Konsumnarren und ähnliche Digitalisierungsprodukte

Wenn man Politikern und Medienvertretern zuhört, gibt es nur einen gangbaren Weg in die Zukunft, nämlich den der Digitalisierung, und das möglichst schnell und möglichst weitreichend. Nichts soll davon ausgenommen werden, selbst die Bildung an den Schulen soll umfassend digitalisiert werden. Kreide und Tafel? Pfui, das ist ja ein Vergehen an unserer Jugend.

Was allerdings Digitalisierung bedeutet, ich glaube, darüber machen sich die wenigsten Leute Gedanken. Ich bezweifle sogar, dass die meisten Digital-Missionare überhaupt wissen, was man unter „digital“ und „analog“ zu verstehen hat. Wenn, um nur ein Beispiel zu nennen, von einem „digitalen Parteitag“ die Rede ist, dann schimmert hier ein hohes Maß an sachlicher Unkenntnis durch.

Und so kann es nicht wirklich verwundern, dass die Leute blind in die „digitale Zukunft“ (auch so ein toller Begriff) hineinstolpern. Alle positiven Effekte der Digitalisierung werden gesehen (oder sich eingebildet) und als Fortschritt gerühmt; fast alle negativen Effekte übersieht man geflissentlich oder verdrängt sie, weil sie sich nicht mit dem Fortschrittsgedanken vertragen. Sicher, manche dieser Gefahren oder „Störungen“ rücken so langsam ins Bewusstsein der Zeitgenossen, wenngleich die Dimensionen noch nicht so richtig erfasst werden. Beispiel: Wenn es möglich ist, dass Hacker in die Server von Krankenhäusern eindringen, dann sollte man bedenken, dass Hacker mit etwas Mehraufwand lebenswichtige Strukturen ganzer Länder lahmlegen können. Die Vernichtungskriege der Zukunft erfolgen übers Internet. Schießgewehre und Atombomben? Spielzeug, kaum mehr als martialische Relikte aus der „analogen Vergangenheit“.

Und so gibt es mehrere Bereiche, wo man langsam beginnt, zumindest ein Unbehagen an sich heranzulassen. Eines aber ist bisher kaum in den Fokus von Kritikern gerückt, nämlich die Frage, was die Digitalsierung mit uns Menschen macht. Komfort und Bequemlichkeit? Klar doch, wir müssen unsern Hintern immer seltener aus dem bequemen Sessel hieven, und damit er nicht zu dick wird (der Hintern), lassen wir uns von digitalen Smartwatches oder Trackern durch die Gegend treiben. Zu blöd? Eigentlich schon, aber wir können dieses Gehabe ja ganz gut veredeln, indem wir das Etikett „Quantified Self“ oder sowas drüberkleben. Und uns natürlich überreden lassen, dran zu glauben.

Damit komme ich zum Kerngedanken dieses Beitrags: Was ist eigentlich mit uns geschehen, wenn wir uns hemmungslos von den digitalen Verlockungen treiben lassen? In meinen Beiträgen habe ich wiederholt darauf hingewiesen, dass das „digitale Leben“ die Menschen geistig und moralisch verkümmern lässt. Die Mechanismen, die das bewirken, sind unscheinbar, machen einen harmlosen Eindruck. Sie arbeiten langsam, leise und stetig, so wie die Tropfen, die auf Dauer einen Stein aushöhlen. Nein, ich will jetzt nicht schon wieder von den versteckten, zersetzenden Auswirkungen der sogenannten „sozialen“ Netzwerke sprechen, sondern auf einen völlig unverdächtigen Sachverhalt hinweisen, nämlich auf das Streaming.

Streaming – ein echter Digitalerfolg. Musik hören, was, wo und wann man möchte. Filme anschauen: jederzeit und überall, egal, ob mit dem TV-Gerät, Computer oder Smartphone. Bequemer geht’s nicht, üppiger Mediengenuss, so etwas wie ein Medien-Schlaraffenland, und das ziemlich kostengünstig und auch noch lecker zubereitet (also hochauflösend). Dass das Streaming ein arger Energiefresser ist, will ich hier nur am Rande anmerken.

Überfluss erzeugt auch Überdruss. Dinge, die so reichlich zur Verfügung stehen, dass man sich daran sattfressen kann, erzeugen Magenbeschwerden und werden kaum noch genossen, sondern nur noch hineingestopft. Ein Überangebot senkt den Wert, macht Dinge, die an und für sich durchaus gut und wertvoll sein können, zu wenig geschätzten Massenartikeln. Ich erinnere mich daran, wie unsere Töchter vor einigen Jahren ihre Videoabende organisierten, und zwar im Rahmen eines Freundeskreises. Zwei abgesprochene Filme wurden vom jeweligen Gastgeber in der Diskothek besorgt, ein Gast war für das Popcorn zuständig, ein anderer Gast für den Whisky, der nach dem zweiten Film probiert wurde. Und natürlich wurde diskutiert, über die Filme ebenso wie über den Geschmack der Whikysorte. Doppelter, gezielter Genuss, kein Massenkonsum. Abende, an die sich die Beteiligten immer wieder erinnerten. Casablanca mit Dirk Bogarde? Ach ja, da hatten wir doch den Talisker Storm von der Insel Skye probiert. Und Frank hat die Marseillaise angestimmt.

Genuss oder Massenkonsum. Das Streaming steht eindeutig für Massenkonsum. Und da die dahinter stehenden Geschäftsmodelle von Netflix oder Disney usw. auf Massen fokussiert sind, werden Neuproduktionen so gestaltet, dass sie den Geschmack möglichst vieler Konsumenten treffen. Wertvollere, künstlerische Produkte haben kaum noch eine Chance. Der Medienwissenschaftler Gerd Hallenberger spricht in diesem Zusammenhang von „glattgebügelten“ Eigenproduktionen.

Doch viel schlimmer noch sind die Algorithmen, die das Medienverhalten der Nutzer erkunden und auswerten. Jeder Nutzer soll das Gefühl haben, dass für ihn persönlich die richtigen Inhalte zur Verfügung stehen. Und so werden Vorschläge gemacht. Bei Netflix z.B. wird bei den Vorschlägen eine Übereinstimmung in Prozenten angegeben. Übereinstimmung womit? Klar, damit können nur die Vorlieben des Nutzers gemeint sein. Und so erhält man immer wieder das vorgeschlagen, was man halt gerne sieht. Wer es liebt, dass das Blut spritzt und die abgeschlagenen Köpfe durch die Gegend kullern, der wird an die Hand genommen und ind die Welt des Spartacus, des Cheruskers Arminius („Barbaren“) oder der wilden Wikinger geführt. Und wenn man schon da ist, dann ist man sicherlich auch empfänglich für die Neuverfilmungen der Schlachten rund um Troja. Reichlich Gelegenheit zu blutigem Gemetzel, Hauptsache, der Konsument mag es. [1]

So werden also die Streaming-Konsumenten an die Hand genommen und durch die digitalisierte Medienwelt geführt. „Die Streaming-Dienste empfehlen den Nutzern nicht das Beste, sondern nur, was am besten zu ihnen passt. Das führt zu einer radikalen Einengung von Vorlieben und Geschmack.“ (Gerd Hallenberger).  Markus Kleiner, Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft, sieht darin sogar eine Bedrohung der Demokratie, weil diese Leitmedien „uns abtrainieren, was wir brauchen, um mündige Bürger zu sein: allem voran die Fähigkeit zur selbstbestimmten Entscheidungsfindung.“ Die Selbstbestimmung, also der Kern wirklicher Freiheit, bleibt auf der Strecke. Kunden, so Markus Kleiner, werden zu Narzissten und „Konsum-Narren“ erzogen.

Tatsächlich liegen hier die größten Gefahren der Digitalisierung: Sie verändert die Menschen, und zwar zu ihrem Nachteil. Es geschieht unmerklich, schleichend, gekoppelt an Komfort-Mechanismen, die als angenehm empfunden werden. Die Menschen bezahlen die digitale Bequemlichkeit mit dem irreversiblen Verlust an Freiheit und Selbstbestimmung. Und die andere Seite, die Seite der Anbieter? Sie manipulieren Menschenmassen und generieren Gewinn – und Macht, das sind ausreichend Triebkräfte, um viele Tabus zu brechen und Werte auf die Müllhalde zu werfen.

Im übrigen ist das Streaming nicht die einzige bedenkliche Erscheinung der Digitalsierung. Eng verwandt mit dem Streaming ist die personenbezogene Werbung. Die Bezeichnung „Konsum-Narren“ trifft auch auf jene Zeitgenossen zu, die der Internetwerbung Beachtung schenken und sich gut beraten fühlen, wenn ein unsichtbarer Algorithmus ihnen ein Produkt empfiehlt. Anlass, mal über den Erfolg von Amazon nachzudenken – sofern man noch bereit ist, sich auf anstrengendes Denken einzulassen. Denn auch das Denken wird zunehmend algorithmisiert. Befreit von der Last des Denkens und der Entscheidungen, tanzen die fortschrittlichen Menschen fröhlich um das Goldene Kalb der Moderne – die künstliche Intelligenz.

[1] Persönliches Beispiel. Ich hatte mich probehalber bei Netflix angemeldet, um die Serie „Bad Banks“ mit brauchbaren Untertiteln verfolgen zu können. Zufällig stieß ich dabei auf die Serie „Spartacus“, und da mich die geschichtlichen Umstände im letzten Jahrhundert vor Christi sehr interessieren, habe ich einige Folgen der Serie angeschaut. Ich will es kurz machen: Blut, Blut, Blut – ein ständiges Gemetzel, zertrümmerte Schädel, herumfliegende, abgehackte Köpfe, herausgerissene Herzen, und wieder Blut, dass blubbernd im Sand der Arena versickert. Das alles extrem realistisch dargestellt. Sogar die Art und Weise, wie das Blut aus aufgeschnittenen Kehlen fließt, entspricht der Form des Schnittes. Perfekte Fluid-Simulationen, alles, was moderne Digitaltechnik hergibt. Und dann die Zuschauer auf den Rängen oder auf der Triibüne. Menschen, die vor Begeisterung brüllen, die angesichts des Gemetzels in Ekstase geraten; Frauen, die erregt und verzückt ihre Brüste entblößen, wenn in der Arena der Sieger sein Schwert langsam in den Hals des Unterlegenen schiebt. Oder, auch beliebt, in ein Auge stößt, so dass die Spitze am Hinterkopf wieder sichtbar austritt. Prominente, die sich betrogen fühlen, wenn ein Kampf nicht mit dem Tod eines der Gladiatoren endet.

Ich habe die Serie nicht zu Ende geschaut, denn diese Art von Darstellung stößt mich ab und fördert nicht die Spannung. Dann aber las ich irgendwo, dass etwa 80% der Betrachter die Serie gut finden. Ist diesen Betrachtern eigentlich klar, dass sie sich auf eine Stufe mit den Zuschauern in der antiken Arena stellen? Spaß an Grausamkeit und herumspritzendem Blut, auch heute noch. Aber zurück zum Streaming. Mein kurzes Hineinschauen in diese Serie bewirkte, dass Netflix mir ähnliche Produkte anbot: Barbaren (Gemetzel Germanen gegen Römer), Vikings (Gemetzel der Wikinger auf Raub- und Eroberungszügen) oder Troja (bekanntes Gemetzel außerhalb und innerhalb der Stadtmauern von Troja). Alle hatten eine „Übereinstimmung“ von über 95%. Nachdem ich jeweils kurz hineingeschaut hatte, war mein persönliches Vorliebenprofil perfekt. Netflix teilte es mir sogar in einer Mail mit: Töten, Grausamkeit, Blut, Folterung usw. sind die Schlüsselworte meines Profils. Und entsprechend sehen die Empfehlungen auf der Startseite von Netflix aus.

Soll ich bei Netflix mal eine Reihe langweiliger Heimatfilme anschauen, um mein Profil in harmlosere Bahnen zu lenken? Wer weiß denn überhaupt, wer Zugang zu den Netflix-Profilen hat? Nee, besser, ich melde mich ab, so schnell wie möglich.

 

 

Amazon und das Paket

Der Gegenstand dieser Geschichte ist ein Paket. Genauer: ein Paket von Amazon. Noch genauer: ein Paket, das vom Amazon-Zustelldienst „Prime“ verschludert wurde. Klar, dass da eine Menge Ärger mitspielt. Aber auch eine kleine Portion Amüsement ist dabei. Das alles ist jedoch kein Grund, die Angelegenheit öffentlich zu schildern. Erzählenswert ist die Geschichte vom Paket, weil sie einen eindrucksvollen Einblick in die Zustände einer total digitalisierten Welt bietet.

Aber von vorne. Ich bin kein großartiger Online-Einkäufer. Sicher, gelegentlich mal, wenn kein Laden in der Nähe ist, wo man den begehrten Artikel erstehen könnte. Und jetzt, in Corona-Zeiten geht sowieso vieles nur übers Netz. Also habe ich den dringend erforderlichen, technischen Gegenstand im Werte von knapp 50 Euro bei Amazon bestellt. Liefertermin sollte der 15.2.2021, also Rosenmontag sein. Nach Murphy hatte der Zusteller dann wohl zielgenau die halbe Stunde abgepasst, da ich mal kurz Luft schnappen ging. Jedenfalls fand ich am Tag drauf den Empfänger-verpasst-Zettel im Briefkasten mit dem angekreuzten HInweis, die Sendung sei an einem wichtigen Ort hinterlegt worden. „1 packet“ und „Gelbe Tone“ [1] hatte der Zusteller auf den Zettel gekritzelt.

Ich schaute in die gelbe Tonne, die nicht weit vom Briefkasten an der Hauswand in der Einfahrt stand. Leer bis auf den Grund, nicht die Spur eine Paketes. Geklaut? Ach nee, eigentlich eher unwahrscheinlich, wer bricht schon in gelbe Tonnen ein? Es dauerte einige Stunden, bis mir auf einmal der Sachverhalt klar wurde. Der Zusteller sah die gelbe Tonne, die halbgefüllt an der Wand stand und dachte sich wohl, dass das ein gutes Versteck sei. Und soo dreckig war der Verpackungsmüll ja auch nicht. Was der Gute nicht wissen konnte: Am Abend schob ich die Tonne ganz an die Straße, damit sie am nächsten Vormittag geleert werden konnte. Natürlich schaute ich nicht mehr hinein, wozu auch? Und so wanderte mein begehrtes Paket am Dienstagvormittag mitsamt dem Verpackungsmüll in den Müllwagen, und der Inhalt dürfte inzwischen wohl nach Wertstoffen getrennt worden sein.

Doch mein Zorn hielt nicht lange an. Im Grunde hatte der Zusteller gar nicht mal so verkehrt gedacht, denn schließlich stand die gelbe Tonne an der Wand und nicht an der Straße. Woher sollte der Zusteller wissen, dass am nächsten Tag die Tonne geleert wurde? Das Ganze war also eher ein Missgeschick mit einer amüsanten Note: Amazon als Universalversorger, der seine Aufgabe so ernst nimmt, dass er seine Ware gleich wieder entsorgt. Versorgungskomfort vom Anfang bis zum Ende. Oder Produktkontrolle während des gesamten Lebenszyklus des Produktes, einer der Kerngedanken von Industrie 4.0. Fortschrittlich, fürwahr.

Aber wissen sollten die es dennoch, ich meine, die Leute von Amazon. Doch wie dahinkommen? Als ich auf die Kundenservice-Seite ging und nach einer Kontakt-EMail-Adresse suchte, ahnte ich noch nicht, dass es da keine Leute gibt. Amazon ist ein digitales Konstrukt, und alles wird digital erledigt. EMail? Um Himmels willen, dazu braucht man ja Menschen, die das Zeug lesen können. Lesen – wer kann das noch, außer einigen Spezialisten, die im Grunde viel zu viel Personalkosten verursachen würden. Also nix mit Luft ablassen per EMail, keine Adresse.

Stattdessen wurde ein Chat angeboten. Mir schwante schon so einiges, als ich unschlüssig den Mauszeiger um den entsprechenden Button kreisen ließ. Dann ein entschlossener Klick, und Amazon reagierte umgehend. Mir wurde ein Chatpartner namens „Mansi“ an die Seite gestellt, um das Problem zu lösen. Einige freundliche Phrasen zur Eröffnung, etwas steif, aber doch von angemessener Höflichkeit. Dass Mansi kein Mensch aus Fleisch und Blut war, sondern ein Algorithmus, wurde mir schnell klar. Wie sollte ich dem von „künstlicher Intelligenz“ geleiteten Chatroboter nun beibringen, dass das betroffene Paket eben nicht, wie er mir wissend mitteilte, am 15.2. zugestellt wurde? Denn dass Mansi über gelbe Tonnen Bescheid wusste, war nicht zu erwarten.

Kurz: Je verzweifelter ich versuchte, den Mansi über unser Müllsystem zu informieren, desto länger ließ er sich Zeit mit der Antwort (am Schluss mehrere Minuten), desto stärker häuften sich seine Grammatikfehler, bis hin zu einem peinlichen Gestammel. Und die Anzahl der Vorschläge wurde größer. Höhepunkt: Sieben verschieden Antworten auf eine meiner Fragen, Antworten, die alle eines gemeinsam hatten: Es gab kaum eine Schnittmenge mit der Problemlage. Erst als ich Mansi entnervt mitteilte, dass mein Problem nun dank seiner Hilfe gelöst sei, begann er digital zu strahlen und gab mir eine Liste von guten Wünschen mit auf den Weg. Gesundheit war dabei, und Freude oder sowas. Ach Mansi, ein im Grunde netter Idiot, ein Algorithmus, der mal versucht, Mensch zu spielen.

Tatsächlich wurde ich an das Programm „Eliza“ erinnert, mit dem Joseph Weizenbaum vor einem halben Jahrhundert erste Versuche mit „künstlicher Intelligenz“ startete. Mein Gott, wie doof war doch Eliza, und wie köstlich haben wir uns mitunter amüsiert, wenn mal wieder etwas richtig Bescheuertes herauskam. Sind die KI-Wesen von heute viel schlauer? Ein bisschen vielleicht, aber wenn ich an den Chat denke … KI-Frage am Rande: Warum sucht ein Rasenroboter nicht das Weite, wenn man neben ihm steht und mit dem Vorschlaghammer ausholt? Er gilt doch als intelligent, wurde mit „deep learning“ ausgebildet.

Zurück zu dem vorzeitig entsorgten Paket. Es fiel mir zunächst noch schwer, es ganz aufzugeben. Sollte ich die andere, von Amazon angebotene, Option noch wahrnehmen, also Amazon bitten, mich anzurufen? Einen Moment lang war ich tatsächlich versucht, auf den entsprechenden Button zu klicken, aber dann fiel mir der Echo-Lautsprecher von Amazon ein, die dahinter stehende Sprachanalyse bzw. Sprachsynthese. Nein, eine weitere digitale Missgeburt musste ich mir nach Mansi nicht antun. Ich beschloss, die 50 Euro Unkosten als Gebühr für eine amüsante Lehrstunde in Sachen Digitalisierung aufzufassen.

Einige Tage später erhielt ich einen Anruf: Ein Mann sagte etwas ich einem kaum verständlichen, holprigen Deutsch mit starkem osteuropäischem Akzent. Einige Wörter konnte ich heraushören, zum Beispiel „Computer“, aber es reichte nicht, um einen Zusammenhang zu erkennen. [1] Ich legte entnervt auf. Erst später kam mir der flüchtige Gedanke, dass der Anrufer, engagiert von Mansi, etwas mit meinem entsorgten Paket zu tun haben könnte,.

Unabhängig von dem verschmerzbaren Paket wirft diese Begebenheit ein Licht auf die Digitalisierung allgemein. Überall dort, wo menschliche Anliegen und Algorithmen aufeinanderprallen, bestimmen die Algorithmen das Geschehen, nicht die betroffenen Menschen. Es liegt einfach in der Natur der Sache: Algorithmen sollen menschliches Handeln und Entscheiden durch automatisiertes Handeln und Entscheiden ersetzen, dafür werden sie programmiert und auch ständig weiter optimiert. Meistens funktioniert das ja ganz gut, doch wenn die digitalen Automatismen auf Situationen stoßen, die über den engen Gesichtskreis der Algorithmen hinausgehen, steht der Mensch einfach nur dumm da. Völlige Hilflosigkeit ist die Folge, wenn keine Menschen erreichbar sind. Algorithmen haben keinen Blick für Ausnahmefälle; sie kennen keine Barmherzigkeit und haben kein Auge, dass sie gelegentlich mal zudrücken könnten.

Man kann auch von einer gnadenlosen Entmenschlichung sprechen, aber das betrifft nicht nur die Kunden eines Digitalkonzerns oder die Bürger unter einer volldigitalisierten Verwaltung, sondern ebenfalls die unmittelbar eingebundenen Menschen, also z.B. die Mitarbeiter eines Betriebes. Sie müssen einfach nur funktionieren, reibungslos ihren Job in dem Getriebe verrichten – solange sie noch nicht durch Maschinen zu ersetzen sind. Die Rolle der menschlichen Mitarbeiter wird, bedingt durch technischen Fortschritt, immer bedeutungsloser und anspruchsloser, zumindest dort, wo ihre Tätigkeit von Algorithmen gesteuert wird. Minderqualifizierte, billige und austauschbare Arbeitskräfte beherrschen mehr und mehr den Arbeitsmarkt.

Damit möchte ich den Kreis mit einer weiteren Geschichte von einem Paket schließen. Es ist schon ein Jahr her, da lieferte mir irgendein Paketdienst ein Päckchen aus. Alles ganz normal. Was das für ein Paketdienst war, weiß ich nicht mehr, ich erinnere mich aber, dass der Zusteller so ein mobiles Gerät in der Hand hielt, auf dessen Display ich meinen Namen kritzeln musste. Ich machte wohl eine Bemerkung darüber, dass man das Gekritzel kaum lesen könne, und wir beide kamen kurz ins Gespräch. Der Zusteller war wohl zum Reden aufgelegt, und ich fragte ihn, ob er die Zeit dazu habe. Er hielt mir erneut das Gerät hin und erklärte mir den Sachverhalt: „Sehen Sie, es ist nun11:04 Uhr. Hier steht es, um 11:09 Uhr muss ich bei Hartmann in der Gartenstraße das nächste Paket abliefern. Das ist in fünf Minuten, aber bis dort brauche ich vielleicht eine Minute. Einen schönen Tag noch.“ Schmunzelnd ging er zum Auto zurück. Tja, dachte ich, ein zufriedenes Zahnrad im Getriebe. Und er sprach ein einwandfreies Deutsch. Überqualifiziert?

[1] Ich habe die sprachlichen Mängel bewusst nicht vertuscht, aber nicht, um die Beteiligten zu diskriminieren, sondern um einen Hinweis auf die Personalpolitik digitalisierter Konzerne zu liefern. Kundenkontakte ohne die Sprache der Kunden zu beherrschen sind den Kunden gegenüber eine Frechheit und den unbeholfenen Mitarbeitern gegenüber eine Quälerei. Ich könnte noch weitere Beispiele bringen, etwa das Vorgehen der Deutschen Glasfaser, als es um meinen Hausanschluss ging. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das neue Amerika

Als feststand, dass der Wüstling das Weiße Haus räumen musste, da brach in vielen Staaten der Welt. vor allem in Deutschland, beinahe so etwas wie Euphorie aus: Mit Biden wird alles besser, da werden wir endlich respektiert, da können wir die Leitlinien unserer Politik wieder selbst ausrichten, so wie vor 4 Jahren.

Doch dann, nach etwas nüchternerer Einschätzung, die Erkenntnis, dass auch unter Biden nicht alles akzeptiert wird, was wir in Germany so treiben. Es sind vor allem drei Punkte, bei denen die Amerikaner, egal ob Republikaner oder Demokraten, nach wie vor völlig anderer Meinung sind als wir Deutschen:

  • Ausgaben fürs Militär in Höhe von 2% des Bruttoinlandproduktes
  • Nordstream II
  • Verhältnis zu China

Tja, was soll man da machen? In die Schmollecke kriechen? Nein, besser: Seien wir doch ehrlich und aktzeptieren wir, dass die Amerikaner in allen drei Punkten zu 100% recht haben.

Die sind die leidigen Militärausgaben. Klar, es gibt in Deutschland eine gewisse pazifistische Tendenz, und das ist gut so in Anbetracht unserer Geschichte. Aber wenn wir ein Verteidigungsbündnis eingehen, wenn wir uns im Verteidigungsfall auf die Hilfe unserer Bündnispartner verlassen wollen, dann müssen wir auch die Absprachen erfüllen, und zwar umgehend und ohne Abstriche. Punkt. Wenn wir militärische Verpflichtungen eingehen, dann reicht es nicht, in allen möglichen Ländern nur zu beraten und auszubilden. Dann kann der Schutz unserer Soldaten nicht das wichtigste Ziel sein, sondern wir müssen ihnen zeigen, wo am Gewehr der Abzugshebel sitzt, damit sie andere beschützen können.

Dann Nordstream II. Ich will mal nicht drauf eingehen, ob wir dauerhaft soviel Erdgas benötigen, dass dieses zweite Ostseerohr erforderlich ist. Es geht vor allem darum, eine solche Infrastruktur nicht ohne den Rat und die Zustimmung unserer Freunde in Europa und (neuerdings wieder) in Amerika aufzubauen. Sicher, in wirtschaftlicher Hinsicht war Russland bzw. die Sowjetunion immer vertragstreu, sogar zu Zeiten des Kalten Krieges. Verlässlicher jedenfalls als ein Trump-Amerika. Aber die Zeiten haben sich geändert. Das Putin-Russland scheut offenbar nicht davor zurück, die Gaslieferungen als Erpressungsmittel zu verwenden. Nicht denkbar? Einfach mal die Ukraine fragen, die Menschen dort haben einschlägige Erfahrungen. Das heißt natürlich nicht, dass sich Deutschland erpresserischen Drohungen seitens der USA beugen muss. Aber Trump ist ja weg, also …

Schließlich China. Gut, die Chinesen waren Trumps Lieblingsfeinde, aber Hass auf einen bestimmten Staat, mag dieser er noch so agressiv daherkommen, ist kein guter Ratgeber. Andererseits ist es auch kein guter Gedanke, nur die riesigen Absatzmärkte eines Landes zu sehen. Konzerne, die auf derartige Absatzmärkte angewiesen sind, sind alles andere als gesund, und das Argument, dass wir China brauchen, um im globalen Wettbewerb erfolgreich sein zu können, verrät Kurzsichtigkeit und einen eingeschränkten Sehwinkel. Es sind nicht die deutschen Konzerne, die China wirtschaftlich erobern, sondern vielmehr duldet China die deutschen Konzerne, solange sie dem Wirtschaftswachstum im Riesenreich nutzen. Und solange lächelt man die stereotypen Forderungen nach mehr Menschenrechten weg. Ist ja nur vorübergehend; irgendwann braucht man die ausländischen Firmen nicht mehr. Dann lässt man sie fallen, wie heiße Kartoffeln.

Ach ja, Corona und die Digitalisierung

Eigentlich wollte ich gar nicht mehr über dieses ausgelutschte Thema schreiben, aber was ich heute in unserer Tageszeitung, der „Ibbenbürener Volkszeitung“ vorgesetzt bekam, brachte mich dermaßen auf die Palme, dass ich einfach Luft ablassen muss. Es war der Redakteur Elmar Ries, der im Artikel „Vollgas auf der Datenautobahn“ und dem Kommentar „Total digital“ gleich zweimal zuschlug.

Beginnen wir mit dem Kommentar. Keiner zweifelt daran, dass das Schulwesen besonders unter der Corona-Pandemie leidet. Und woran liegt es? Klar, nach Meinung des Kommentators ist einfach zu wenig digitalisiert worden. Hätten wir mehr Schwung in die Digitalisierung gebracht, dann müsste unser Schulsystem nicht so arg leiden. Aber wir haben’s verpennt, schreibt Ries, und so „fallen einem die Versäumnisse der Vergangenheit als fettes Problem vor die Füße.“ Und das, obwohl uns „viele Nachbarländer seit Jahren vormachen, wie das funktioniert“ (mit der Digitalisierung).

Tja, jetzt weiß ich’s. Die progressiven Nachbarländer haben offenbar keine Probleme mit dem Schulbetrieb während der Pandemie, und auch sonst sind sie uns rückständigen Deutschen so richtig überlegen, sonst würde man ja nicht so sehr ihren digitalen Fortschritt preisen. Sie haben offensichtlich ein besseres Gesundheitssystem, eilen uns in Forschung und Technik davon, haben stabilere Volkswirtschaften, schauen von einem höheren Lebensstandard auf uns herab usw. Oder?

Natürlich ist das Quatsch. Und die mangelnde Digitalisierung als Ursache für die Corona-Probleme heranzuziehen, ist einfach nur bescheuert. Jawohl, Herr Ries, total bescheuert. Als wenn irgend jemand vor einem Jahr voraussehen konnte, dass Digitalisierung eine Hilfe bei der schulischen Bewältigung einer noch nicht bekannten und noch nicht vorhersehbaren Pandemie sein könnte. Und als wenn irgend jemand imstande gewesen sein könnte, innerhalb von wenigen Monaten das „Versäumte“ nachzuholen. Nein, die Pandemie eignet sich nicht, um Gründe für eine beschleunigte Digitalisierung zu liefern. Was den Schulbetrieb betrifft, so halte ich diese Diskussion sogar für zynisch, weil Bildung ein Vorgang ist, der sich nicht ohne weiteres digitalisieren lässt. Es sei denn, man ist so oberflächlich, Bildung ausschließlich als reines Lernen zu betrachten. Nichts gegen Endgeräte in den Klassen und/oder zu Hause, aber mehr als eine Ergänzung dürfen die nicht sein. Werkzeuge wie Schulbücher und Füller.

Also wozu die von Ries geforderte digitale Offensive? Außer dem untauglichen Argument des HomeSchoolings (Scheißwort) nennt er in dem Kommentar keinen einzigen Grund.

Den fand ich dann in dem eigentlichen Artikel. Ries lobte die digitalen Anstrengungen im Kreis Coesfeld. Ziel sei, so der Breitbandkoordinator des Kreises, „dass jeder schon die Fußballweltmeisterschaft 2022 über einen Glasfaseranschluss in Ultra-HD schauen kann“. Da kommt natürlich Freude auf, und vor allem die Hoffnung, dass das qualvolle TV-Schauen mit der mickrigen Auflösung von 1920 x 1080 Pixeln bald ein Ende findet.

Aber ich muss gleichzeitig gestehen, dass ich den Artikel nicht richtig verstanden habe. Ries nennt zwei Wege, die digitale Infrastruktur voranzutreiben: das Kabel und das Breitband. Kabel oder Breitband als Alternativen? Kapier ich nicht. Ich war immer der Meinung, das Kabel sei eine der Möglichkeiten, um zu einem Breitbandbetrieb zu gelangen. Oder sind neuerdings gar nicht mehr die Frequenzbänder und deren Übertragungsdichte gemeint, wenn man von „Breitband“ spricht?

Egal, ich lasse mich gerne belehren. Im Zuge der Digitalisierung werden ohnehin manche Begriffe vermanscht: So bezeichnet man die Vernetzung als „Digitalisierung“, obwohl „Digitalisierung“ eigentlich etwas ganz anderes meint. Oder Google hat Internetadressen und Suchwörter in einen Topf gerührt, für logisch denkende und handelnde Leute keine Erleichterung, sondern eher Verwirrung, für geistig eher schwach ausgestattete Leute ein willkommener Komfort. Und so kann es ja auch sein, dass man unter „Breitband“ so etwas wie platte, breite Strippen meint, so wie die Elektro-Installationskabel, die unter Putz verlegt werden, im Gegensatz zu den runden Glasfaserkabeln. Das ergäbe Sinn.

Heute-Journal mit Pause

Es gibt gewisse Dinge, die kann ich einfach nicht mehr ertragen. Viele dieser Unerträglichkeiten spielen sich im TV ab, und zwar im ZDF, meinem bislang bevorzugten Sender.. Nicht, weil ich das Programm für besonders gut halte, sondern weil ich die relativ seriöse Berichterstattung in den Nachrichtensendungen schätze. Und da ich mir außer Nachrichten praktisch keine Sendungen anschaue, gibt es keinen zwingenden Grund, die 30 oder 45 Minuten persönliche TV-Zeit in einen anderen Kanal zu verlegen.

Dennoch wird der TV-Konsum für mich zusehends unerträglicher. Da ist zum Beispiel die Art und Weise, wie die Moderatoren mit den „Zugeschalteten“ umgehen: Marietta Slomka, die oft schon bei der zweiten oder dritten Frage regelrecht verbissen auftritt. Oder Klaus Kleber, der auf ziemlich arrogante Weise den Zugeschalteten in die Parade fährt, wenn er seine Gesprächsführungshoheit in Gefahr sieht. Selbst eher zurückhaltende Journalisten wie Theo Koll oder Shakuntala Banerjee werden zusehens agressiver gegenüber den Interviewten. Devise, die von der Nachrichtenredaktion ausgegeben wurde? Schade, denn journalistische Klarheit erlangt man nicht, indem man Gäste in die Enge treibt. Leute, die man festnagelt, können nicht mehr argumentieren, sondern nur noch zappeln. Jedenfalls verlasse ich den Raum für 10 Minuten, wenn Slomka die obligatorischen „Zugeschalteten“ interviewt. Vor allem, wenn die Gäste aus der Politik kommen. Heute-Journal mit Pause.

Völlig unerträglich ist für mich die sprachliche Verkrüpplelung in Form des angehängten und doch abgetrennten *Innen. Wer sich nicht damit anfreunden kann, dass die geschlechtsneutrale Form mit der maskulinen Form übereinstimmt, kann ja meinetwegen von „Journalistinnen und Journalisten“ reden, wenn ihr (ihm) das nicht zu lang ist, aber Journalist*Innen ist eine sprachliche Verkrüppelung. Gerade die deutsche Spache bietet viel Flexibilität, und man kann auch schon mal pfiffige Wortzusammensetzungen kreieren. aber dieser künstliche  Stolperlaut, dieser sprachliche Schluckauf ist einfach nur unangenehm und lässt mich jedesmal zusammenzucken. Vor allem, wenn Petra Gerster sich dieser Sprachdelle mit rhetorischer Präzision bedient, ist für mich die Sendung zu Ende. Dann geh‘ ich raus und komme wieder rein, wenn Gerster vom Bildschirm verschwunden ist. Die Frau eines Freundes äußerte vor kurzem mal: „Gerster? Die kann ich nicht ab, die wirkt auf mich zu unterkühlt. zu perfekt und zu arrogant.“ Na ja, solange sie keinen Gender-Schluckauf kriegt, habe ich persönlich nichts gegen sie.

Dann gibt es noch etwas, was wohl alle Sender betrifft. Natürlich bewegt uns der Impfstoff gegen Covid 19 in hohem Maße. Und natürlich wollen die Medien zu allem und jedem ein Bild oder eine Videosequenz bringen, sonst wissen die Leute von heute ja gar nicht mehr, worum es geht. Schlimmer noch: Sie könnten abschalten, wenn sie keine Bilder vorgesetzt bekommen. Und so habe ich in den letzten Tagen mindestens 40, 50 mal zusehen mussen, wie Ärzt*Innen eine lange Spitze tief in irgendeinen Oberarm rammen. Mal schwungvoll locker, mal verbissen angestrengt (tief genug?), mal sportlich energisch wie bei einem Dart-Werfer. Rekord: 4 mal in einem 5-minütigen Beitrag. Ich versuche zu verstehen, warum dieses Stechen immer wieder in Großaufnahme gezeigt wird, und komme zu dem Ergebnis, dass die Gestochenen dabei sowas wie ein Lustgefühl empfinden müssen. Doch warum unterdrückt man das Lustgestöhn? Man ist doch sonst nicht so pingelig, wenn es um Hintergrundgeräusche geht: Musik, die lauter ist als die Sprache des Kommentators, ausländische Gäste, die erfolgreich die Stimme des Simultan-Dometschers übertönen.

Mir fiel neulich wieder ein Bierdeckel in die Hände, auf dem vor einigen Jahren in einem irischen Pub mein Pint of Guinness stand. Ich habe den Deckel eingesteckt. Darauf ist ein Spruch von Henry G. Strauss zu lesen:

„I have every sympathy with the american who was so horrified by what he had read of the effects of smoking that he gave up reading“

Recht hat er, man muss nicht alle Unerträglichkeiten an sich heranlassen, sofern sie nur einen persönlich betreffen. Das silt sowohl für das lautstarke Getöse rund um den blauen Dunst als auch für banale Merkwürdigkeiten in der medialen Berichterstattung. Ich muss nicht „Heute“ schauen, es gibt Alternativen. Und ich muss mich nach diesen Stechorgien im Fernsehen nicht auch noch selbst beteiligen, indem ich mich impfen lasse.

Ach was, einfach das Fernsehgucken aufgeben. Vielleicht die beste Lösung: schlichtweg nichts mehr hören und sehen von der ganzen Scheiße ringsum.


P.S. Da kommt man ins Grübeln:

die Person – die Personen – die Boypersonen (Recht auch auf maskulinen Plural)
der Gast – die Gäste – die Gästinnen – die Gäst*innen
der Mensch – die Menschen und Menschinnen
das Kind – die Kinder – die Kinder*innen (Kinderrecht)
auch dies: herrlich – dämlich (aua)

Vorschlag: bei soviel sprachimmanenter Diskriminierung sollte man ernsthaft überlegen, die deutsche Sprache von Grund auf neu zu konzipieren. Dann kann man ja auch den Sternchen-Schluckauf reinbasteln und noch andere tolle Konstrukte. Und vielleicht finden sich sogar Wege, die dritte, vierte und fünfte sexuelle Orientierung sprachlich angemessen zu berücksichtigen. Am besten nur noch ein Geschlecht. So wie es keine Rassen mehr gibt, braucht man ja keine Unterscheidung zwischen weiblich und männlich mehr. Also, holt die Leute wieder zusammen, die schon vor Jahren die Rechtschreibreform auf die Beine gestellt haben, die haben nämlich Ahnung, wie wir erfahren durften.

 

Auch mal was Erheiterndes

2020 – das war wohl das beschissenste Jahr seit etlichen Jahrzehnten, ich glaube, da sind wohl alle derselben Meinung. Corona – ja, aber nicht nur. Da war (ist) noch der Wüstling und Erpresser im Weißen Haus, dann der Brexit, oder die querdenkenden Virenversprüher. Und das Netz, das nicht nur Bequemlichkeit und Effektivität schafft, sondern auch vor Hass, Lügen und Schmutz überquillt und die Gesellschaft verseucht; Politiker, deren Wortschatz immer mehr auf einen einzigen Begriff zusammenschrumpft: ‚Digitalisierung‘. Alles gut, wenn es erst mal digital ist. Mein Gott.

Freude? Im Beethoven-Jahr, in dem dieser Götterfunke in allen Winkeln besungen wird, funkt es überhaupt nicht. Um nicht total zu versauern, muss man sich an Ersatz klammern, zum Beispiel an Schadenfreude. Und wenn diese noch in komödiantischer Form angeregt wird, dann gibt es Grund, mal wieder auf die Knie zu klatschen und das Lachen neu zu versuchen.

Was ist geschehen? Nun, vor einigen Tagen wurde bekannt, dass in den USA ein schwerwiegender, erfolgreicher Hackerangriff auf sensible Strukturen im Netz stattgefunden hat. Die Hacker müssen sich schon seit längerer Zeit in den verbotenen Winkeln des Internets herumgetrieben und dabei wahrscheinlich so manchen dicken Datenbrocken eingesteckt haben. Auch lebenswichtige Versorgungsstrukturen sollen bedroht worden sein. Eine Attacke dieses Ausmaßes, so vermutet man, kann nur von einem Geheimdienst, vermutlich dem russischen, ausgegangen sein. Na ja, vermutet man jedenfalls. Ist ja auch naheliegend.

Und so sind die Betroffenen richtig sauer und toben. „Solche Verbrecher!“ – An diesem Punkt kommt Komik ins Spiel. Meine Güte, nun bleibt doch auf dem Teppich. Die Hacker machen doch nur ihren Job, egal bei welchem Geheimdienst, auch bei eurem eigenen. Eure Entrüstung ist doch nur vorgespielt, nichts anderes als Theaterdonner mit einem spürbaren Unterhaltungswert. So ähnlich wie die unvergessliche Szene, als Angela mit ihrem ausspionierten Smartphone in der Hand entrüstet sagte: „Spionieren unter Freunden, das geht gar nicht.“ Doch, Frau Merkel, das geht und wird gemacht. Ertragreicher ist natürlich das Ausspionieren von potentiellen Feinden.

Nur die Methode des Spionierens hat sich geändert. Man muss nicht mehr beherzte, mutige Leute mit getarnter Kamera in Feindesland schicken oder – besser – dort Leute als Agenten anwerben. Das geht heute bequemer, wie alles, was man digital macht. Irgendein Raum an irgendeiner Stelle in der Welt, egal ob im kalten Moskau, im dunstigen Peking oder auf einer kleinen Insel in der Karibik. Tasse Kaffee aufbrühen, Rechner einschalten, und schon ist man nur wenige Klicks von allen Orten der Welt entfernt. Nun ist vor allem Erfahrung, Geduld und IT-Wissen gefragt, mutige Helden braucht man nicht mehr.

Was diese bleichgesichtigen Hacker im Netz vorfinden, ist schon mehr als üppig. Da sind, direkt vor der Nase, die Türen zu den wichtigen Datenbereichen: Infrastruktur und Versorgung, Waffenentwicklung, militärische Pläne usw. Und dann liegen da, direkt vor den Füßen, die prallgefüllten Clouds, diese ganz, ganz dicken Datenbrocken. Sicher, da hängen Vorhängeschlösser an den Eingangstüren, in der IT-Sprache „Passwörter“ genannt. Manche kann man mit der Hand aufbiegen, aber meistens stecken hinter diesen schlecht gesicherten Türen unwichtige Klamotten. Es gibt natürlich auch dickere Schlösser, so an die 20 Zeichen, mit Ziffern gemischt usw. Kennen wir, Passwörter, bei denen man zur Eingabe eine zweite Person braucht, jemand, der die Zeichenfolge in Vierergruppen diktiert. Passwörter, die man in einer Kladde notieren muss, weil kein Mensch sie sich merken kann. Im Netz gibt es die Gegenstücke solcher Kladden, sowas wie Schlüsselschränke. Und wenn die Hacker da dran kommen, heißa, dann knallen die Korken.

Nun geht es vor allem darum, die Spuren zu verwischen, und genau das ist den Hackern im aktuellen Fall nicht dauerhaft gelungen. Also doch nicht so gute Arbeit. Aber kein Grund, traurig zu sein. Die Leute haben ganz bestimmt so manche Tür aufbekommen, ohne dass man noch auffällige Kratzspuren daran sieht. Im Ernstfall sind diese geknackten Türen wichtiger als Schießgewehre und Bomben da oben in der analogen Welt. Kriegsführung am Computer! Ist das nicht eine besonders saubere Abteilung der Digitalisierung? Kein Leichengestank, keine Trümmer, keine unangehm lärmenden Bomben. Einfach den Strom mit einigen Klicks abschalten, sagen wir für 4 Wochen. Das reicht. So geht Krieg machen heute. Kann ja auch sein, dass es ganz ohne Opfer abgeht, einfach mit Erpressung.

Also, die Mädels und Jungs in der Hackzentrale eures Geheimdienstes machen einen wichtigen Job. Und wenn ihr euch darüber aufregt, dass andere Staaten auch sowas kennen, dann wirkt das irgendwie lustig. Weniger lustig ist es, wenn Bescheuerte auf die Idee kommen, Sachen ins Internet zu packen, die da einfach nicht hineingehören. Russen und Chinesen sind da schon etwas schlauer, die haben nämlich gemerkt, dass man besser das inländische Netz vom globalen Internet abkoppelt. Die wissen wahrscheinlich, wie lächerlich das ganze Passwort- und Verschlüsselungsgehabe ist, denn jedes (!) Passwort, jeder (!) Codierungsschlüssel hat im Netz ein Gegenstück. Das muss man nur finden, wobei es auch außerhalb des Netzes, in der ganz analogen Welt, hochinteressante Zugänge gibt. Dazu muss man nur die menschlichen Schwächen kennen. Also ran, auf zum digitalen Abenteuerspielplatz.

Recht auf Unrecht

„Das war ein Riesenstück Arbeit.“ So oder so ähnlich beschrieb Angela Merkel die vielstündige Sitzung der Regierungschefs, bei der am Ende das herauskam, was im Grunde vorhersehbar war: Polen und Ungarn wurde das Recht zugestanden, ihre Staaten zu Unrechtsstaaten zu entwickeln. Sicher, das war in der Tat ein Riesenstück Arbeit, denn Europa ist sehr sehr stark, und um es zu zersetzen, muss man schon kräftig in die Hände spucken. Aber Merkel hat es geschafft.

Dabei waren die Chancen, hier endlich mal Klarheit zu schaffen, so gut wie nie. Polen und Ungarn haben bei ihrem gemeinsamen Erpressungsvorstoß hoch gepokert und in dreister Manier ihre empfindlichsten Seiten entblößt.. Es wäre ein leichtes gewesen, die beiden Staaten, die überhaupt nicht zu Europa gehören sondern lediglich Schmarotzer sind, gegen die Wand fahren zu lassen. Aber die raffinierten Lenker in diesen beiden Staaten kennen natürlich Merkel. Sie wissen, dass Merkels Kompromissbereitschaft keine Grenzen kennt. Man kann sich das Getuschel zwischen den beiden vorstellen. Polen: „Kann man das riskieren? Was ist, wenn die anderen einfach ohne uns beschließen? Dann stehen wir ohne Geld da.“ Ungarn: „Quatsch. Denk daran, dass Deutschland die Ratspräsidentschaft hat, und Merkel wird niemals nach Hause gehen, ohne einen Kompromiss auszuhandeln, den wir ohne weiteres als Sieg verbuchen können.“ Polen: „Au ja, und dann haben wir in Zukunft noch bessere Aussichten.“

Haben sie in der Tat. Tja, so ist das, Frau Merkel. Es wird Zeit, dass Deutschland mal wieder Rückgrat und Haltung zeigt. Und Zeit, dass Europa sich auf den gesunden Kern besinnt. Amputationen scheinen unumgänglich.

Wau wau !

Ich tippe bei meinem Smartphone auf das Icon von Chrome, weil ich einige Informationen über Hochdruckreiniger möchte. Eigentlich bevorzuge ich ja den Firefox, aber der kann auf meinem Android-Phone nicht richtig mit den auf Rasterbasis aufgebauten Webseiten (ein Entgegenkommen an das von Google geforderte responsive design) umgehen; immer wieder bleiben einige Blöcke schwarz. Also wohl oder übel der so beeindruckend unlogisch zu bedienende Chrome-Browser.

Hochdruckreiniger. Ich irre zwischen den Seiten umher. Informationen gibt es kaum, eigentlich nur kommerzielle Kaufangebote. Bei einer Seite bleibt Chrome hängen, wahrscheinlich weil der Verbindungsaufbau nicht klappt. Auf meinem PC würde ich nun den Browser beenden und wieder bei Null anfangen, aber unter Android geht das nicht. Selbst wenn ich auf die Smartphoneseite gehe, wo man alle Apps beenden kann, beharrt Chrome bei einem Neustart auf die angeforderte, zickige Seite – bis zum erlösenden Time-out. Selbst wenn ich das Phone ganz ausschalte, ist nach dem Neustart von Android und Chrome die alte Seite wieder da. Kein beruhigender Startbildschirm, immer irgendwo unterwegs.

Genau das ist natürlich die Absicht von Google und Apple. Es soll keine inaktiven Ruhepunkte geben, immer auf Achse sein, immer in Bereitschaft stehen. Die Konzerne wollen über das Smartphone führen, permanent. Diese Haltung ist Bestandteil des Geschäftsmodells, bei dem es ja auf ständigen Datenverkehr ankommt, und sie ist Bestandteil der Geschäftsauffassung, die danach strebt, die Benutzer nicht mehr zum Nachdenken und kritischen Reflektieren kommen zu lassen. Dynamik, die keinen kritischen Seitenblick zulässt.

In der Tat, über die Smartphones werden die Menschen wie an der Hundeleine geführt. Wenn ich sehe, wie die Leute im Laden oder in der Öffentlichkeit auf ihre Phones starren und darauf herumwischen wie verrückt, dann kommt es mir vor, als müssten sie gleich anfangen zu bellen. Wau wau!

Aber zurück zu den Hochdruckreinigern. Wirklich brauchbare Informationen konnte ich über das Smartphone nicht erzielen, und selbst die Preisangebote der kommerziellen Google-Fundseiten erschienen mir irgendwie nicht eindeutig. Werden einige Angebote immer teurer? Vielleicht sind einige Algorithmen auf mein Interesse aufmerksam geworden und haben dynamisch reagiert. Ich glaube, ich lasse mich doch lieber im Fachhandel vor Ort beraten. Also lege ich das Smartphone zur Seite, d.h. vorher mache ich  das, was ich mit jedem elektrischen Gerät mache, wenn ich es nicht mehr brauche: ich schalte das Ding aus. Und deshalb werde ich die Corona-App nicht installieren. Sie macht ja keinen Sinn, denn mein Smarty ist ausgeschaltet, und die Hundeleine hängt am Haken neben der Garderobe.

Maskerade

Ja, wenn ich es nicht vergesse, hänge ich mir die Maske vors Gesicht, denn ich sehe ein, dass sie einen gewissen (oft überschätzten) Beitrag zu Eindämmung der Corona-Inzidenz leisten kann. Dieses Virus ist dermaßen ansteckend, dass jede Abwehrmöglichkeit in Betracht gezogen werden muss. Was die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen betrifft: Ich finde diese Marktschreier mit ihrem dumm-dreisten Querdenkgehabe einfach nur zum Kotzen. Protestieren, weil es dabei so schön in der Buxe kitzelt. Ihr Protest ist so absurd, dass man von einer unterhaltsamen Gesellschafts-Groteske sprechen könnte – wenn es da nicht die gefährlichen Allianzen gäbe. Querdenker, Reichsbürger und AfD-Anhänger – eine verdammt unappetitliche und bedrohliche Zusammenrottung.

Dennoch muss ich kein Freund dieser Masken sein, die man komischerweise als „Alltagsmasken“ bezeichnet. Will man damit etwas Alltägliches, etwas Selbstverständliches zum Ausdruck bringen? Das darf es nie werden. Wenn vor einigen Tagen ein Virologe von einem kleinen, nicht wirklich störenden Lappen vor Mund und Nase sprach, dann ist das meines Erachtens ein zynische Bagatellisierung. Eine Bagatelle ist die Maske auf keinen Fall, sie stellt nach meiner Auffassung sogar eine Perversion des menschlichen Miteinanders da. Aber in Notzeiten darf man in der Wahl der Mittel nicht zimperlich sein, das Corona-Virus ist es ja auch nicht.

Was aber unbedingt vonnöten ist: Wir sollten uns immer vor Augen halten, dass die Alltagsmasken nicht mehr als eine vorübergehende Schutzmaßnahme sein können und dürfen. Sollte es gelingen, das Virus demnächst endgültig auf die chinesischen Wochenmärkte zurückzudrängen (oder ins Virenzentrum von Wuhan?), dann sollten wir uns alle ganz schnell die Masken vom Gesicht reißen. Eine Maskerade auf Dauer, etwas infolge eines Gewöhnungseffektes, wäre schlimm für die Gesellschaft, die ohnehin schon infolge der Digitalisierung immer unpersönlicher wird.

Werkzeuge

Ein nahezu fanatischer Internetanhänger wurde in einer TV-Gesprächsrunde mit den Schäden konfrontiert, die der Smartphonegebrauch insbesondere bei Kindern und Jugendlichen anrichten kann. Seine Antwort darauf war der Vergleich mit einem Hammer. Mit einem solchen Werkzeug könne man viel Nützliches zustande bringen, aber man könne damit aber auch anderen Menschen den Kopf einschlagen. Es komme also auf den richtigen Gebrauch des Werkzeugs an.

Und so denke ich drüber nach, wie man richtig mit Werkzeugen umgeht. Man pflegt sie, klar. Man schließt sie weg, wenn damit Unfug getrieben werden kann. Man beachtet die Sicherheitsvorkehrungen. Man legt es nach Gebrauch an den dafür vorgesehenen Platz, damit es immer griffbereit ist. Und wenn es ein elektrisches Werkzeug ist, dann schaltet man es vor dem Gebrauch ein und nach dem Gebrauch wieder aus. Ist doch logisch, oder?

Genau so handhabe ich mein Smartphone, ein in bestimmten Situationen durchaus nützliches Werkzeug. Wenn ich telefonieren oder sonstwas damit machen will, schalte ich es ein, verwende es und schalte es danach wieder aus. Wenn ich vermute, dass ich es unterwegs gebrauchen könnte, stecke ich es ausgeschaltet in die Tasche. Meistens bleibt es im ausgeschalteten Zustand, denn für das meiste, was ich unterwegs machen kann, gibt es bessere Geräte. Also – wo ist das Problem?

Eines allerdings werde ich nie machen. Ich werde mich nie von einem ständig eingeschalteten Smartphone durch die Gegend treiben lassen. ICH bestimme mein Leben, nicht mein Smartphone, und zu einem selbstbestimmten Leben gehört neben der Privatsphäre [1] auch die Möglichkeit, mich unerreichbar zu machen. Meine Freunde haben damit kein Problem; sie wissen, wann und wie ich erreichbar bin. Unerwünschte Anrufer mögen sich vielleicht ärgern. Sollen sie.

Habe ich nun deutlich genug zum Ausdruck gebracht, warum ich die Corona-App nicht installiere?

[1] Das Smartphone ist eine äußerst wirkungsvolle Abhöranlage, nur übertroffen vom SmartHome und dicht gefolgt vom smarten Auto.