Spaltung

In vielen Staaten sind die rechtsorientieren Zeitgenossen wieder im Vormarsch, auch in Deutschland. Ja, auch in Deutschland, was nach dem mit Abstand größten Verbrechen der Weltgeschichte sprachlos und wütend macht. Was, verdammt noch mal, geht in den Köpfen dieser Leute vor? Ich meine nicht nur die politisch Aktiven, sondern auch die Wähler, die groteskerweise noch meinen, sie handelten demokratisch, wenn sie eine Partei wählen, die genau diese demokratischen Grundrechte in Frage stellt und die Gier nach starken „Führern“ anstachelt. Thüringen ist ein lebendiges Beispiel. Man sehnt eine neue Gesellschaft herbei, die dem „woken“ Bisher den Garaus machen soll. Das alles auf ziemlich agressive, spalterische Weise, die kaum noch Kompromisse zulässt.

Verstärkt wird die Spaltung durch eine Serie von islamistischen Anschlägen, teilweise geplant, teilweise durchgeführt wie in Mannheim oder Solingen. Das ist genau das, was die Nationalisten sich wünschen; sie brauchen diese Taten, um die Rechtschaffenheit ihrer Gesinnung zu belegen. Damit kann man anheizen, die Altparteien verdammen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seiner verpflichtenden Neutralität in Frage stellen (weil er nicht nur die rechten Positionen vertritt) und vor allem die Menschen auf Linie bringen.

Wie weit das gehen kann, zeigt ein Beitrag auf der Kommentarplattform von Focus-Online. Dass der Fokus vor allem als Sprachrohr der Unionsparteien agiert, ist sein gutes Recht und im Sinne von Meinungsvielfalt durchaus positiv zu sehen. Dass diese Zeitschrift kaum ein gutes Haar an der Ampel-Regierung lässt, ist verständlich, denn die Regierung macht ihre Sache ziemlich schlecht. Soweit ok. Wenn man aber mit einer im Grunde einseitigen Meinung jeden beliebigen Leser öffentlich (!) zu Wort kommen lässt, dann kann man sehr schön verfolgen, wie diese Meinung sich in einer Blase verfestigt und immer einseitiger und extremer wird. Genau das geschieht auf der Focus-Komentarplattform. Ganze Serien mit Hunderten von Beiträgen überbieten sich in der Hetze auf die Ampel-Parteien. Es kommt vor, dass von hundert Beiträgen gerade mal einer (wenn überhaupt) vorsichtig anklingen lässt, dass die Regierung ja vielleicht doch das eine oder andere richtig gemacht hat.

Wie stark sich eine Meinungsblase verfestigen kann, zeigt auch die Tatsache, dass sich immer mehr Kommentatoren auf Focus-Online offen zur AfD bekennen. („Wer unser Land noch retten will, wählt blau.“) Ist das im Sinne des Focus? Oder die inzwischen offen geäußerten Lobpreisungen auf einen Björn Höcke, dargestellt als Retter unserer „woken“, machtlosen Gesellschaft. Muss der Focus so etwas auf seiner Kommentarplattform dulden, etwa unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit?

Jetzt komme ich zu dem Kommentar, der den Anstoß zu diesem Beitrag gab. Heute, am 13. September 2024, schrieb eine Penny Schmidt gegen 10:30 folgenden Kommentar zu einem Bericht über den geplanten Machetenangriff eines vermutlich islamistisch radikalisierten Syrers:

„Die Teilnehmer der Konferenz am Wannsee wüßten Lösungsmöglichkeiten. Aber die sind ja bäh. Und deshalb fragt man sie auch nicht.“

Hier muss man erst mal tief durchatmen. Man sucht nach Erklärungen für eine solche Meinungsäußerung. Vielleicht war’s ja gar nicht so gemeint. Vielleicht war’s ein Fake, eingespielt vom russischen Geheimdienst. Vielleicht müssen wir der Autorin zugute halten, dass sie überhaupt nicht weiß, was im Januar 1942 am Wannsee beschlossen bzw. protokollarisch festgezurrt wurde. Null Ahnung in Sachen Geschichte, aber darf sie dann einen solchen Text veröffentlichen? Ich fürchte, in dem Kopf der Kommentatorin (und nicht nur in ihrem) hat sich soviel an nationalistischem Schmutz angesammelt, dass sie die in dem Kommentar erkennbare Denkweise als normal empfindet.

Nur als Randbemerkung: In derselben Kommentarspalte, einige Zeilen tiefer, wartete ein Schreiber mit einer „praktikablen“ Lösung des Flüchlingsproblems auf. Er schlug ein „bombiges Freitagsgebet“ in den IS-Hochburgen vor.

So viel zu Hass und Hetze, wenn jeder sagen kann, was er will. Andererseits legen viele Leute auf diese Weise ihre widerlichen Innereien bloß. Das sind ja auch unsere Mitmenschen. Und natürlich die besseren, würden sie lautstark einen Youtube-Beitrag betiteln.