliebten Algorithmen und somit um sich selbst. Eine Tendenz, die in der IT-Welt allgemein verbreitet ist.
Bei Ludwig van Beethoven kann ich mich nur entschuldigen. Tut mir leid, Ludwig, aber so läuft das heutzutage. Dein Name ist noch wichtig, so wie der Markenname eines aufgekauften und dann zerschlagenen Unternehmens. Aber deine Musik? Ab in die KI-Maschine damit, die wird aus den geschredderten Noten schon was machen. Nicht wahr?
Man mag vor „künstlicher Intelligenz“ auf die Knie fallen, die Hände falten und vor Inbrunst eine Gänsehaut bekommen, in Wirklichkeit kann KI nicht mehr als Kunsthonig an die Stelle von echtem Honig setzen. Kunst hat eine Menge mit Echtheit zu tun. KI-Kunst ist Fälschung – so wie viele Produkte der Digitalisierung.