Papier! Kaum zu glauben

Digitalpakt des Bundes: Einige Milliarden für die Länder, damit diese ihre Schulen vernünftig „digitalisieren“ können. Sie ist populär, diese Aktion. Ein Kommentator im Fernsehen brachte es etwa so auf den Punkt: Deutschland ist weit zurück, in Deutschland wird in den Schulen noch auf Papier geschrieben, obwohl es doch schon längst Laptops und Tablets gibt.

Na ja, über Papier in den Schulen kann man trefflich streiten, oder eigentlich auch nicht. Man muss kein Pädagoge sein, um festzustellen, dass Papier in den Schulen um ein Vielfaches wichtiger und effektiver ist als der digitale Kram, bei dem griffbereites Wissen einfach nur (zeitgemäß) vorbeistreamt. Nur ein kleiner Tip: Vielleicht denkt ihr Digitalisierer gelegentlich mal daran, dass die Schulen für die Kinder da sind und nicht für die Technik. Dann könnt ihr auch ganz gut einschätzen, an welchen Stellen Internettechnik den Unterricht (ein wenig) unterstützen kann.

Heilige, goldene Rindviecher

Vor einigen Jahren wurde in Europa der Verkauf von Glühlampen verboten. Grund: Die Dinger haben einen zu geringen Wirkungsgrad von nur einigen Prozent, je nach Typ; der Großteil entfleucht als Wärme. Klar, höchst ungünstig. Nun eine andere Rechnung: In den meisten Autos sitzt genau ein Mensch, durchschnittlich sind es vielleicht 1.5 Menschen. Macht ein Menschengewicht von rund 100 kg. Um diese 100 kg Mensch von A nach B zu transportieren, muss zusätzlich noch etwa 1400 kg Auto bewegt werden. Das ergibt einen Wirkungsgrad von knapp 7%. Na ja, oft ist noch etwas Gepäck mit dabei, so dass wir den Wirkungsgrad mal großzügig auf 8 oder 9 % erhöhen können.

Verbot der Autos? Keine Spur, obwohl der gesunde Menschenverstand sagt, dass das Auto ein Auslaufmodell ist (sein muss). Zu Beginn der Autozeit was das anders, aber bei der heutigen Verkehrsdichte … Industrie und Politik sind sogar bestrebt, das Auto in die Zukunft hinein zu retten, z.B. indem man sie autonom macht und mit KI vollstopft oder Methoden wie Carsharing o.ä. einführt. Am beschissenen, unverantwortlichen Wirkungsgrad ändert das nichts.

Nun könnte man ja argumentieren, dass eine Glühlampe relativ leicht und schnell zu ersetzen ist, während das beim Auto nicht der Fall ist. Ok, stimmt, und die quecksilberlastige Übergangsphase mit den kurzlebigen Energiesparfunzeln ignorieren wir einfach mal. Der Zweck heiligt eben solche Missgriffe. Was das Auto betrifft, da hätte eine Wende auch stattfinden können, nur hätte sie wesentlich früher und weitsichtiger angefasst werden müssen. Zwischen E-Bike und Auto gibt es eine Fülle von Möglichkeiten für jeden Zweck. Was der öffentliche Verkehr nicht zu leisten vermag, kann durch elektrische Kleinfahrzeuge verschiedenster Art ergänzt werden. Nur mal etwas kreativ denken und vor allem die Autoindustrie an die Kandare nehmen. Die hat ihre Freiheit hinreichend genossen – und missbraucht.

Um noch einmal auf den Wirkungsgrad zurückzukommen: Der ist bei der Glühlampe deutlich höher als die Messwerte aussagen. Was nicht in Licht umgewandelt wird, wird als Wärme ausgestrahlt. Und da die Lampen am längsten brennen, wenn’s draußen kalt und dunkel ist, trägt diese „Abfallenergie“ sogar zur Raumheizung bei. Nicht von Bedeutung? Na ja, dann muss man sich auch fragen, warum man die Dinger überhaupt verboten hat.

Beim Auto ist es anders: Was hier nicht für den Vorwärtsschub genutzt wird, reichert die Atmosphäre mit Kohlendioxid, Stickoxiden und die Straße mit Gummiabrieb an. Aber – jetzt kommt der gewichtigste Einwand: Das Auto der Zukunft fährt ja elektrisch, und das ausschhließlich mit regenerativer Energie. Ja, das relativiert die Sache wirklich. und wenn es tatsächlich irgendwann so weit sein sollte, dann kann man völlig bedenkenlos die geliebte, Behaglichkeit spendende Glühlampe wieder erlauben.

Doch beim Auto – da kommt ja noch einiges hinzu. Batterien z.B. Wieviel Energie und Chemie wird für deren Herstellung gebraucht? Wieviel Energie für deren Entsorgung und Recycling? Egal, es ist müßig, drüber nachzudenken, denn das Auto wird nicht nur überleben, sondern weiterhin im Zentrum moderner Lebensformen stehen. Das Auto ist halt eine Heilige Kuh, die man nicht antastet. Oder auch das Goldene Kalb, um das man herumtanzt. Rindvieh, so oder so.

Maßlosigkeit

Die Welt gerät offenbar immer mehr aus den Fugen, auch was das richtige Maß der Dinge betrifft. Bei TV-Bildschirmen kann’s nicht groß genug sein. Wozu eigentlich? Andererseits quetscht man Internetseiten auf winzige Smartphone-Displays; da stört die unübersichtliche Enge überhaupt nicht. Das heißt, sie stört schon, aber die Menschen nehmen’s in Kauf. Ohne Smartphone kann man ja nicht leben. Meint man.

Mauern

Mauern sind die Architektur von Naltionalisten, die ihre ach so wertvollen nationalen Errungenschaften vor Fremdeinflüssen schützen wollen. Oder von Schisshasen, die sich einem Problem nicht stellen wollen. Mauern trennen, sie beseitigen keine Probleme, sondern schaffen welche. Donald Trump will so eine Mauer. Wir Deutschen sollten ihn einladen, das übriggebliebene Stück Mauer in Berlin zu besichtigen; dann wissen seine Architekten, wie man so ein Bauwerk wirkungsvoll gestaltet. Man könnte dem Trump ja Kopien der Baupläne überlassen, mit Maßangaben über Todesstreifen, Wachtürme usw. Über geeignete Knarren brauchen wir den amerikanischen Schutzpatron der Schießgewehre ja wohl nicht zu belehren.

Über positive Entwicklungen

Interview mit Asaf-Wossen Asserate, einem äthiopischen Unternehmensberater und Kenner des afrikanischen Kontinents. Frage des Interviewers Marcus Tackenberg: „Gibt es nicht auch positive Entwicklungen (in Afrika) – Stichwort digitale Vernetzung?“ Antwort: „Richtig. … Man kann mittlerweile selbst auf dem Dorf und auf dem Markt mit dem Handy bezahlen.“ Toll, vor dreißig Jahren hätte man die Frage vielleicht so gestellt: „Gibt es nicht auch positive Entwicklungen?“ Antwort: „Richtig. Mitterweile ist fast alles in Plastik verpackt und nicht in Papier.“ – Auf die Idee, dass man die digitale Vernetzung auch negativ sehen könnte, ein klitzekleines bisschen zumindest, scheint niemand zu kommen. Relativität des Fortschritts. Vermutlich brauchen manche Fehler Jahrzehnte, bis sie als solche erkannt werden.

America first

Nicht so ganz einfach, diesen amerikanischen Superpräsidenten zu charakterisieren. Wenn ich meine Wertemaßstäbe anlegte, müsste ich ihn … nein, lieber nicht, dann hätte man mich wegen Beleidigung am Wickel. Also freundlich: Der Typ wirkt auf mich wie ein Bulle, der mit gesenkten Hörnern auf alles losgeht, was sich ihm in den Weg stellt. Klar, dass er schon vieles kaputt gemacht hat, in der Welt und in den USA. Hauptsächlich in den USA. Wie sagte der Donald so schön: „America first!“ Dabei wird er noch angefeuert, hauptsächlich von weißen Cowboys und Farmern, von denen einige noch die Parolen aus der Ku-Kluxer-Zeit kennen.

Wenn’s um Geld geht …

… dann ist man schnell zur Stelle. Da betreiben amerikanische IT-Konzerne schon jahrelang Datenmissbrauch, verstoßen somit gegen unsere Grundrechte. Reaktion? Fehlanzeige. Erst das Kartellamt fühlte sich veranlasst, mal etwas dagegen zu tun. Geld ist halt wichtiger als Grundrechte, oder? Dann das neue Urheberrecht. Es soll den Urhebern eine bessere Verwertung ihrer Schöpfungen gewährleisten. Es soll ihren Gewinn schützen. Geld. Schutz der Privatsphäre? Uninteressant in unserer Gesellschaft. So geht Digitalisierung.

Roboter als Spielgefährte

Ich weiß nicht, wie dieses künstlich intelligente Ding aus Plastik und Metall heißt, jedenfalls soll dieser kleine Roboter, der besonders in China intensiv weiterentwickelt wird, ein idealer Spielgefährte für kleine Kinder sein. Sprechen, zuhören, klar, dass ist alles kein Problem für dieses Maschinchen. Aber es soll auch Gefühle von Kindern wahrnehmen und darauf reagieren können. Vielleicht kann es sogar Tränen vergießen. Roboter als Wesen, mit Emotionen ausgestattet. Dumm nur, dass dadurch keine wirklichen Spielgefährten entstehen, sondern dass die Kinder zu Robotern werden. Passt zu China und dem Menschenbild des Regimes. Digitalverbände wie CIO finden’s ebenfalls toll. Für mich sind solche Dinge Kindesmissbrauch.

Drensteinfurt – negatives Vorbild

Anmerkung: Diesen leider wieder etwas länger gewordenen Beitrag werde ich in Kürze wieder löschen. Vorher möchte ich noch möglichst viele Kommunen und Kommunalverbände auf den Beitrag aufmerksam machen.


Zeitungsmeldung in der IVZ (Ableger der Westfälischen Nachrichten) vom letzten Wochenende: „Drensteinfurt bleibt online“. In Drensteinfurt, einem kleinen, eher unbedeutenden Städtchen im südlichen Münsterland, gab es eine Bürgeranregung, den Ort zu einer „Facebook-freien-Kommune“ zu machen, doch der Haupt- und Finanzausschuss der Kommune entschied sich, weiterhin Facebook zu benutzen. Bürgermeister Carsten Grawunder wies darauf hin, dass man über Facebook knapp 900 Abonnenten erreiche. Deshalb sei das Abschalten keine Lösung.

Diese Einstellung ist bestürzend, und das Festhalten an schmutzigen Kommunikationswegen ist in dreifacher Hinsicht verantwortungslos:

  1. Alle Instanzen mit öffentlicher Ausstrahlung, also Politik, Administration, Medien usw. haben Vorbildfunktionen und sollten keine Verfahren anwenden, die nachgewiesenermaßen schädlich sind und dennoch in der Bevölkerung weit (zu weit) verbreitet sind. Es gibt nur einen Weg, Facebook in die Schranken zu weisen, und zwar durch gezielte Vermeidung der Plattform.
  2. Als Kommune verwaltet Drensteinfurt eine Fülle von sensiblen Daten, die auf keinen Fall in den Fangbereich einer Datenmissbrauchs-Mafia wie Facebook geraten dürfen. Saubere, gesicherte Datenverwaltung einerseits und virulente Datenverbreitung über Facebook, Whatsapp oder Instagram, das passt einfach nicht zusammen.
  3. Durch das Festhalten an Facebook übt die Kommune auf die 900 „Abonnenten“ einen Druck aus, ebenfalls auf Facebook zu bleiben. Das ist genau gegenläufig zu den Bemühungen, möglichst viele Bürger aus ihrer Abhängigkeit von Facebook zu befreien.

Die Hauptursachen dafür, dass trotz besserer Einsicht viele Menschen nicht von schädlichen Plattformen wie Facebook lassen wollen, sind Gedankenlosigkeit, Oberflächlichkeit und vor allem Bequemlichkeit – bis hin zur Abhängigkeit. Wenn nun auch noch kleinkariertes Denken von Kommunalpolitikern hinzukommt, kann man nicht allzu optimistisch in die digitale Zukunft schauen. Meine Güte, stellt den Leuten in Gemeinderat und Verwaltung doch ein Fußbänkchen hin, damit sie ein wenig über den ach so hohen Tellerrand ihrer beschränkten kommunalen Welt hinwegschauen können.

Irritierend ist im übrigen auch die Überschrift der Zeitungsmeldung. Muss man an Facebook festhalten, um online zu bleiben? So ein Quatsch. Es gibt eine ganze Reihe von sauberen Wegen, die Bürger zu erreichen, und selbst wenn man meint, auf einen Messenger nicht verzichten zu können, dann gibt’s Alternativen. Um nur einige zu nennen: Diaspora, Nebenan, Ello, Threema usw. Und der Umstieg? Eine Meldung an die 9000 Abonnenten, vielleicht eine kurze Anleitung, wie die neue Plattform eingerichtet wird, das reicht. Und wenn von den 9000 nur 200 folgen, weil die anderen es nicht mitbekommen? Dann war für 8800 Bürger die Facebook-Präsens ohnehin überflüssig. Der Wechsel könnte für eine erfrischende Bereinigung sorgen.


Nachtrag: Als ich die Stadt Drensteinfurt per EMail auf diesen Beitrag aufmerksam machen wollte, wurde eine Erklärung verlangt, in welcher ich mich mit der Verarbeitung meiner Daten einverstanden erklärte. Tja, soviel zum Thema Datenschutz in der münsterländischen Kleinstadt.