Über die Zugkraft von Zahlen

Eine ganz simple Zahlengrafik, ohne Kommentar in unserer Tageszeitung veröffentlicht. Überschrift: Intelligentes Zuhause – Gründe für den Kauf von Smart-Home-Anwendungen. Dann wird grafisch aufgelistet:

  • Mehr Komfort und Lebensqualität: 64%
  • Wohnung sicherer machen: 54%
  • Wunsch nach einem energieeffizienteren Leben: 44%
  • Spaß am Basteln und Spaß an neuer Technik: 12%
  • Länger selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben: 6%

Völlig plausible, unverdächtige Zahlen, die für sich sprechen und deren Richtigkeit wohl niemand bezweifeln will. Die Zahlen sind so unspektakulär, dass man geneigt ist, sie einfach zur Kenntnis zu nehmen. Bei Prozentzahlen bis zu 64% wirken die Angaben darüber hinaus sehr positiv; der Leser könnte motiviert sein, es auch mal mit dem SmartHome zu versuchen.

Doch der Eindruck täuscht, in Wirklichkeit ist das dargestellte Zahlenmaterial sehr brisant. Zunächst einmal beziehen sich die Prozentaufgaben auf die Käufer von Smart-Home-Produkten und nicht auf die Gesamtpopulation. Bei oberflächlicher Betrachtung kann der Eindruck entstehen, dass mehr als 50% der Leute sich smarte Homeprodukte anschaffen, um ihre Lebensqualität zu erhöhen. Was natürlich falsch ist. Wenn zum Beispiel nur 10% der Bürger Teile eines smarten Hauses besitzen, dann gilt die erste Aussage für gerade mal 6,4% aller Bürger.

Das zweite, was zu denken geben muss, sind die aufgelisteten Gründe. Es muss geradezu auffallen, dass die ersten drei Gründe ein hohe Resonanz erzielen, während die beiden letztgenannten weit abfallen. Wer sich die Werbung rund um das smarte Home anschaut, der findet genau die drei erstgenannten Kaufgründe immer wieder. Hier wird also vor allem bestätigt, was einem die Werbung ständig einhämmert. Nur die beiden abgehängten Beweggründe gehen vom Käufer aus und sind infolgedessen erheblich ehrlicher und authentischer.

Dass das SmartHome keinen nennenswerten Komfortbeitrag leisten kann, habe ich in meinen Beiträgen schon wiederholt begründet, und dass die Lebensqualität nicht gesteigert wird, sondern im Regelfall sogar abnimmt, sollte ebenfalls klar sein, wenn man bedenkt, dass Lebensqualität aktive Teilnahme am Leben bedeutet und kein passives Gesteuertwerden durch Technik. Auch die beiden folgenden Gründe sind in erster Linie Werbeaussagen. Sicherheit und Energieeffizienz werden allgemein als so wichtig eingeschätzt, dass man selbst wirkungsarme Methoden zu diesem Ziel als wertvoll einstuft. Werbewirksame, psycholgogische Argumentation, ebenso ertragreich wie hinterhältig.

Wie gesagt, all das sieht man nicht sofort, wenn man die anschaulich dargestellten Zahlen liest. Man bekommt einen sachlich-positiven Eindruck von den Produkten des smarten Hauses  und sagt sich: Wenn so viele davon überzeugt sind, dann muss doch etwas Gutes dran sein. Und somit stellt sich die Frage, von wem das Zahlenmaterial präsentiert wird. Einen ersten Hinweis liefert die Überschrift: Intelligentes Zuhause. Längst schon hat die sogenannte künstliche „Intelligenz“ bei den meisten – vielleicht weniger intelligenten – Zeitgenossen einen optimistischen Impuls ausgelöst. Dem Urheber des Zahlenmaterials muss offensichtlich daran gelegen sein, einen positiven Eindruck vom SmartHome zu wecken. Richtig, die Zahlenquelle ist ganz klein angegeben, muss ja sein. Es ist der Branchenverband Bitkom. So kann auch nüchtern und kommentarlos dargestelles Zahlenmaterial echte Werbung darstellen. Man muss es nur richtig anpacken, das heißt die Schwächen der Leute gut kennen. Auf diese Weise hat man schon manche Massenbewegung zustande gebracht.