Schlusslicht

Digital – das ist die große Verheißung. Digital, das bedeutet fortschrittlich, zukunftsorientiert. Jedenfalls nach landläufiger Meinung. Analog dagegen heißt rückwärtsgewandt, technisch rückständig, unvollkommen, im Grunde obsolet. Zweifel an dem Segen der Digitalisierung kommen überhaupt nicht auf, dafür ist das Versprechen einer digitalen, komfortablen Zukunft zu eindringlich. – Natürlich ist diese Auffassung blauäugig und naiv. Abgesehen davon, dass sich „digital“ und „analog“ überhaupt nicht als Attribute für alles und jedes eignen, sind sie kein Gegensatz. Vielmehr ergänzen sich die beiden Techniken. Nicht plausibel? Einfach mal etwas darüber nachdenken, wie eine digitale Personenwaage funktioniert, oder eine Videokonferenz, oder eine Digitalkamera. Ich werde in einem späteren Beitrag noch genauer auf die Begriffe eingehen.

Zunächst aber müssen wir Deutschen leiden, weil der Digitalisierungszug einfach nicht so viel Fahrt aufnehmen will wie bei unseren Nachbarn. Nur 65% der Leute kaufen bei uns digital (gemeint ist „online“) ein, im europäischen Durchschnitt sind es 80%. So berichtet unsere Tageszeitung heute. Und in der Überschrift heißt es bedauernd „Schlusslicht bei digitaler Nutzung“. „Die Deutschen setzen nach wie vor lieber auf den persönlichen Kontakt“ ist in dem kleinen Zeitungsartikel zu lesen.

Schlimm, oder? Wo doch Digitalisierung soo vorteilhaft und demnach erstrebenswert ist. Schlusslicht! Huh, das schämt man sich ja direkt. Es sei denn, man formuliert die Sache anders herum, nämlich positiv. Demzufolge wäre Deutschland Spitzenreiter, wenn es um die Bewahrung zwischenmenschlicher Kontakte geht. Na, wie klingt das?