Sicherheit, Energieeffizienz, Komfort – das sind die Argumente, mit denen die Leute überzeugt werden, dass an einem SmartHome auf die Dauer kein Weg vorbei geht. Vor allem Komfort zieht als Argument, denn die üblichen, unbequemen Herausforderungen des Alltags werden allgemein als lästig und unangenehm empfunden. Muss ja nicht sein, weiß man nun, auf den Höhen der Digitalisierungswelle surfend.
Bis jetzt war ich ein entschiedener Kritiker des smarten Zuhauses. Ich habe ganz einfach die kontreten Hinweise vermisst, was durch die Digitalisierung nun spürbar besser werden soll. Das SmartHome habe ich irgendwo zwischen überflüssig bis schädlich eingeordnet. Nun wurde ich eines besseren belehrt, und ich kann die Zeitgenossen, die sich um eine bessere (= digitalere) Welt bemühen, nur demütigst um Verzeihung bitten. Man braucht ab und zu halt ein Zeichen der Bekehrung, so etwas wie ein Fanal, das einem den richtigen Weg weist.
Dabei muss es ja nicht gleich der brennende Dornbusch sein, der weiland dem Mose die Richtung wies. Es reicht, wie in meinem Fall, ein kleines Helferlein, quasi ein Accessoire des smarten Zuhause. Ich spreche von dem digitalen Einkaufszettel, bei dem die einzukaufenden Dinge im Smartphone eingetragen werden. Nun kann man dieses Anliegen nach steinzeitlicher Methode auch mit einem Stück Papier erfüllen. Aber, jetzt kommt es: In der App kann man die bereits im Einkaufswagen befindlichen Dinge als erledigt kennzeichnen, quasi digital durchstreichen. Sicher, das Durchstreichen oder Abhaken geht auch beim Zettel aus Papier, wenn man sich schon nicht merken kann, was man alles in den Wagen gepackt hat. Aber, und das ist das Entscheidende, dazu bräuchte man einen Stift. Den muss man nicht nur bei sich haben, sondern man muss ihn erst mal hervorholen, und dann muss man mühsam nachgucken, mit welcher Seite das Ding schreibt – vorausgesetzt, der Kuli ist nicht ausgetrocknet.
All diese Unwägbarkeiten und Mühen entfallen beim Smartphone. Man muss beim digitalen Einkaufszettel nicht mal in die Tasche greifen, um nach Zettel und Stift zu suchen, denn das Smartphone hat der moderne Mensch immer in der Hand, bis auf die sechs oder sieben Stunden des nächtlichen Schlafes, wo das Mobile griffbereit auf dem Nachttischchen oder unter dem Kopfkissen liegt. Ja, die moderne und bequeme Art der Lebensführung berücksichtigt natürlich, dass Mensch und Phone eine unzertrennbare Einheit bilden. Die beiden sind förmlich aneinandergekettet, so eng, dass man nun sogar in Erwägung ziehen kann, die Infektionsketten des Corona-Virus damit zu verfolgen. Indem man Smartphones beobachtet, hat man die Menschen unter Beobachtung.
In dem Verhältnis Mensch-Smartphone hat sich in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen. Zu Beginn war es so, dass der Mensch das Phone an der engen Leine führte. Indem er das Teil aber immer weniger aus der Hand legte, hat sich einiges verschoben. Inwischen führt nämlich das smarte Phone den Benutzer an der Leine. Den Benutzer, der als Datensatz fungiert und treu und brav das macht, was das Phone ihm aufträgt.
Und genau in dieser veränderten Beziehung zwischen Mensch und Technik (pardon: zwischen Technik und Mensch) liegt ja der eigenliche Gewinn, den der digitale Einkaufszettel bietet. Das smarte Teil lernt ja dank künstlicher Intelligenz, was der folgsame Mensch immer so einkauft und kann Frauchen oder Herrchen irgendwann von der Qual des Nachdenkens über die einzukaufenden Dinge befreien. Es beginnt mit Empfehlungen, die natürlich grötenteils aufgegriffen werden. Wie gesagt, Denken kann lästig sein. Und so wird langsam der Boden für eine intelligente, automatisierte Versorgung der Leute bereitet. Alles natürlich bis ins Detail optimiert. Einfach nur herrlich, diese Zukunftsaussichten.
Fragt sich allerdings, wie ich in Zukunft mit meinem Smartphone umgehen soll. Zur Zeit benutze ich es nur in Notfällen oder wenn es um Dinge geht, für die es keine unsmarten Alternativen geht. Ich schleppe es nur äußerst selten mit mir herum. Aber nun, nach meiner Bekehrung, muss es doch einen bedeutenderen Platz in meinem Leben einnehmen. Was also tun? Ich weiß es: ich werde das Ding in einer Panzerglasvitrine einschließen, davor zwei Kerzen aufstellen – und eine Kniebank. Dann kann ich dem smarten Wunderteil die gebührende Ehrfurcht erweisen. Eine passende Litanei wird sich von selbst entwickeln:
- Du Helfer in allen Lebenslagen – wir bitten dich, steh uns bei.
- Du Retter aus der Coronakrise – wir bitten dich, steh uns bei.
- Du Wegweiser in eine papierlose Zukunft – wir bitten dich, steh uns bei.
- Du Gesprächspartner von morgens bis abends – wir bitten dich, steh uns bei.
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