Heute-Journal am 29. März 2020
Der Moderator Klaus Kleber thematisierte die Problematik und lenkte einen Großteil der Berichterstattung gezielt auf die Frage: Ist es vertretbar, nur auf die Vermeidung von Corona-Infektionen hinzuarbeiten und dabei außer Acht zu lassen, dass eine wegen der Beschränkungen zusammenbrechende Wirtschaft am Ende ebenfalls Todesopfer fordern könnte, vielleicht sogar mehr als die Corona-Pandemie?
Damit hat Kleber die These vieler Wirtschaftsvertreter aufgegriffen (und sich selbst weitgehend zu eigen gemacht), dass man möglichst schnell zu normalen Verhältnissen zurückkehren und u.U. einen Anstieg der Corona-Toten in Kauf nehmen müsse. Hier schimmert die Ansicht des texanischen Vizegouverneurs Dan Patrick durch, wenn auch nicht in so unverblümter Form.
Kann man, darf man diese beiden Problemkreise überhaupt in einen Topf werfen, obwohl sie natürlich miteinander zu tun haben? Klare Antwort: Nein, und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen verbietet sich, die konkret zu erwartenden Opfer des Corona-Virus gegen die spekulativen Opfer einer teilweise zerstörten Wirtschaft aufzuwiegen. Zum anderen ist dieses Abwägen auch unlogisch, weil die Lösungswege sich unterscheiden. Die Vermeidung von Corona-Toten erfolgt durch Quarantäne-Maßnahmen oder ähnlichen Kontaktbeschränkungen; die Vermeidung von „Wirtschafts-Toten“ erfolgt durch Umgestaltung der Wirtschaft.
Wenn die Wirtschaft so zusammenbrechen sollte, dass Tausende von Todesopfern zu erwarten sind, dann muss sie reformiert werden, und zwar von Grund auf – weltweit. Dann hat uns das Corona-Virus vor Augen geführt, dass das heißgeliebte kapitalistische System dabei ist, historisch zu versagen. Dann müssen Heilige Kühe wie weltweite Mobilität, weltweit vernetzte Produktionsstränge, weltweite Finanzbewegungen geschlachtet werden. Dann kann es nicht mehr das Bestreben sein, die vorherigen Zustände möglichst schnell wieder herzustellen, sondern Übergangsmechanismen zu schaffen, die zu robusteren und nicht so total vernetzten (= anfälligen) Wirtschaftsstrukturen führen.