Vor kurzem, einige Wochen nach Antritt ihres wohlverdienten Ruhestandes, hat die ZDF-Moderatorin Petra Gerster zurückgeschlagen. Sie beklagt sich bitter üder die Shitstorms und wüsten Reaktionen auf ihr Sternchengendern (als sie noch die Heute-Sendungen moderierte). Es seien vor allem die Männer und von denen wiederum die älteren, die besonders agressiv in Erscheinung getreten seien, beklagt sie sich. Jetzt wissen wir es: Der harte Kern der Gegner einer gendergerechten Sprache ist unter den älteren Männern zu suchen, während die aufgeschlossenen, nach Geschlechtergerechtigkeit strebenden Zeitgenoss*Innen von der Gruppe der jungen Frauen und Mädchen vertreten wird.
Rrumms, da hat es mich also voll erwischt, denn ich gehöre zu den älteren Männern, und ich habe mich leidenschaftlich gegen das Sternchengendern ausgesprochen. Ja, ich habe sogar die Petra Gerster (u.a.) namentlich erwähnt, weil kaum jemand das Gendersternchen so präzise und deutlich artikulieren kann wie sie. Folglich muss mich Gersters Klage bis ins Mark treffen, und mir bleibt nur das demütige „Mea culpa“.
Oder?
Irgendwie fühle ich mich doch nicht angesprochen, denn Gerster unterstellt der Anti-Gender-Hardcore-Truppe mangelnde Achtung vor dem anderen Geschlecht. Genau das aber ziehe ich mir nicht an. Zeitlebens waren es vornehmlich Frauen, die mein Leben geprägt haben und mir als Vorbilder dienten. Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinen Töchtern auf die erste Bundeskanzlerin angestoßen habe. Ich unterstütze bedingungslos die Forderungen von Maria 2.0 nach Zugang der Frauen zu allen Ämtern in der katholischen Kirche. Für mich ist jeder Cent, den Frauen in vergleichbaren Postionen weniger verdienen als Männer, ein Skandal. Usw. Also so pauschal lässt sich die Sache nicht einordnen, Frau Gerster.
Vor allem aber war und ist mein Widerstand gegen das Sternchengendern überhaupt nicht gegen das weibliche Geschlecht gerichtet, sondern es geht mir einzig und allein um die Sprache. Wenn jemand bei jeder Gelegenheit die weiblichen und männlichen Personen explizit aufführen will, dann ist das ok, wenngleich in den meisten Fällen überflüssig und gelegentlich auch ein bisschen blöd. Doch, wie gesagt, grundsätzlich ist das in Ordnung.
Was jedoch nicht in Ordnung ist, das ist die Zertrümmerung der Sprache durch das Gendersternchen, besonders wenn gesprochen wird. Dieses künstlich aufgesetzte Konstrukt steht in krassem Widerspruch zur natürlich gewachsenen Sprache und bedeutet eine grobe Missachtung dessen, was Sprache im Miteinander der Menschen leistet. Aber selbst wenn wir die Achtung vor der Sprache außen vor lassen würden, müssten wir doch feststellen, dass das Gendersternchen eine totale Fehlkonstruktion ist. Es berücksichtigt in vielen Fällen nur noch das weibliche Geschlecht (Beispiel Präsident*Innen); das männliche Geschlecht (und die weiteren Formen geschlechtlicher Existenz) werden dabei nicht berücksichtigt. Warum also nicht gleich „Präsidentinnen“? Ist das etwa keine Diskiminierung? Hinzu kommt, dass das Gendersternchen vielfach überhaupt nicht in den grammatischen Rahmen der Sprache passt (Genitiv, Bestimmungswörter usw.) Versuche, hierbei trotzem mit Sternchen zu gendern, führen zu unerträglichen Sprachverkrüppelungen. Oder sie belegen erschreckende Defizite in Sachen Sprachgefühl.
Ich denke, die Frauen haben es verdient, dass sie sprachlich anständig bedient werden, dass man ihnen nicht mit Sprachtrümmern gerecht zu werden versucht. Wehrt euch doch, ihr Frauen, ihr seid zu schade für den Genderstern, ihr seid zu schade für Wortbruchstücke.
Nachtrag: Letzten Sonntag schaute ich mir im Fernsehen den evangelischen Gottesdienst an, der aus dem Dom in Bremen übertragen wurde. Dieser Gottesdienst läutete eine wichtige Synode ein; deshalb war er besonders interessant. Und er war aufschlussreich, denn er dokumentierte, dass die Frauen im Begriff sind, das Heft zu üernehmen. Außen einem der beiden Geistlichen und noch irgendeinem Beteiligten waren alle Akteure weiblich. Sogar der stattliche Chor bestand nur aus Mädchen und Frauen. Dann kam der Hammer: eine resolute Sprecherin, offenbar in maßgebender Funktion der kommenden Synode, sprach von „Zeug*Innen“. Das hörte sich so unerträglich an, dass ich – wie schon so oft in vergleichbaren Sitationen – spontan aufgestanden bin und den Raum verlassen habe. Die Gefahr, noch einmal das „*Innen“ um die Ohren gehauen zu bekommen, war einfach zu groß. Dann lieber Gottesdienstabbruch.
Nachtrag: Ein oder zwei Tage später, es war wieder eine Nachrichtensendung des ZDF. Dort hieß es, die neu gewählte evangelische Ratspräsidentin Annette Kurschus wolle den Missbrauch in der evangelischen Kirche zur „Chefinnensache“ machen. Wieder so ein Fall. Natürlich geht es hierbei nicht um den unerträglichen Genderstern, sondern hier wird mangelndes Sprachverständnis deutlich. Es geht doch ganz eindeutig um eine Sache und nicht um eine Person. Soviel ich weiß, haben Verantwortlichkeiten oder Aufgaben überhaupt kein Geschlecht. Was soll also dieser Unfug mit dem krampfhaften Herumgendern, verdammt noch mal?