Zukunft

Vorweg: Mir kommt dieser Beitrag so vor, als formulierte ich einen Abschied von allem, was für mich in den letzten Jahren wichtig war und wofür es sich zu kämpfen lohnte. „Datenmissbrauch“, was bedeutet der Begriff noch, wenn jeder Gebrauch von Daten als richtig und zukunftsweisend propagiert wird? Wenn „Big Data“ von höchster politischer Stelle als das wichtigste gesellschaftliche Ziel der Zukunft bezeichnet wird? Oder „was sonst noch schief läuft“. Was kann denn überhaupt schief laufen, wenn die Entwicklung eine nicht mehr beeinflussbare Eigendynamik entwickelt hat? „Schief laufen“ impliziert immer die Abweichung von einer erstrebenswerten Richtung, und wenn es nur noch eine Richtung gibt, braucht man sich keine Gedanken über Abweichungen zu machen. Dann geht es doch nur noch darum, möglichst schnell und vor allem vornean zu laufen, um sich wenigstens zu den Profiteuren zählen zu können. Nicht wahr?

Die Digitalisierung [1] mit ihrer algorithmischen Überhöhung, der künstlichen Intelligenz, spukt derzeit als Realvision in den Köpfen von Futuristen herum, oder als gesellschaftliches Ziel erster Ordnung in den Köpfen von Politikern. Vordenkende Wirtschaftsexperten strahlen vor Glück angesichts der sich bietenden Chancen, und Wissenschaftler bejubeln die Komplexität kommender Gesellschaftsordnungen und die Adaptivität der Verfahren der Zukunft. Die Euphorie geht so weit, dass selbst Warnungen eines Stephen Hawking als eindimensional abgetan werden, weil sie den digitalen Aufbruch stören. (Nur am Rande: Wer die IT-Szene und das Selbstverständnis von Programmieren ein wenig kennt, wundert sich allerdings kaum über eine derartige Arroganz.) Dabei gibt es überhaupt keine Störungen mehr, denn in einem Punkt haben alle recht: Die Welt steckt bereits mitten drin in dem digitalen Wandel, und er ist nicht mehr aufzuhalten. Stören geht nicht mehr, vielleicht noch ein bisschen wirkungsloses Quertreiben. Doch angesichts der unbremsbaren Dynamik verhallen die kritischen Stimmen.

Wenn man die vielen Menschen mit dem scharfen Zukunftsblick richtig versteht, dann wird sich restlos alles ändern. Menschen werden mit Maschinen kommunizieren, nicht auf Basis einer Mensch-Werkzeug-Relation wie bisher, sondern als Partner auf gleicher Augenhöhe. Intelligente Maschinen und Gegenstände, natürlich völlig vernetzt, werden ein Funktionsgeflecht bilden, in das sich auch die Menschen einfügen (müssen). Mit welchen Aufgaben, darüber gibt es noch keine verlässlichen Prognosen. Aber in einem sind sich alle einig: Die Umwälzungen werden so gravierend sein, dass die herkömmlichen Werte bedeutungslos werden.

Wenn man die Diskussionsbeiträge zu dieser Thematik liest, dann stößt man auf eine durchweg positive Beurteilung der Zukunftsaussichten. Mir ist dabei allerdings aufgefallen, dass praktisch keiner dieser Zukunftseuphoriker irgendeinen menschlichen Wert in die Diskussion eingebracht hat. Wahrheit, Persönlichkeitsrechte, Privatsphäre, Eigentum,  Freiheit, Verantwortungsbewusstsein, Achtung, Leid und Mitleid, Persönlichkeitsformung usw., all das kommt in den Zukunftsskizzen einfach nicht vor, allenfalls Lächerlichkeiten wie Komfort und Bequemlichkeit. Und sie argumentieren nicht einmal unlogisch, wenn sie diese Werte und Ziele unterschlagen: sie werden nämlich nicht mehr gebraucht. Die Rolle der Menschen in der Zukunft wird darin bestehen, dass sie in einem total-digitalen Geflecht reibungslos funktionieren. Da braucht man keine anfechtbaren, menschlichen Entscheidungen; die Welt wird sich selbst perfekt organisieren und dabei – so gut es geht – die Menschen mitnehmen. Selbst ein hochrelevantes Grundrecht wie das Recht auf Datenschutz wird bedeutungslos werden, denn Datenschutz stört nur das reibungslose Funktionieren auf Datenbasis. Und, noch einmal: Bedeutungslosiskeit entwertet; selbst Grundrechte können in Bedeutungslosigkeit versinken.

Gerne werden in der Diskussion die Vergleiche zu anderen technischen Revolutionen bemüht: Dampfmaschine, Automatisierung und – natürlich – Buchdruck. Klar, diese Fortschritte haben die Welt nachhaltig verändert, fast so weitreichend wie die derzeitige Digitalsierung. Dennoch gibt es einen ernormen Unterschied. Bisher haben die Menschen immer ihre Position behauptet; sie haben die Technik nutzbar gemacht und ihren Wertekatalog zwar den Umständen angepasst, doch im wesentlichen bewahrt. Aber wo Maschinen und Roboter die Verantwortung für die Abläufe übernehmen, brauchen die Menschen keinen Wertekatalog mehr. Er wird obsolet, denn Roboter können damit nichts anfangen.

Es ist wichtig, sich einfach mal die so nachdrücklich angestrebten Ziele der Digitalisierung vor Augen zu führen. Es geht darum, die gesamte Welt mit all ihren technischen Dingen, Abläufen, Menschen, Produktionsverfahren, Versorgungen, Administrationen, Verkehrsstrukturen usw. in ein gigantisches Computernetz einzubinden und mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu steuern. Die entscheidenden Kriterien sind dabei Effektivität, Ressourcenschonung und möglichst reibungsloses Funktionieren. Das sind Ziele, die auch in der vordigitalen Zeit schon eine wichtige Rolle spielten, aber bisher gab es daneben noch andere Ziele, die man vielleicht als „menschlich“ bezeichnen könnte. Die werden wegfallen.

Zum Beispiel Freiheit. Freiheit kann nur dort existieren, wo es keine Kontrolle gibt. In Zukunft jedoch werden die Menschen auf Schritt und Tritt überwacht werden. Sämtliche Aktionen werden aufgezeichnet und analysiert werden. Selbst in die privatesten Räume werden die digitalen Kontrolleure eindringen – mit Einwilligung der Betroffenen. Und im öffentlichen Raum wird es kein Verstecken mehr geben, denn die Verkehrskonzepte der Zukunft basieren allesamt auf lückenloser Überwachung der Standorte aller Verkehrsteilnehmer. Jeder Mensch wird demnächst in der Öffentlichkeit eine Art von Fußfessel mit sich herumtragen, sei es in Form eines smarten Fitness-Trackers, in Form eines smarten Autos, oder in Form eines Smartphones, oder als implantierten RFID-Chip. Und selbst wenn man keins dieser Mittel benutzt, wird die Gesellschaft einem verlässlich unter die Arme greifen: mit digitalen Bezahlsystemen, mit digital lesbaren Ausweisen, mit Überwachungskameras usw. usw. Jeder kann sich demnächst nur noch scheinbar frei bewegen, denn er wird immer zu orten sein. Wie gesagt: Effektivität und reibungsloses Funktionieren.

Zum Beispiel Privatheit. Das Herz der digitalen Welt sind die miteinander vernetzten Algorithmen, und die benötigen Daten als Betriebsstoff. Je mehr Daten, desto sicherer und effektiver der Betrieb. Und natürlich werden kaum noch ausgewählte Daten von Menschen eingespeist, sondern die Algorithmen holen sie sich selbständig, meistens über Sensoren oder durch Auswertung von Kommunikationsinhalten. Die Grenze zwischen privaten und öffentlichen Daten spielt dabei keine Rolle mehr, denn Privatheit spielt sich ausschließlich in individuellen, ganz persönlichen Wahrnehmungsräumen ab, und Algorithmen können hier keine Unterscheidung treffen. Auch nicht auf Basis künstlicher Intelligenz, weil es keine datenmäßig erfassbaren Kriterien gibt, die Privatheit nicht nur formal, sondern auch bedeutungsmäßig bewerten. Die Grenzen aus der Analogzeit, z.B. in Form von Wohnungen, sind längst eingerissen. Das smarte Home ist dabei, die privaten Räume vollständig zu öffnen. Die Menschen schauen bereitwillig zu, denn hier spüren sie hautnah, wie angenehm es sich anfühlt, wenn sie effektiv umsorgt werden, und wenn es um sie herum reibungslos funktioniert. [2]

Zum Beispiel Wahrheit. Wahrheit ist die Voraussetzung für den verlässlichen Umgang der Menschen miteinander. Doch je mehr die unmittelbaren Kontakte in den Hintergrund treten und Kommunikation digitalgesteuert abläuft, desto bedeutungsloser wird Wahrheit, wenn wir den aus analoger Zeit bekannten Wahrheitsbegriff zugrunde legen. Stattdessen wird Wahrheit vor allem das sein, was den Erfolg begünstigt bzw. die Funktionsabläufe in die gewünschte Richtung lenkt. Wahrheit wird zielorientiert und zweckgebunden sein. Wo sachliche Richtigkeit erforderlich ist, werden Faktenchecks eingesetzt, die das faktisch Verwertbare aus der Information extrahieren. So widerlich, ja nach herkömmlichen Maßstäben sogar kriminell das Vorgehen von Cambridge Analytica auch war, nach den Normen einer digitalisierten Gesellschaft handelte das Start-up-Unternehmen absolut folgerichtig und systemkonform. Wie gesagt: reibungsloses Funktionieren und Effektivität.

Zum Beispiel Demokratie. Das Internet gilt als das demokratischste Medium überhaupt. Jeder kann sich äußern, jeder kann Einfluss auf die Meinung anderer ausüben. Es gibt, was die weltweite Kommunikation betrifft, keine Barrieren. Und doch zeigt sich, dass etablierte demokratische Systeme durch das Internet nicht gestärkt, sondern ausgehöhlt werden. Und das ist nur logisch, denn so leicht, wie sich Informationen auf digitalem Wege verbreiten lassen, so leicht lassen sie sich auch bündeln und filtern. Ja, meinungsbildende Informationen lassen sich ganz einfach und effizient digital erzeugen, in beliebiger Menge, mit beliebiger Reichweite. Bürgerentscheidungen auf Basis solcher Informationen sind nicht demokratisch, sie sind schlichtweg gelenkt. Es gibt genügend Beispiele dafür. Das, was wir heutzutage (noch) als Demokratie verstehen, hat in einer voll digitalisierten Gesellschaft keine substanzielle Bedeutung mehr. Die Bürger werden sich demokratisch fühlen und gelenkt entscheiden. Man kann es auch so formulieren: Big Data und Demokratie passen nicht zusammen.

Ein weiterer Punkt, auf den ich unbedingt hinweisen möchte: Eine konsequent durchdigitalisierte Gesellschaft wird automatisch in einer Überwachungsgesellschaft  münden. Alle Erfahrungen der Weltgeschichte haben gezeigt: Was an „Fortschritten“ realisierbar ist und den Menschen (oder einigen Menschen) einen echten oder scheinbaren Vorteil bietet, wird irgendwann realisiert, trotz großer Bedenken. Die Barrieren werden Stück für Stück fallen; die Menschen gewöhnen sich an Kontrollen und werten die real empfundenen Vorteile höher als die abstrakten Gefahren oder Nachteile. Ob das nun zu einem diktatorischen Überwachungsstaat wie in China führt oder zu einer scheindemokratischen Ameisengesellschaft, in der sich die Menschen durch ihr Leben treiben lassen, ist eher belanglos. Die Menschen werden zufrieden sein, wenn sie merken, dass es sicher und reibungslos funktioniert. Glück ist flexibel definierbar, und künstliche Intelligenz wird schon herausfinden, welche Art von Glück die Menschheit braucht, um sich gefügig einzuordnen.

Nun wird es natürlich Einwände geben. Man wird sagen: Warum so pessimistisch, es kommt doch darauf an, wie man die Digitalisierung gestaltet. Ich fürchte, dass selbst das dummdreiste Beispiel von dem Hammer, mit dem man einen Nagel ein- und einen menschlichen Schädel kaputtschlagen kann, bemüht wird. Alles Quatsch, nicht mehr als kindische Versuche, auf Rettungsversuche hinzuweisen, wo man alle Rettungsmöglichkeite längst aus der Hand gegeben hat. Der Zweck der künstlichen Intelligenz ist es ja gerade, Entscheidungen an Algorithmen zu delegieren, und aus einer zunehmend passiven Rolle heraus lässt sich immer weniger gestalten. The better place, das große Versprechen der Digitalisierung, wird eine Welt sein, in der die Menschen nur noch Nebenrollen spielen.

Inzwischen kommen mir meine bisherigen Beiträge wie ein naives Festhalten an Bedeutungslosigkeiten vor. Dafür lohnt es sich nicht, sich zu engagieren. Die Digitalisierung hat die Menschheit bereits so stark gefesselt, dass jede Warnung wie das Piepsen eines kleinen Vogels vom Wind fortgeweht wird. Außerdem ist es für eine Rückkehr, ja selbst ein Innehalten längst zu spät. Die Menschen wollen nicht innehalten; sie wollen die Nachteile nicht wahrnehmen und lieber einfach mitmarschieren, egal wohin es geht. Und dass es zügig vorangeht, dafür sorgen nicht nur die Zukunftsforscher mit ihren Träumen oder die Marktschreier der digitalen Patentlösungen. Nein, die Triebkräfte sind vor allem in den Vorstandsetagen großer IT-Unternehmen zu suchen, die mit der Digitalsierung Milliarden verdienen. Das reizt auch kleinere Unternehmen, die die Chance wittern, auf dem digitalen Weg groß zu werden und auch Milliarden zu verdienen. „Ich will auch, sonst tritt man mich tot!“ hört man immer wieder das lautstarke Jammern der Wirtschaftsvertretungen – mit der Politik im Schlepptau. Auch – oder vor allem in Deutschland.

Ich wünsche den Lesern freuden- und eierreiche Ostertage. Wie, keine Eier zu Hause? Einfach Alexa anbrüllen: „Besorg mir Ostereier, aber schnell!“ Kann natürlich sein, dass Alexa mault: „Nee, bei deinem derzeitigen Cholesterinspiegel? Überhaupt isst du in letzter Zeit zu viel Eier: vorgestern 3, gestern 1, heute wieder zwei. Eier sind erst mal gesperrt.“ Tja, dann also Ostern ohne Eier. Gut, dass jemand für dich sorgt, denn du willst ja immer einwandfrei funktionieren. [3]


Nur als Kostprobe verweise ich auf einen typischen Grundlagenbeitrag zur Digitalisierung bzw. künstlichen Intelligenz. Beeindruckend kompetenter Experte, der Autor des Artikels. Ob jemand mit einem größeren field of view eine ähnlich ausgeprägte Kompetenz entwickeln kann?

Klaus Henning: Wie künstliche Intelligenz die Welt verändert


Anmerkungen:

[1] Einigen Lesern mag auffallen, dass ich in diesem Beitrag die Begriffe künstliche Intelligenz oder Digitalsierung ohne Gänsefüßchen verwende. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Digitaltechnik nicht das entscheidende Merkmal der Digitalisierung ist, und dass es sich bei künstlicher Intelligenz nicht wirklich um Intelligenz handelt. Aber die Diskussion um die Begriffe ist müßig; es geht darum, die Dinge so zu benennen, wie sie allgemein verstanden werden. Also sei’s drum.

[2] Im Zusammenhang mit dem SmartHome erinnere ich mich immer wieder an eine kleine Begebenheit, die schon etliche Jahre zurückliegt. Meine Frau und ich unterhielten uns über den Zaun mit einem benachbarten Ehepaar, während dessen kleine Tochter unbedingt etwas von ihrer Mama wollte und an deren Hand zerrte. Die Nachbarin lehnte sehr nachdrücklich ab, worauf das Kind wütend auf den Boden stampfte und sich dann schmollend hinter einem relativ lichten Forsythienstrauch versteckte. Um nicht gesehen zu werden, hielt die Kleine beide Hände vors Gesicht.

Eine normale, frühkindliche Auffassung: Wenn ich die anderen nicht sehe, können sie mich auch nicht sehen. Ähnlich kommen mir die Anhänger des SmartHome vor. Sie sehen nicht die ständigen Beobachter und kommen sich vor, als würden sie nicht beobachtet. Im Grunde ist diese kindische Einstellung bereits ziemlich verbreitet, denn wo Erwachsene dank künstlicher Intelligenz nicht mehr mündig sein müssen, lassen sie sich gerne in naive Kindlichkeit zurückfallen.

[3] Ok, der Eierhinweis mutet ein wenig wie ein harmloser Gag aus der Anfangszeit der Digitalüberwachung an. In Wirklichkeit werden die Überwachungs- und Kontrollprozesse natürlich viel intensiver, viel präziser, viel tiefgründiger greifen. Essgewohneiten werden nicht nur beobachtet und protokolliert werden, sondern auch im Hinblick auf die aktuelle Gesundheits- und Organkonstellation individuell gesteuert werden. Wenn es demnächst noch Versicherungen geben sollte, dann werden diese natürlich voll informiert sein und ein gesundheitliches Fehlverhalten zeitnah und präzise sanktionieren, etwa durch täglich angepasste Beitragsabrechnungen. Die zur Zeit eingeführte Gesundheitskarte ist der erste, kleine Schritt in die digitalisierte (digitale) Gesundheit. Sie sorgt nicht nur für angemessene Medikation und Schutz vor Nebenwirkungen, sonderd vor allem für Transparenz, wenn es um die Ursachenprofile von persönlichen Krankheitsbildern geht. Hauptsächlich also ums Verhalten.

Im übrigen ist die Gesundheitskontrolle ein sehr wichtiger Aspekt im digitalen Kontext. Es soll ja alles reibungslos und effektiv funktionieren. Das gilt für den Verkehrsfluss gleichermaßen wie für das Verhalten der Menschen, die Arbeitsweise von Maschinen oder die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern. Nur organisch gesunde Menschen können die ihnen zugedachte Rolle in der digitalen Umgebung zuverlässig erfüllen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass neben dem Nitratgehalt im Boden oder dem Materialzustand von Brückenbeton auch der Cholesterinspiegel von Menschen permanent kontrolliert wird. Wie gesagt, alles muss funktionieren.

Und für all diese Maßnahmen gibt es wohlfeile Argumente. Na denn …

Gang durch den Tunnel

Zu den nützlicheren Dingen, die die Digitalisierung hervorgebracht hat, gehören m.E. die E-Book-Reader. Ich besitze schon seit Jahren einen Kindle und habe ihn zu schätzen gelernt. Wenn ich in Urlaub fahre, brauche ich keine 3 oder 4 Bücher in den Koffer zu packen, sondern lade mir ausreichend Lesestoff in den Reader.

Oder beim Zahnarzt. Wer kennt nicht diese Situation: Man wird von der freundlichen Praxis-Mitarbeiterin (früher hießen diese Damen „Arzthelferinnen“) in den Behandlungsraum geführt und setzt sich auf den bekannten Stuhl. Nachdem die Dame einem das Papierlätzchen umgebunden hat, verschwindet sie mit dem Hinweis, der Dokor komme bald, etwas Geduld bitte. Nun, die Geduld besteht darin, dass man 15 Minuten lang auf die schnuckelig-spitzigen Instrumente starrt oder Betrachtungen über die Funktionsweise der im Halter hängenden Bohrmaschinen anstellt. Nicht gerade erbauend. Die Wartezeit, bis der Doktor mit einem fröhlichen „Guten Tag, na, dann wollen wir mal sehen“ hereinplatzt, seinen Hocker zurechtrückt, einen in eine liegende Position bringt und schließlich nach Spiegel und Prockelspitze greift, lässt sich mit einem E-Book wesentlich sinnvoller überbrücken. Ich jedenfalls ziehe bei solchen Gelegenheiten mein ansonsten nicht so geschätztes Smartphone aus der Hosentasche und lese. Die Zeit vergeht dabei wie im Fluge.

Dennoch haben E-Book-Reader auch ihre Tücken. Das bekam ich vor einigen Tagen (erneut) zu spüren, als ich im Auto auf meine Frau wartete, die noch einiges erledigen wollte. Auf meinem Smartphone wurde nach dem Anwerfen des Kindle-Readers die Synchronisation mit dem „richtigen“ Reader angeboten. Aber da war wohl etwas verstellt, ich landete irgendwo im hinteren Bereich des Krimis, ich konnte mi Text und Handlung nichts anfangen. Also suchen. War ich hier schon? Nein, zu unbekannt. Weiter zurück: Ja, bekannt, aber dieser Typ dürfte nach meinem Kenntnisstand doch gar nicht mehr leben. Und so gehe ich Seite für Seite voran, bis ich auf Textstellen stoße, die mir noch fremd vorkommen. Als ich schließlich glaube, den Anschluss gefunden zu haben, klopft meine Frau an die Scheibe und öffnet die Tür auf der Beifahrerseite. Tja.

Derartige Erfahrungen, wozu auch die völlige Untauglichkeit im Zusammenhang mit Sachbüchern gehört, machen deutlich, wo es bei den E-Book-Readern hapert. Es gibt überhaupt keinen Überblick oder ein Gespür dafür, wo im Buch man derzeit steckt. Es ist, als würde man durch einen schmalen Tunnel geführt, ohne Möglichkeit, nach rechts oder links auszuweichen oder einfach mal umzudrehen. Es gibt Lesezeichen, sicher, aber die sind abstrakt, und der Sprung zu einer solchen Markierung erfolgt völlig intransparent. Orientierung? Totale Fehlanzeige. Wie souverän ist dagegen der Umgang mit einem Papierbuch. Man kann schnell blättern, man kann Notizen an den Rand schreiben, Textstellen markieren, man kann auf die Schnelle einen Finger zwischen die Seiten legen, um mal kurz zu einer anderen Stelle zu springen. Mit einem Satz: In einem Papierbuch ist es überaus einfach, den Überblick zu behalten. Man geht souverän mit dem Buch um.

Beim E-Book ist es genau umgekehrt: Der Algorithmus geht souverän mit den Lesern um; sie werden wie an der Leine durch den erwähnten Tunnel geschleust, und solange man nicht aus der Reihe springt und mal einen Abstecher ans Ende oder sonstwohin macht, funtkioniert das Lesen ja auch reibungslos. In bestimmten Fällen kann man das akzeptieren, wie die einleitenden Beispiele demonstrieren, aber man sollte sich der systembedingten, grundsätzlichen Nachteile bewusst sein. Nur dann kann es zu einer sinnvollen, bereichernden Synthese kommen.

Im übrigen, und das ist der eigentliche Grund, warum ich überhaupt auf die E-Book-Reader eingehe, ist das Handicap der fehlenden Übersicht ein Merkmal, das sich durch die gesamte „Digitalisierung“ zieht. Der Nutzer wird geleitet; er hat einfach brav das zu tun, was die Algorithmen von ihm verlangen. Die Freiheit, die Sachverhalte mal aus einer gehörigen Entfernung zu betrachten, um ein Urteil zu bilden und evtl. andere Wege wählen zu können, wird gezielt eingeschränkt. Einfach mal die „Digitalisierung“ etwas kritisch sehen (aucn wenn’s unpopulär ist) kann überaus aufschlussreich sein.

Organ-Recycling

Fast alle, die an der Initiative von Spahn Kritik üben, scheinen im Vorfeld zu betonen, dass sie einen Organspenderausweis haben, also kritikberechtigt sind. Auch ich bin kritikberechtigt. Dennoch akzeptiere ich, dass es Menschen gibt, die aus weltanschaulichen Gründen keine Organe spenden – und auch nicht empfangen wollen. Diese Menschen zu einem ausdrücklichen Nein zwingen zu wollen, und das noch mit dem Hinweis, dass dieses Nein einer Weigerung, Leben zu retten, gleichkommt, ist einfach nur dreckig.

Im Fernsehehen wurden zwei Kommentatoren bemüht, einer für, der andere gegen die Widerspruchslösung. Derjenige der beiden, der die Widerspruchslösung befürwortete, sagte sinngemäß, es dürfe nicht sein, dass funktionsfähige Organe beerdigt oder verbrannt würden. Er hätte es auch so formulierlen können: „Es darf nicht sein, dass wertvolle Organsubstanz einfach entsorgt und nicht einem Recycling zugeführt wird.“ –

Bei einer solchen Einstellung bekomme ich einen Brechreiz. Ich war schon drauf und dran, meinen Organspenderausweis zu verbrennen. Wenn das der ethische Hintergrund einer Organspende sein soll, dann sollte man besser die Finger ganz davon lassen, denn so kann man mit Menschen nicht umgehen. Und so darf man auch das menschliche Leben nicht bewerten. Wenn wir menschliches Leben auf das Funktionieren von Organen reduzieren wollten, dann wäre das Töten anderer Menschen kaum mehr als Sachbeschädigung.

Kinderwurst

Ja, es gibt sie, die kleinen Begebenheiten, die einen froh stimmen und für eine Weile den großen Ärger vergessen lassen. Ich beginne mit der Erinnerung an eine Zeit, als wir noch Jungen waren. Wir mussten die Einkäufe erledigen, mindestens einmal täglich beim Lebensmittelhändler, etwa zwei mal die Woche beim Metzger. Unsere Mutter schrieb auf, was zu kaufen war, die Verkäuferin schrieb an, und samstags kaufte Mutter selbst ein und bezahlte. Wir empfanden unsere Einkaufspflicht nicht als schlimm, aber doch als etwas lästig, vor allem, wenn wir lieber auf dem nahen Schulplatz gebolzt hätten. Andererseits bekamen wir beim Metzger immer eine Scheibe Schinkenwurst auf die Faust, und beim Lebensmittelhändler durften wir in das große Glas mit Himbeer-Bonbons greifen.

Vor einigen Tagen nun im Supermarkt, an der Fleischtheke. Die Verkäuferin fragte ein kleines Mädchen zu meiner Linken, ob es eine Scheibe Wurst wolle. Das Mädchen strahlte und nickte überdeutlich. Während die Kleine die Scheibe Schinkenwurst von der hingehaltenen Gabel streifte, sah ich nach rechts, wo die Mama des Kindes stand. Geht das überhaupt noch, dachte ich, heute, wo sich alles um gesunde Ernährung dreht? Müssen da die Kinder nicht ausgewogen (= fleischlos) ernährt werden? Aber die Mama strahlte auch, freute sich, als sie zusah, wie die Kleine die Wurstscheibe andächtig zusammenfaltete und ins Mündchen steckte. Ich konnte nicht anders, ich musste mitstrahlen. Wir lächelten gemeinsam, es war, als wären wir für einige Momente miteinander vertraut geworden.

Doping

Immer, wenn es um Wettbewerb geht, versuchen die Parteien, möglichst viele Vorteile zu ergattern. Im Sport ist das nicht anders, zumal der Leistungssport mit lukrativen Geschäften verbunden ist. Siegen bringt nicht nur Ruhm, sondern vor allem auch Geld, mitunter viel Geld. Oft so viel, dass der sportliche Gedanke in den Hintergrund rückt.

Aber Vorteile nützen nur etwas, wenn der Gegner noch nicht drüber verfügt. Vorsprung ist also angesagt. Und wenn der Gegner einen Vorsprung hat, muss dieser möglichst schnell aufgeholt werden. Wohlgemerkt, hier geht es nicht um die sportliche Leistungsfähigkeit im engeren Sinne, sondern um Rahmenbedingungen, die einen erheblichen Einfluss auf die sportlichen Ergebnisse haben können. Und so arbeitet man seit jeher an diesen Rahmenbedingungen.

Man entwickelt zum Beispiel leistungsfördernde Sportbekleidung. Die Gegner ziehen mit einigen Jahren Verzögerung zwar nach, aber im Augenblick hat man die Vorteile auf der eigenen Seite. Oder man befreit die Athleten von beruflichen Zwängen, stellt sie beruflich frei, so dass sie sich intensiv auf Sportereignisse vorbereiten können. Da können nicht alle mitziehen, aber einige Länder lassen sich ihre Sportkanonen einiges kosten. Trainingslager, Höhentraining usw.

Natürlich müssen die Athleten körperlich auf der Höhe der Leistungsfähigkeit sein. Sie müssen also richtig ernährt werden, unter ärztlicher Kontrolle. Sie brauchen evtl. Nahrungsergänzungsstoffe, ein abgestimmtes Maß an Vitaminen usw. Sie brauchen Medikamente für eine Top-Gesundheit. Es gibt auch Medikamente, die die Leistungsfähigkeit unmittelbar erhöhen. Also verwendet man sie. Bei all diese Maßnahmen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit, angefangen von den Rahmenbedingungen bis zur Gesundheits- und Leistungsförderung geht es nicht um Sportlichkeit, sondern um Ergebnisse.

Nur ist es so, dass gewisse Maßnahmen für den Athleten schädlich sind, und das geht natürlich in einer Zeit, die voll auf Gesundheit abgefahren ist, überhaupt nicht. Man verbietet sie also und bezeichnet die verbotenen Maßnahmen als „Doping“. Die Grenze zum Erlaubten ist allerdings fließend, und man kann sich nur helfen, indem man einen stets wachsenden Katalog von verbotenen Maßnahmen verwaltet, wobei man den kreativen Doping-Akteuren immer einen Schritt hinterherhechelt.

Das Gesundheitsargument gegen das Dopen muss man gelten lassen, wir sehen ja heute, welchen Preis die Medaillenflut der DDR verlangte. Aber das Argument der unerlaubten, unsportlichen Vorteilsbeschaffung ist einfach nur bescheuert, quasi vorgeschoben, denn wenn es darum ginge, dann müsste man viel tiefer ansetzen. Sportlich faire Verhältnisse und Profisport – das sind zwei Dinge, die offenbar nicht zusammenpassen. Bechränken wir uns also auf den Unterhaltungswert.

Macht was ihr wollt !

Vor kurzem fragte mich ein Bekannter, ob ich mich nicht auch einer Aktion gegen den Artikel 13 der EU-Urheberrechts-Reform anschließen wolle. Schließlich habe ich auf meiner Webseite doch deutlich bekundet, dass ich Gegner von Urheberrechten sei.

Stimmt, ich habe in meinem Impressum ausdrücklich auf jeden Urheberanspruch auf meine Webinhalte verzichtet. Mit dem, was ich veröffentliche, kann also jeder machen was er will, ohne Einschränkungen. Nee, ich halte nicht viel von Urheberrechten, zumal die eigentlichen Nutznießer ja die mächtigen Verwertungsgesellschaften sind. Ich habe auch Probleme mit dem Begriff „geistiges Eigentum“? Lassen sich geistige „Produkte“ überhaupt verwerten, indem man sie auf monetäres Niveau herabzieht? Nicht zuletzt ist das, was zum Beispiel in der Musikszene als geistiges Eigentum produziert wird, eher digital produzierter Lärm.

Auf der anderen Seite pochen die Gegner der Urheberrechtsreform auf den Erhalt der Freiheit im Intenet. Doch was ist das, diese Freiheit? Die Freiheit, alles Mögliche hemmungslos verbreiten zu dürfen? Erfordert das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten nicht auch die Fähigkeit und Bereitschaft, mit der Freiheit verantwortungsvoll umzugehen? Bis jetzt ist davon nicht viel zu sehen. Eigentlich nichts. Diejenigen, die nach Freiheit schreien, sollten erst mal zeigen, dass sie damit vernünftig umgehen können.

Und Upload-Filter? Auch so ein krummes Ding. Die Medienplattformen haben m.E. weder Befugnis noch wirksame Werkzeuge, um als Zensoren auftreten zu können. Sicher, sie müssen geeignete Mittel schaffen, dass alle (!) unrechtmäßig verbreiteten Inhalte schnell und bis in die letzten Winkel wieder gelöscht werden können, restlos, aber das ist eine rein technische Frage. Andererseits: Wenn mal etwas zu viel in den Upload-Filtern hängen bleibt, na und? Die Internetgemeinde kann sich über ein zu Wenig an Inhalten ganz bestimmt nicht beklagen. Ich weiß gar nicht, ob die Protestierenden überhaupt wissen, worum es eigentlich geht. Kann gut sein, dass sie bereits Opfer eines „Hochwasser-Internets“ sind. Vielleicht können Upload-Filter dazu beitragen, dass einige Leute ein wenig vom Smartphone wegkommen. Dann hätte das krumme Ding immerhin noch etwas Gutes.

Fassungslosigkeit

Ich wollte meinen Mobil-Vertrag ändern und wandte mich in der Telekom-Geschäftsstelle an den Mitarbeiter und reichte ihm mein Smartphone. Es war ausgeschaltet. Der Mitarbeiter schüttelte den Kopf und meinte mit freundlicher Missbilligung: „Sie dürfen das Smartphone doch nicht ausschalten.“ „Und warum nicht? Geht es dann kaputt?“ „Nein, aber Sie müssen doch immer erreichbar sein.“ Ich klärte ihn auf: „Erstens bin ich mit dem Auto gekommen, und da ist mein Handy grundsätzlich ausgeschaltet. Und zweitens will ich gar nicht immer erreichbar sein.“ Der Gute sah mich fassungslos an. Jemand, der nicht immer erreichbar sein will, das passte absolut nicht in sein digitales Weltbild. Ich sah’s ihm an. Doch das scheint allgemein so zu sein: Wenn jemand auf Unerreichbarkeit pocht, stößt er auf Unverständnis. Jeder muss jederzeit und überall erreichbar sein, meint man. Mein Gott, muss man sich da noch wundern, dass die Leute sich selbst verlieren? Wer sich nicht mehr gelegentlich selbst besitzen darf, wird zum Getriebenen und kann irgendwann nicht mehr wirklich für andere da sein.

 

Es gab mal eine Zeit …

Vorweg: Ich will hier auf keinen Fall die alten, analogen Zeiten wieder heraufbeschwören. Dennoch möchte ich einige positiven Aspekte aus jener Zeite herausstellen, damit deutlich wird, was heute falsch läuft. Also, nur einige Beispiele, die stellvertretend für viele andere Sachverhalte stehen:

Es gab mal eine Zeit, da kostete ein Artikel im Wert von 20,00 DM (oder Schillinge oder was auch immer) auch 20,00 DM und nicht 19,99 DM. Dass die Welt solche „Neuner-Preise“ als normal empfindet, zeigt nur, wie wunderbar sich Konsummenschensassen verarschen lassen. Sind so blöd, die Leute, die merken gar nicht, wie bescheuert, ja pervers das alles ist.

Es gab mal eine Zeit, da konnte man im Herbst einen oder zwei Zentner Kartoffeln in die Kiste im Keller schütten, und die waren im Frühjahr immer noch genießbar. Sicher, sie keimten und wurden langsam etwas welk, waren aber ansonsten noch in Ordnung. Die Kartoffeln können stellvertretend für eine Unmenge von Lebensmitteln stehen.

Es gab mal eine Zeit, da konnte man den reinen, unverfälschten Tee mit sicherem Griff aus dem Regal ziehen. Da brauchte man noch nicht zehn Minuten vor den gefühlten 100 aromatisieren Teesorten stehen und schließlich ohne Tee weiterziehen, weil die gesuchte Sorte nicht verhanden war oder einfach übersehen wurde. Unüberschaubarkeit des Warenangebotes, gilt nicht nur für Tee, sondern (nur einige Beispiele) für Kosmetika, Waschmittel, Knäckebrot, Gurkenkonserven und und und …

Es gab mal eine Zeit, da  funktionierten Glühlampen (pardon: Leuchtmittel) etliche Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Ehrlich, die gab’s. Und die Hersteller waren stolz darauf, eine solche Qualität anbieten zu können.

Es gab mal eine Zeit, da konnte man einer Akkuzelle, die mit 2000 mAh ausgewiesen wurde, 2 Stunden lang einen Strom von 1A entnehmen. Na ja, in etwa jedenfalls. Heute machen solche Zellen schon schlapp, wenn gerade mal 600 oder 700 mAh rausgequetscht wurde (und das nur bei neuen Zellen). Sicher, man kann sich drauf einstellen: nur die Hälfte glauben, auch beim Spritverbrauch eines Autos, oder beim Nettogewicht von Seelachsfilet, der erstaunlich leichtgewichtig wird, wenn man nach dem Auftauen einfach das Wasser rauswringt, wie aus einem nassen Schwamm. Mit diesem Küchentip schließe ich meine Beobachtungen.

Klar, man darf

Die Frage erregt die Gemüter und entfacht eine Diskussion, wieder einmal: Soll man, darf man Killerroboter zulassen, also jene fliegenden, schwimmenden oder fahrenden Kampfmaschinen, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind und unbemannt möglichst viele Feine totmachen können? Da wird u.a. so etwas wie ein Ethikrat bemüht, obwohl es ziemlich schrill ist, in dem Zusammenhang überhaupt von Ethik und Moral zu sprechen. Überhaupt ist die ganze Diskussion einfach nur Quatsch. Warum soll man solche effektiven Kampfmaschinen nicht einsetzen? Weil hinter jedem Töten eine menschliche Entscheidung stehen muss? Weil es Kollateralschäden geben kann? Aber was ist, wenn man ganze Landstriche nach konventioneller Art vermint? Oder Bomben auf bewohnte Städte abwirft? Auch eine Frage von Ethik und Moral? Nein, künstlich-intelligente Killerroboter stellen keine neue Qualität dar, allenfalls eine Perfektionierung.

Dennoch hat man das unbestimmte Gefühl, mit solchen Killermaschinen eine Grenze zu überschreiten. Stimmt, es wird eine Grenze überschritten, doch warum soll speziell beim Töten von Menschen eine Grenze beachtet werden, die sonst überall (überall !) schon weit überschritten wurde, und das ohne Ethikrat oder irgendwelche gesellschaftlichen Skrupel? Längst haben die Menschen ihre Urteilsfähigkeit an künstliche Intelligenz delegiert; längst haben die Menschen ihre Entscheidungshoheit an Algorithmen abgegeben. Warum soll da das Abschlachten von Feinden eine Ausnahme sein? Außerdem werden auf der richtigen Seite (der eigenen natürlich) menschliche Opfer gespart. Ergibt doch ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis, oder?

Wenn man zudem in größeren zeitlichen Dimensionen plant, dann muss man feststellen, dass Killerroboter kaum mehr als Abschreckungscharakter haben, ähnlich wie knurrende Kampfhunde, die an der Leine zerren. Der wirkliche Krieg der modernen Zeit wird als Cyberwar übers Internet geführt werden, in Form von landesweiten, digitalen Brunnenvergiftungen. Aber auch diesbezüglich kann man optimistisch in die Zukunft schauen. Mindestens zwei bedeutsame Staaten werden auf jeden Fall überleben, denn die haben sich vom internationalen Internet abgeknipst oder sind dabei: China und Russland. Tröstlich.

 

Zutiefst dankbar

Ja, ich bin zutiefst dankbar für die „analogen“ Jahre, die ich leben und erleben durfte, bevor die Digitalisierung sich agressiv wie ein Geflecht von Metastasen über den Planeten ausbreitete. Ich bin dankbar für das Internet der ersten Jahre, für das Netz, das zwar auch schon anfällig und moralisch versumpft war, das aber zum Glück noch so unbedeutend war, dass es noch keinen so großen Schaden anrichten konnte wie heute. Ich bin dankbar für die Google-Suche, als sie noch nicht vom kommerziell geprägten Ranking verbogen war, sondern echte Hilfe leistete beim wichtigsten, das das Intenet zu bieten hat: bei der Beschaffung von sachlichen Informationen. Ich bin dankbar für das Internet, bevor es vom millionenfachen Bla–bla-Gesabbel geflutet wurde. Ich bin dankbar für die Kontakte, die zwar vergleichsweise selten, aber intensiv waren. Ich bin dankbar für die wenigen, aber wertvollen Fotos, die mir geschenkt wurden, bevor die gigantische Welle von multimedialem Streaming an mir und den Menschen vorbeirauschte – zu wertlos, um es zu behalten. Ich bin dankbar für die Zeit, als ich meine Daten noch schützen und als Teil meiner selbst wegschließen konnte.

Ich bin dankbar, dass ich beide Epochen, die analoge und die digitale, aus eigener Erfahrung vergleichen kann und nicht, wie die junge Generation heute, in der digitalen Schein- und Parallelwelt aufwachsen musste. Ich bin zutiefst dankbar, dass ich – wenn auch einen kleinen – Anteil an der Welt haben durfte und nicht von technischen Automatismen und Algorithmen in die Zange genommen wurde.

Danke