Und dann?

Die Welt steht Kopf. Kopfstand dicht am Abgrund. Die ganze Misere, in der wir uns befinden, ist menschengemacht; sie spiegelt die Schwächen und Fehlleistungen der Menschheit wider: Unersättlichkeit und Gier nach mehr; blindes Vertrauen in die Technik; Streben nach immer mehr Bequemlichkeit und Komfort; Verantwortungs- und Gedankenlosigkeit; Aufspringen auf die Mainstream-Dynamik (Heißa, immer vorwärts. Immer schneller vorwärts!); vor allem aber Machtstreben.

Ja, Geld und Macht. Die Mächtigen sitzen nicht nur in Palästen und Regierungsgebäuden, sondern auch in den Chefetagen von Konzernen – Diktatoren und Herrscher der globalen Wirtschaftswelt. Aber das nur am Rande. Auch die klassischen Autokraten, die mit Geheimdiensten, Raketen und Untergebenen hantieren, sind weltweit im Vormarsch. Besonders gefährlich sind solche Typen, bei denen Macht und menschliche Schwäche zusammentreffen. Es ist keine Stärke, sondern Schwäche, wenn man sich an die Macht klammert. Es ist Schwäche, wenn Autokraten ihre persönliche Machtgier nicht kontrollieren können. Damit sind wir bei Putin, dieser eher mickrigen Erscheinung ohne Charisma. Aber er hat Macht.

Die Ukraine bekommt sie nun zu spüren, die Macht des Kreml-Herrschers und seiner Vasallen. Vorbei die Träume der Wendezeit von einer Zukunft ohne Kriege. Anstatt freundschaftliche Beziehungen zur Ukraine zu knüpfen, zog Putin es vor, die ehemalige Sowjetrepublik erst mal kaputtzumachen, bevor er sie in seinen Machtbereich eingliedert. Auch das ist typisch für wilde Machtausübung: Was man nicht haben kann, wird erst mal kaputt gemacht.

Was Putin nicht bedacht hatte: Die Ukraine, bereits an demokratisches Leben gewöhnt, wehrte sich. Und der Westen fand sich auf einmal in der Unterstützerrolle wieder. Nicht, dass die Europäer oder Nordamerikaner einen besonderen Hang zur Ukraine hatten. Nein, die Ukraine liegt nicht „mitten in Europa“, und auch geschichtlich bzw. kulturell gehört das Land eher zu Russland als zu Europa. Es war das Entsetzen angesichts der brutalen russischen Agression, das die demokratischen Länder spontan Partei für die Ukraine ergreifen ließ. Hinzu kam die barbarische Kriegsführung, der Krieg gegen die Zivilbevölkerung und nicht zuletzt die Massaker wie zum Beispiel in Butscha. Was die westlichen Sanktionen gegen Russland betrifft: na ja, ob’s was bewirkt?

Beendigung des Krieges durch Diplomatie? Mein Gott, wie naiv muss man sein, um daran zu glauben. Ein Mensch wie Putin kann nicht verlieren, dazu ist er nicht stark genug. Er wird weitermachen, bis seine Vorstellungen erfüllt sind. Und die sind klar: Die Ukraine muss wieder voll in Russland integriert werden. Ohne Abstriche, denn es handelt sich ja nach Meinung des Kremls um russischen Staatsgebiet.

Und so zeichnet sich allmählich ab, dass Russland siegen wird. Zu groß ist die Übermacht, zu wabbelig die Unterstützung des Westens. Wie lange es noch dauert? Keine Ahnung. Jedenfalls geht es nach Ende des Krieges nicht um den Wiederaubau der Ukraine, sondern um den Wiederaufbau der von Putin kaputtgeschossenen Südwestecke Russlands. Trümmer als Siegesbeute.

Und dann?

Es hätte auch anders laufen können. Wir hätten die Unterstützung der Ukraine ablehnen können. Wahrscheinlich wären dann weniger Menschen getötet, weniger Häuser zertrümmert worden. Wahrscheinlich würden bereits jetzt in den Administrationen Russen oder russlandtreue Ukraine-Russen sitzen. Also das gleiche Ergebnis. Noch einmal:

Und dann?

Egal, ob der Sieg Russlands auf langem oder kurzem Wege erfolgt; der weitere Fortgang der Geschichte ist schon vorgezeichnet, d.h. vom Kreml bereits geplant. Es wird um die Wiedereingliederung der „russisch-baltischen Provinzen“ gehen. Vielleicht nicht sofort, sondern erst nach einer Erholungsphase. Aber dass es Litauen, Lettland  und Estland ebenfalls an den Kragen gehen wird, kann getrost als Realität eingeordnet werden. Endlich wieder einen offenen Zugang zur Ostsee, keine Beschränkung auf die beschränkten Zugänge über Kaliningrad (schmaler Landkorridor) oder Petersburg (äußerster Winkel der Ostsee). Kann die Verlockung größer sein? Und damit die erwähnte Erholungsphase nicht zu lange dauert, wird rechtzeitig Belarus mit eingebunden.

Doch nun wird es spannend, denn die baltischen Länder haben sich nicht nur zu tollen Demokratien entwickelt, sondern sind zugleich MItglieder der NATO. In Litauen wird sogar die dauerhafte  Stationierung einer beachtlichen deutschen Militäreinheit vorbereitet. Wenn Russland das Baltikum angreifen sollte, tritt natürlich der Bündnisfall ein. Dann ist Scholz’sche Besonnenheit gefragt, denn der Bündnisfall sieht zwar auch die militärische Unterstützung vor, verlangt sie aber nicht ausdrücklicklich. Die Unterstützung kann auch ohne direkten Einsatz von NATO-Truppen erfolgen, und um eine Eskalation und das Überschwappen des Konflikte nach Westen zu vermeiden, gibt es erst mal weichere Methoden. Sanktionen zum Beispiel. Oder die Lieferung von Waffen, so wie wir es bereits kennen. Dieses Zögern ist Putin natürlich bekannt, und deshalb ist zu befürchten, dass er sich vom Bündnisfall nicht abschrecken lässt. Und wenn dann die baltischen Staaten erst mal wieder heim in Russland sind, dann …

 Ja, und dann?

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, der russischen Übermacht etwas entgegenzusetzen? Eine mögliche Chance ist vertan. Nachdem die Russen zu Beginn des Krieges in dem Gefühl ihrer Überlegenheit strategische Schwächen zeigten, da gab es eine Chance, allerdings hätte der Westen weniger besonnen als vielmehr entschlossen eingreifen müssen. Nun, die Gelegenheit ist verstrichen, die Russen haben inzwischen natürlich dazugelernt.

Und jetzt, nach zwei Jahren Krieg? Die Russen sind im Vormarsch, der Ukraine geht die Puste aus. Wenn es überhaupt noch einen Ansatzpunkt gibt, dann kann der nur darin bestehen, den Russen den Nachschub zu erschweren. Denn die Erreichbarkeit der Front ist ein klarer Vorteil der Ukraine. Also: Weg mit der Kertsch-Brücke, Zerstörung der wichtigen Nachschubwege hinter der russischen Front. Doch dazu sind bestimmte Waffen erforderlich, die bei besonnenem Hilfseinsatz wohl nicht in Frage kommen.

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kommt mir vor wie ein bizarrer Boxkampf. Auf der einen Seite der russische Boxer, kraftstrotzend, ein gigantischer Muskelberg, der sich um faire Regeln oder die bekannte Gürtellinie nicht kümmert. Auf der anderen Seite der ukrainische Boxer, auch nicht gerade schlapp, deutlich wendiger als sein Gegner. Aber: Er darf die Boxhandschuhe nur als Deckung benutzen und hoffen, dass er die meisten Hiebe des Russen abfangen kann. Das Team, das den Ukrainer traniert und unterstützt, achtet darauf, dass er seine passive Rolle einhält, denn sonst könnte es ja passieren, dass der russische Kraftprotz seinen Ärger an dem Team auslässt. Huh, das muss auf jeden Fall verhindert werden. Lieber verspricht man dem ukrainischen Boxer, nach seiner Niederlage für seine Heilung zu sorgen – oder für sein Begräbnis.

Endgültig …

Es geht um Jana Pareigis. Lange Zeit fühlte ich mich nicht imstande, eine von ihr moderierte Nachrichtensendung zu verfolgen, weil sie den Genderstern auch mündlich geradezu zelebrierte. Unerträglich für mich, diese Wortzertrümmerung. Unerträglich auch deshalb, weil Regeln und Strukturen, die in der künstlichen Sprache der Informationstechnik üblich und sinnvoll sind, mit Gewalt in die natürliche Sprache hineingepresst werden.

Dann nach etlichen Monaten „Pareigis-Abstinenz“ habe ich ihr noch einmal eine Chance gegeben. Und tatsächlich: ein halbes Dutzend Sendungen ging es gut. Wenn gegendert werden sollte, verwendete Pareigis die saubere Doppelnennung der Geschlechtsformen. Es geht doch, dachte ich. Bis vor einigen Tagen, ich glaub, es war der 8.4.2014. Da wurde in der Heute-Sendung um 19 Uhr wieder an einer Stelle sternchen-gegendert. Nicht so artikuliert und verletzend scharf wie ehedem, aber doch deutlich vernehmbar. Ich bin aufgesprungen, habe den Kopfhörer in die Ecke geworfen und fluchtartig den Raum verlassen. Das war’s dann wohl, und zwar endgültig. Leb wohl, Jana, ich werde deine Stimme, die eine saubere Sprache verdient hat, wahrscheinlich nie mehr hören. Schade.