Zahnräder. Das ist Digitalisierung !

Der Paketzusteller klingelt. Ich bin im Keller und kann nicht so schnell nach oben, aber ich erwische den Zusteller noch, bevor er ins Auto einsteigt. Während ich versuche, auf seinem Dingsbums meine Unterschrift zu hinterlegen, entschuldige ich mich dafür, dass er warten musste. „Macht nichts“, sagte er und grinste. Dann zeigte er mir eine Liste. „Sehen sie hier. Um 14:37 muss ich beim Nächsten sein, das ist da vorne um die Ecke. Also noch 4 Minuten Zeit. Da stecken noch mindestens 2 Minuten Wartezeit drin.“ „Ja, wenn das so ist“, sage ich und wünsche ihm noch einen guten Tag.

Tja, so ist das. Menschen müssen passgenau funktionieren, so wie Zahnräder. Die Digitalisierung macht aus Menschen Zahnräder. Kaum jemand, der über die Chancen der Digitalisierung schwärmt, spricht von den Menschen, die ja nicht ganz unbeteiligt sind. Digitale Zukunft? Das ist eine eiskalte, perfekt funktionierende und unmenschliche Welt.

 

Digitalpakt: Genau das ist das Problem

Auf der Jugendseite unserer lokalen Tageszeitung wurde vor einigen Tagen erläutert, worum es beim Digitalpakt der Bundesregierung geht: Whiteboards, Tablets, VR-Brillen und natürlich eine schnelle Internetanbindung sollen die Lernmöglichkeiten in den Schulen verbessern. Grundsätzlich ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn moderne Technik auch in der Schule eingesetzt wird – vorausgesetzt, man geht richtig und pädgogisch durchdacht damit um.

Was sinnvoll ist, können letzten Endes nur die Lehrer an den Schulen entscheiden; weder Politiker (einschließlich der Kultusminister) noch Vertreter der IT-Branche und Medienvertreter sind kompetent genug, hier Vorgaben zu machen zu dürfen. Wie das ist, wenn sich Laien zu Wort melden, wird in dem genannten Zeitungsartikel deutlich: „In den meisten Schulen wird mit Stiften in Hefte geschrieben. Die Sätze und Zeichnungen könnte man auch gleich in ein Laptop oder ein Tablet notieren.“

Dieser Satz klingt so harmlos und auf den ersten Blick auch plausibel. Sicher, technisch gesehen ist es effektiver, auf handschriftliche Notizen und Niederschriften zu verzichten. Aber kein verantwortungsbewusster Lehrer wird auf Heft und Stift verzichten wollen, denn in der Schule geht es nicht um Technik, sondern um Kinder! Technik als Ergänzung, ja, aber nicht als Ersatz von bewährten, dauerhaft gültigen Methoden.

Kackwort Nr. 3: „Smart“

Zugegeben, ich hatte immer gewissse Vorbehalte gegenüber dem „Smarten“. Smarte Menschen sind mir zu glitschig, zu oberflächlich; sie sind angenehm, haben aber zu wenig Tiefe. In der Computertechnik steht das Smarte für Bequemlichkeit und Komfort, ohne die inneren Zusammenhänge verstehen zu müssen. Nun hat das Smarte das Internet erobert, ja, es wird vielfach sogar mit der Vernetzung gleichgesetzt. Das hat etwas Peinliches an sich, vor allem aber etwas Gefährliches.

Die IT-Industrie, aber auch die Sekundärindustrie, die vernetzungsfähige Dinge herstellt, befriedigt mit dem Attribut „smart“ den Wunsch nach Komfort und Sicherheit, obwohl es sich meistens nur um Scheinkomfort und vorgegaukelte Sicherheit handelt. Die Menschen hören „smart“ und fallen drauf rein. Peinlich.

Gefährlich ist die smarte Welle jedoch, weil sie fast ausschließlich aufs Internet setzt. Das Internet wird bereits erheblich überstrapaziert, und das Versprechen, übers Internet für mehr Sicherheit zu sorgen, ist mehr als leichtfertig. Das Internet ist nicht sicher und kann es nie werden, zumindest nicht in dem Maße, dass die Steuerung wichtiger Vorgänge übers Netz gerechtfertigt wäre. Auch viele Dinge, die über das Internet so herrlich komfortabel und angenehm erledigt werden können (soziale Medien z.B.), haben gefährliche und zersetzende Nebenwirkungen. Nein, „smart“ ist eine gefährliche Verführung, eigentlich genau das, was „smart“ in der negativen Bedeutung des Wortes meint.

 

Kackwort Nr. 2: „App“

Die Apps sind über die Menschheit hergefallen wie die Heuschrecken über das alte Ägypten. Man kann kaum einen Schritt gehen, ohne dass einem diese Apps um die Ohren fliegen. Dabei hat der Begriff „App“ etwas Peinliches an sich. Und etwas Zerstörerisches.

„App“ ist ein Kunstwort, von der Firma Apple aus „Apple“ und „application“ zusammengezogen und auf 3 Buchstaben komprimiert. Eigentlich ein genialer Slogan für ein Apple-Produkt, aber auch nicht mehr als ein Slogan. Dass sie praktisch die gesamte Menschheit an einen Werbeslogan hängt, ist überaus peinlich.

Doch viel schlimmer ist das, wofür diese „Apps“ stehen. Es sind im Grunde Programme, die aber – und das ist das Fatale an den Dingern – nicht vom Besitzer eines Computers oder Mobilgerätes installiert werden, auch wenn es so aussieht. Nein, Apps werden grundsätzlich von einem App-Store installiert, aktualisiert und kontrolliert. Die Verwalter der App-Stores, also Google oder Apple, ergreifen damit quasi Besitz vom Smartphone oder Tablet. Und sie nutzen diese Besitzergreifung reichlich aus, indem sie z.B. über die App Kameradaten auf den Server schaufeln. Oder das, was gesprochen wird. Oder die GPS-Daten, die Auskunft über den augenblicklichen Standort des Smartphone-Bedieners geben. Die mit allen möglichen Sensoren ausgestatteten mobilen Computer können aus der Ferne gesteuert werden: dabei gehören diese Geräte zu den privatesten Dingen der Menschen. Aber sie gehören ihnen nicht wirklich, und dafür sorgen die wohlweislich geplanten Apps.

 

Kackwort Nr. 1: „Digitalisierung“

Immer, wenn ich dieses Wort höre, und das geschieht verdammt oft, viel zu oft, dann muss ich mich zusammenreißen, um nicht aus der Haut zu fahren. Ich kann dieses Kackwort nicht mehr hören. Zum einen hat der Begriff etwas Peinliches an sich, zum anderen beschreibt er etwas, was in die falsche Richtung geht und mehr Schaden anrichtet als Nutzen stiftet.

Peinlich deshalb, weil ja hauptsächlich das Internet gemeint ist und Digitalisierung an sich etwas anderes meint. Hinter dem Gebrauch des Begriffs steckt eine gehörige Portion von Halb- und Unwissen. Und wenn sich so ein Begriff dennoch festsetzt und Allgemeingut wird, dann deutet das auf eine oberflächliche Einstellung hin. Pardon, aber wenn ein im Grunde gebildeter Mensch (z.B. ein Politiker) in naiver Weise von „Digitalisierung“ spricht, dann empfinde ich das als peinlich.

Doch Sprache wird durch ihren Gebrauch geformt, und letzten Endes ist es nicht so erheblich, wie man die Sache nennt. Viel entscheidender ist, dass die Vernetzung, die an und für sich so viel Potenzial hat, sich zu einem destruktiven, ja gefährlichen Instrumentarium entwickelt hat, und zwar deshalb, weil die Falschen das Netz kontrollieren und die Vernünftigen sich einfach nur treiben lassen. Das Internet ist wie eine gigantische Welle, die genügend Energie hat, um viel Positives bewirken zu können. Aber kaum jemand fühlt sich imstande oder auch nur motiviert, diese Energie vernünftig zu nutzen. Man wählt den einfacheren Weg. Man reitet auf der Welle herum und lässt sich treiben. Das damit verbundene Hochgefühl wird noch verstärkt, indem man diesem Wellenreiten noch etwas Gutes abzugewinnen glaubt. Typisch dafür ist die „Digitalisierung“ der Schulen. Und die Wellenmacher in den großen Konzernen, die mit diesem Volksvergnügen Miliarden verdienen, lachen sich ins Fäustchen, vergrößern ihre Wellenmaschinen (Server genannt) ständig und füttern sie mit hochbrisantem Treibstoff (künstliche Intelligenz genannt).