Gendersprache – Lösungsvorschläge

Egal, wie man das sprachliche Gendern anstellt, es ist entweder lästig („liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Zuhörerinnen und Zuhörer, Ehrengäste und Ehrengästinnen“) oder einfach nur peinlich und widerlich („liebe Zuhörer * Innen und Teilnehmer * Innen“). So abstoßend aber das Sternchengendern mit dem abgetrennten „Innen“ auch sein mag, einen Vorteil hat es: Es verdeutlicht die Unmöglichkeit, die deutsche Sprache flüssig und doch gendergerecht (was immer das heißen mag) zu gestalten. Zu unangenehm ist diese Unterbrechnung, zu unvollkommen das Bemühen, allen Geschlechtern gerecht zu werden, zu rissig die dazu erforderlichen grammatischen Strukturen.

Also doch keine gendergerechte Sprache? Ach was, natürlich sollten wir nicht aufgeben. Um etwas zu erreichen, muss man zuerst mal die Hindernisse erkennen und aus dem Weg räumen. Die Hinternisse zeichnen sich doch in aller Deutlichkeit ab: Es ist das grammatische Geschlecht, das überhaupt nicht zum biologischen Geschlecht passen will. Ja, wenn es nur um Personenbezeichnungen ginge, dann wäre vielleicht noch was machbar, aber das grammatische Geschlecht durchdringt ja die gesamte Sprache; es steckt in den Nomen, in den Artikeln, in etlichen Pronomen.

Und deshalb mein Vorschlag Nummer eins: Bringen wir doch alle Wortbildungen, die je nach grammischem Geschlecht unterschiedlich ausfallen, auf eine einzige, geschlechtsneutrale Form. Also keine „…innen“ mehr, kein „der oder die“ mehr, keine „eine oder meine“ mehr usw. Sicher, kein leichtes Unterfangen, aber das glatte Ergebnis wird die zu erwartende, jahrzehntelange Mühe lohnen. Im übrigen können wir uns ja an der englischen Sprache orientieren. „Mein Mädchenfreund“, das klingt doch gar nicht schlecht, oder?

Und damit auch gleich zu meinem zweiten Vorschlag, eine ultimative Lösung: Führen wir doch verbindlich das Englisch als offizielle Amtssprache ein. Was sollen wir Deutschen noch mit einer Sprache, die sich für das extrem wichtige Anliegen einer formal-gendergerechten Formulierung nicht wirklich eignet? Wir können die deutsche Sprache in ihrer reinen, aber leider diskriminierenden Form ja konservieren und als Kulturerbe einbalsamieren. So wie Latein.

Doch nun höre ich schon die Proteste: Was für ein Frevel, die deutsche Sprache, dieses kostbare Kulturgut, einfach beiseite zu schieben. Habe ich Kulturgut gehört? Das Gendersternchen ist dabei, dieses Gut nachhaltig zu zertrümmern. Sollte es sich fest in der Sprache einnisten, dann gibt es nichts Wertvolles mehr zu bewahren.

Also halblang bitte. Im übrigen ist die „Transformation“ vom Deutschen ins Englische ohnehin schon weit fortgeschritten. Hören wir uns nur mal die Sprache in der Werbung, im Einzelhandel (speziell Bekleidung), in der Industrie oder in den Manager-Etagen der deutschen Konzerne an. Pardon, Korrektur: Beim Managerkauderwelsch handelt es sich um eine Fachsprache, so wie bei den Ärzten. Fachsprachen sind kein Kulturgut, weil sie nicht auf allgemeine Verständlichkeit ausgelegt sind. Sicher, sie dienen dem fachlichen Informationsaustausch, sollen aber auch elitäre Gruppen abgrenzen und Außenstehende in Unwissenheit lassen. Gab’s früher schon, nämlich als der Kleraus sich von den ihnen ausgelieferten Laien durch Latein abgrenzte.

Jana Pareigis und das leidige Gendersternchen

Es war ein regelrechtes Highlight, als Jana Pareigis zum ersten Mal eine Heute-Sendung moderierte. Ja, es tat gut, wie sie frisch und souverän zur Sache ging. Dazu noch ihre unverkennbare Migrations-Herkunft. Toll. Ich hatte auf der Stelle eine neue Lieblings-Moderatorin, und ich war bestrebt, keine ihrer Sendungen zu verpassen.

Dann, nach einigen Sendungen, der Hammer: das erste Sternchengendern. Welche Sorte von *Innen sie ansprach, weiß ich nicht mehr, jedenfalls zuckte ich zusammen und starrte ungläubig auf den Bildschirm. Die auch?  dachte ich, und alle Hoffnungen, die ich in die Neue gesetzt hatte, fielen in sich zusammen.

Einige Folgesendungen, die ich anfangs noch riskierte, wiesen die Pareigis sogar als eifrige Sternchen-Genderin aus; kaum noch eine Sendung, wo sie nicht mindestens einmal den *Innen-Schluckauf praktizierte. Und da Pareigis zu einer eher spitzen Artikulation neigt, fallen die *Innen-Worttrümmer besonders scharfkantig und verletzend aus.

Das war’s dann wohl. Wenn Janas Gesicht auf dem Bildschirm auftaucht, schalte ich fast panikartig einen anderen Kanal ein – oder ich verlasse den Raum. Die Sprache, dieses elementarste und wichtigste Kulturgut, ist mir zu wertvoll, um ihrer Zerstörung zuhören zu können.

Ich glaube, die eifrigen Sternchengender*Innen wissen gar nicht mal, worum es wirklich geht, sie gendern einfach im Chor der Superschlauen mit. Wenn ich das (berechtigte !) Anliegen des Genderns richtig verstehe, dann geht es doch wohl darum, Diskriminierung, also das Absondern von bestimmten Gesellschaftsgruppen zu vermeiden. Anders herum: Es soll die Integration in eine Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Mitglieder fördern. Sprachlich wird man am einfachsten diesem Anliegen gerecht, wenn Begriffe benutzt werden, die auf alle Personen zutreffen. Wenn man zum Beispiel von den Passanten an einer Straßenkreuzung spricht, dann ist ja wohl jedem klar, dass sowohl weibliche als auch männliche  Verkehrsteilnehmer gemeint sind. „Passanten“ ist also ein integrierender, geschlechtsneutraler Begriff. Vielleicht sollte man das grammatische Konstrukt des „generischen Maskulinums“ durch ein „generisches Neutrum“ ersetzen, dann wäre schon viel gewonnen.

Auch wenn man die Doppelform des Plurals verwendet, also von „Passantinnen und Passanten“ spricht, ist das in Ordnung, denn die Konjunktion „und“ verbindet ja die beiden Wörter und wirkt somit integrierend. Dass es nur wenige Fälle gibt, wo die doppelte Pluralform sinnvoll oder gar notwendig ist, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ganz anders der Genderstern. Er reißt auseinander, zerstückelt Wörter, ohne dass sich aus den Bruchstücken immer vollständige Begriffe rekonstruieren lassen. Das Gendersternchen integriert nicht, sondern diskriminiert. Außerdem regt dieser immerhin noch geregelte Sprachmissbrauch zu einem Umgang mit Sprache an, der zu absurden Sprachkonstrukten führen kann. So sprach eine Reporterin im Fernsehen von einer „Kanzlerinnenschaft“. Nein, ich habe mich nicht verhört; dieses Wort ist tatsächlich gefallen. Ob vielleicht noch ein unausgesprochendes Sternchen darin steckte, kann ich nicht sagen, spielt auch keine Rolle. Sprache zum Kotzen.

 

Genderstern – Nummer 2

Nein, ich habe absolut nichts gegen „Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, „Friseurmeister und Friseurmeisterinnen“, „Vorstandsvorsitzende und Vorstandsvorsitzend …“ (hoppla, geht nicht, also nur männliche Vorsitzende, da die Sprache keine weiblichen hergibt, verdammich auch). Ich habe auch nichts dagegen, wenn ausschließlich von „Besucherinnen“ eines Konzerts gesprochen wird, denn ich weiß ja, dass auch Jungs dabei sind. Also, kein Problem. Probleme bereitet nur die Unsittte des Unterbrechungslauts beim Sternchengendern, denn da zuckt man als sprachsensibler Zeitgenosse zusammen als bekäme man eine Ohrfeige. Aua, das tut wirklich weh.

Doch ich habe mich entschlossen, diese sprachliche Zerstückelung nach Möglichkeit zu ertragen und nicht mehr so wichtig zu nehmen. Stattdessen eine milde Kommentierung: Ah, da ist sie ja wieder, diese Sternchenkönigin. Oder dieser Schluckaufexperte. Ok, mitunter, wenn ich nicht ganz gut drauf bin, dann greife ich auch schon mal zu etwas deutlicheren Bezeichnungen wie „Genderkuh“ oder „Sternchenochse“. Ich gebe auch gerne zu, dass ich inzwischen eine beachtliche Herde von Gender-Rindvieh auf der Weide habe, wobei das ZDF stark zur Vermehrung beigetragen hat. Und wenn der Gender-Schluckauf zu massiv daherkommt, dann lassen sich die Bezeichnungen noch aussagekräfiter gestalen (au ja), aber die kann ich hier nicht wiedergeben.

Und so nehme ich mir vor, das Muhen auf der Genderweide mit Gelassenheit zu ertragen. Tschüs, liebe Zeitgenoss*En*Innen*Annen*Onnen*Unnen. (Habe ich nun alle Geschlechter erfasst?)

Auf zum fröhlichen Gendern

Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich; er (gemeint ist der Mensch, der auch weiblich sein kann) hat den gleichen Anspruch auf Wahrung seiner Würde wie alle anderen. Diese Maxime ist absolut und bedarf keiner Begründung oder Eingrenzung. Nur mit der Sprache hapert es noch. Deshalb, quasi als Einstieg in die folgenden Gedankengänge, eine kleine Umformulierung, bei der wir „Mensch“ durch „Person“ ersetzen: Jede Person ist vor dem Gesetz gleich; sie (gemeint ist die Person, die auch männlich sein kann) hat den gleichen Anspruch auf Wahrung ihrer Würde.

Hmm, da deutet sich eine arge Zwickmühle an: Was nützen uns die besten Absichten, was nützen uns die klarsten Bekenntnisse, wenn uns die sprachlichen Mittel fehlen, um sie gebührend umzusetzen? Dabei hat man nach landläufiger Meinung die Sprache als Ursache für eklatante Missstände in der Gesellschaft ausgemacht. Wer im Netz Hass und Hetze verbreitet, wird sich irgendwann womöglich steigern und zum Messer greifen. Oder andere dazu verleiten. Wer lauthals über Moscheen und Synagogen schimpft, gehört zu der Gruppe von Menschen, die irgendwann aktiv werden können, zuerst mit der Farb-Spraydose, dann mit Molotowcocktails. Wer sich abwertend über das andere Geschlecht äußert, dessen Hand könnte sehr schnell im Umgang mit dem anderen Geschlecht ausrutschen.

Dieser Kausalzusammenhang, demzufolge viele Handlungen und Einstellungen eine unmittelbare Folge von verfehltem Sprachgebrauch sind, führt folgerichtig zu dem Kerngedanken, bei der Sprache anzusetzen, um gesellschaftliche Verbesserungen zu erzielen. Und da eines der Grundübel unserer Gesellschaft immer noch die Diskriminierung von Menschen mit anderem Geschlecht bzw. mit anderen sexuellen Orientierungen ist, versucht man nun, das Übel an der Wurzel zu packen, das heißt bei der Sprache. Es geht also um eine „gendergerechte Sprache“. Sogar der Duden-Verlag hat sich diesem Anliegen verpflichtet und steht vor einem Paradigmenwechsel. Er versteht sich nicht mehr als Beobachter und Hüter einer natürlich wachsenden Sprache, sondern als Schöpfer einer künstlich-synthetischen Sprache mit klarem politischen Anspruch. Was natürlich auch das wohlige Gefühl von Macht und Einflussmöglichkeit vermittelt. Und wenn da eine gewisse Anfälligkeit für fundamentalistische Anschauungen mitspielt – was soll’s. Zeitströmungen vermögen manches in den Rang ener Errungenschaft zu heben.

Aber schauen wir uns doch mal an, wo das Problem liegt. Als Beispiel nehmen wir irgendein Open-Air-Konzert (Corona lassen wir mal beseite). Riesenverfolg, in den Medien wird anschließend berichtet, dass es 15000 begeisterte Besucher gegeben hat. Da zuckt man förmlich zusammen; hat es keine Besucherinnen gegeben? Und wenn doch, hat man die einfach nicht mitgezählt, quasi nicht beachtet? Waren es in Wirklichkeit 30000? Wenn man nur die männliche Pluralform benutzt, dann muss man ja förmlich annehmen, dass eine reine Männergesellschaft da herumrockte. Das ist nicht nur Diskriminierung, sondern eine klare journalistische Lüge. Oder?

Erste Zwischenbemerkung: Wenn Sie, lieb(e)(r) Leser(in), das Gefühl haben, dass bei meinen Äußerungen so etwas wie zarte Ironie mitschwingt, dann ist Ihre Antenne schon ganz gut ausgerichtet.

Bis vor einigen Jahrzehnten spielte dieser Missstand keine bedeutende Rolle. Waren es Feministinnen, die schließlich auf die sprachliche Diskrininierung des weiblichen Teils der Bevölkerung aufmerksam machten?  Egal, jedenfalls sprach man mehr und mehr beide Geschlechter an. Man sprach also nicht mehr von den Lehrern, sondern von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern, von Hündinnen und Rüden. Absolut korrekt, aber irgendwie ein bisschen umständlich. Besonders deutlich wurde das in letzter Zeit bei der Berichterstattung über Corona-Maßnahmen. Da traten sie regelmäßig zusammen, die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Für Politikerinnen und Politiker, die ja immer viel zu erzählen haben, stellte dieses Ungetüm (16 Silben) ein arges Hindernis dar, das sie mit Redeschwung zu überwinden versuchten. Es wurde schnell mal ein „Ministerpräsidentin und Ministerpräsidenten“ daraus, schließlich sogar „Misterpräsidentn und Misterpräsidentn“. Heißa, es lebe die flüssige Sprache.

Also nicht ideal, diese doppelte Ansprache, und ich  kann verstehen, dass man sie nicht konsequent anwandte. Gelegentlich mal, um die eigene, gendergerechte Einstellung zu unterstreichen. Und so kann es nicht verwundern, dass man seit einigen Jahren nach bequemeren Lösungen sucht. Schließlich, liebe Leser*In, stieß man auf das Gendersternchen. Ok, wenn’s um die Schriftsprache geht, ist manches möglich; wir haben uns ja inzwischen auch an die Großschreibung mitten im Wort gewöhnt: eMail, ZuschauerIn usw. Papier und Datenträger sind geduldig, da kann man zusammenbasteln, was der anloge oder digitale Setzkasten hergibt.

Doch Sprache wird ja auch – gesprochen. Da wird’s allerdings etwas schwieriger. Unterbrechung mitten im Wort, so eine Art Schluckauf? Dabei protestieren einige Stimmbänder, die in Sachen Gendergerechtigkeit noch ungeübt sind. Mündliche Sprache strebt nämlich nach flüssigem Ablauf und sperrt sich etwas dagegen, mitten im Wort eine Schweige-Zehntelsekunde für Geschlechtergerechtigkeit einzulegen. Natürlich kann man den Genderunterbrechungsschluckauf üben, und einige sprachgewandte Zeitgenossen in Medien und Politik haben ihn schon ganz gut drauf. Ich denke da an Klaus Kleber, Petra Gerster (ehemals) oder Jana Pareigis. Beeindruckend, wie diese Leute das sprachliche Stolpern beherrschen und dabei gekonnt ein verlegenes Grinsen unterdrücken. Meisterleistung – sprachlich und mimisch. Drei Person*Innen, die – ei der Daus – alle beim ZDF wirken.

Zweite Zwischenbemerkung: Tut mir leid, aber ganz ohne Sarkasmus kann ich das Thema nicht abarbeiten. Mal sehen, ob ich noch deutlicher werden muss.

Leider ist nicht jeder ein Sprechpausenkünstler, und so ist zu erwarten, dass die meisten Leute die Genderfurche einfach verschleifen, glatt machen. Dann wird aus „Besucher … Innen“ schließlich nur noch „Besucherinnen“. Auch kein Malheur, denn es gibt deutliche Anzeichen, dass ein Jahrhundert der Frauen angebrochen ist. Warum zur Abwechslung also nicht mal ein Matriarchat? Wir Männer sind noch nicht so empfindsam, wenn es um Geschlechtergerechtigkeit geht – solange wir noch einige Hebel in der Hand behalten.

Doch mit fortschreitendem Gendern und schleichendem Verlust an Einfluss werden auch die Männer sensibler, und sie werden sich fragen, wo sie denn bleiben, wenn zum Beispiel die „Journalist*Innen“ angesprochen werden. Der männliche Plural ist ja wohl „Journalisten“. Also doppeltes Gendern? Ginge ja, etwa so: „Journalist*en*innen“. Oder (Ladies first): „Journalist*innen*en“. Oder wir schneiden das Maskulinum aus der Rippe des Femininums, wie weiland mit umgekehrten Vorzeichen bei Adam und Eva. Dann hätten wir „Journalist*inn*en“. Wow. Noch ein paar Beispiele? Wie wär’s mit „Friseur*e*innen“? Oder „Amateur*innen*e“? Gleich noch ein Vorschlag: Wenn wir schon dabei sind, unsere Sprache neu zu formen, warum dann nicht auch so Dinge  wie „Mensch*Innen“ oder „Brüder*Innen-lichkeit“?

Manchmal frage ich mich, wie es unsere europäischen Nachbar*Innen machen. Liebe Engländer*Innen, habt ihr ähnliche Sprachprobleme wie die weiblichen und männlichen Teutonen? Oder fragen wir mal die Einwohner von Frankreich, die ja Wert auf sprachliche Eleganz legen. Wie soll ich sie anreden, etwa mit „Liebe Französ*Innen“? Aua, tut weh, also besser doch „liebe Franzos*Innen“? Ach, lassen wir’s, sollen die sich doch selber mit dem Genderproblem herumschlagen. Oder haben sie gar mit einem so künstlich geschaffenen Problem nichts zu tun? Wahrscheinlich nicht, glückliche Franzosen.

Zwischenbemerkung Nummer drei: Sorry, aber nun wird’s wirklich drastisch. Hoffentlich gelingt es mir, nicht beleidigend zu werden.

Das Gendern wurde ja erfunden, um die Menschen aller Geschlechter (wieviel gibt es inzwischen?) und aller geschlechtlichen Orientierungen anzusprechen, was im Prinzip nur beim Plural erforderlich ist. Im Singular lassen sich die Leute ja direkt mit dem passenden Genus ansprechen, meistens jedenfalls. Also Plural. Dennoch gibt es Versuche, auch im Singular zu gendern. So empörte sich eine junge Dame in irgendeiner Fernsehsendung darüber, dass zu viele Menschen Probleme mit dem Gendersternchen hätten. Ja, sie selbst sei eine Feminist*In. Dazu kann ich nur sagen: Du bist keine Feministin oder Feminist*In, sondern ganz einfach eine blöde Kuh. Und da du für mich Singular bist, kann ich mich auf die weibliche Form beschränken und den Ochsen außen vor lassen. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass Ochsen in dem hier geschilderten Kontext keine Rolle spielen. Wenn man mal in die Parteizentralen oder einige Redaktionen hineinschaut …

Schwieriger wird der Fall bei einer Nachrichtensprecherin, die von „unserer Bundeskanzler*In“ sprach. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das akustisch richtig verstanden habe; immerhin halte ich die Moderatorin für durchaus kompetent. Vielleicht wollte sie das Gendern in den öffentlich-rechtlichen Medien auch nur auf die Schippe nehmen. Will ich mal annehmen.

Aber es gibt trotzdem einige Situationen, wo gendergerechte Sprache auch im Singular bedeutsam werden könnte. Beispiel: „Der Betrachter wird sofort von der freundlichen Stimmung, die das Gemälde ausstrahlt, berührt.“ Klar, kann natürlich auch eine Betrachterin sein, auf jeden Fall aber ist eine Einzelperson gemeint, die vor dem Bild steht. Hier wird das Gendersternchen so richtig gefordert, weil zusätzlich zur Person noch ein Artikel gegendert werden müsste. Also: „Die*der Betrachter*In …“ usw. Könnte es sein, dass das Sternchengendern sich überhaupt nicht mit der gewachsenen Sprache verträgt und eine völlig neu konstruierte Sprache erfordert? Oder könnte es sein, dass das Sternchengendern eine total bescheuerte Angelegenheit ist? Oder sollen wird einfach die Klappe halten und nichts mehr sagen? Und natürlich die Ohren zuhalten und nichts mehr hören? Wäre vielleicht keine schlechte Alternative.

Vielleicht versuchen wir’s mit einem völlig anderen Ansatz: Wir arbeiten daran, unsere innere Gesinnung frei von Diskriminierungen zu halten. Dann würde die sprachliche Äußerung nebensächlich, und wir hätten keine Probleme, wenn die geschlechtsneutrale Pluralform mit der femininen oder maskulinen Pluralform übereinstimmt. Wenn es nicht offensichtlich ist, dass alle Geschlechter gemeint sind, kann man ja immer noch die verschiedenen Pluralformen einzeln nennen. Vielleicht sollten wir weniger die formalen Aspekte betonen und stattdessen das in den Vordergrund rücken, was der Mensch mit dem Hören, Sprechen oder Lesen von Sprache verbindet. Oder einfach mal über den Unterschied zwischen dem grammatischen und biologischen Geschlecht nachdenken. Auch darüber, ob das lächerliche Herumeiern mit einem sprachfremden Unterbrechungslaut den Betroffenen nicht mehr schadet als nützt.

Vielleicht sollte man auch mal über die Bedeutung von Political Correctness im Sprachgebrauch nachdenken. Oberflächliches Sprachwohlverhalten, das am Kern der Sache vorbeigeht. Denken wir an die lächerliche Umbenennung der „Zigeunersauce“ in „Paprikasauce“. Oder die Benachteiligung der „indigenen Bevölkerung“ Amerikas. Als einsichtiger Sprachbenutzer habe ich das Etikett „Indianerbücher“ am Bücherregal ausgetauscht. Da steht nun korrekt „Nordamerika-Indigenen-Literatur“. Jetzt kann mir keiner mehr was wollen. Bei der Gelegenheit habe ich auch die CD vernichtet, auf der Alexandra den „Zigeunerjungen“ besingt. Bücher- und Medienverbrennung V 2.0?  Da gibt es etliches, dass ich eigenlich den Flammen übergeben müsste: Karl May, Wilhelm Busch usw. Und natürlich meine Sammlung von „Ein Herz und eine Seele“. Der neue Mensch ist halt kein Mensch einer schwammigen inneren Gesinnung, sondern der Mensch einer korrekten Sprache. Nicht der schwer kontrollierbare Inhalt soll nach Meinung der Genderer im Fokus stehen, sondern die jederzeit überprüfbare Fassade, die Oberfläche. Wenn die nämlich in Ordnung ist, wird’s drinnen auch wohl stimmen. Meint man, wie gesagt.

Zeitgerechte Hinwendung zum Formalen, leicht zu digitalisieren übrigens. Und algorithmisch präzise zu kontrollieren und zu beurteilen, was viel Erfolg verspricht. Auf in eine bessere Zukunft.

Ja, die deutsche Sprache. Dichterinnen und Dichtern wie Droste-Hülshoff, Schiller oder Fontane reichten die sprachlichen Mittel aus, um wahrhaft schöne und intensive Werke zu schaffen; Philosophen wie Kant oder Schopenhauer vermochten mit der deutschen Sprache die kompliziertesten Gedanken zu formulieren. Natürlich wurde die Sprache auch missbraucht, etwa wenn ein Josef Goebbels die Massen mobilisierte. Aber auch das belegt nur die Mächtigkeit der gewachsenen Sprache. Und nun die Leute, die der Meinung sind, dass man sie nicht meint, wenn man sie nicht ausdrücklich erwähnt. Diesen Leuten ist die herkömmliche Sprache nicht genug; sie wollen eine eigene Sprache, die ihren gesellschaftlich-politischen Absichten entgegenkommt. Dass sie dabei die gewachsenen Strukturen im wahrsten Sinne des Worten mit der Sternkeule zertrümmern, ist ihnen egal. Welch abscheuliche Hybris.


Nachtrag: Gestern konnte ich folgendes Gender-Highlight im TV bewundern: eine junge Dame sprach lautstark und akzentuiert von „Arbeiter*Innen-Familien“. Heißa, da eröffnen sich ja völlig neue Perspektiven: Schüler*Innen-Zeitung, Gläubiger*Innen-Ansprüche, Kund*Inn*En-Toilette (klingt doch nicht schlecht, oder?), Anfänger*Innen-Kurs usw. usw. Tausende von Möglichkeiten bieten sich hier, ein völlig neues Schlachtfeld, auf dem sich die fahnenschwenkenden Kämpfer*Innen für Geschlechtergleichheit bewähren können. Gendersternchen in Bestimmungswörtern, wirklich, da geht noch einiges auf dem Weg in die neue Sprache.

Klar, diese Art der Verwendung des Gendersternchens entlarvt im Grunde das gesamte Sternchengendern als eine primitive Zerstörung gewachsener Sprachstrukturen. Was nicht bösartig gemeint sein muss, aber ein deutliches Zeichen von mangelnder Sprachsensibilität ist. Beim Anfänger*Innen-Kurs geht es doch um die Voraussetzungen für die Teilnahme, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Und dem*der Kursleiter*In ist es in der Regel auch scheißegal, ob sich da weibliche oder männliche Teilnehmer*Innnen melden. Und wenn es ihm*ihr nicht egal sein sollte, aus welchem Grunde auch immer, dann hilft das Gendersternchen auch nicht.

Sprachtrümmer, um ein gesellschaftlichers Problem anzugehen? Mein Gott, das Gendersternchen macht aus dem berechtigten Anliegen einer diskriminierungsfreien Sprache eine mehr als unappetitliche, abstoßende Angelegenheit.  Und die Leute in Politik und Medienwelt, die den Genderschluckauf in aller Öffentlichkeit praktizieren, wirken entsprechend peinlich. Es ist wie ein lautes Rülpsen bei Tisch.


Und noch ein Nachtrag: Wie von mir nicht anders erwartet, kümmert sich insbesondere das ZDF einen Scheißdreck um sprachlich gewachsene Strukturen und praktiziert das Sternchengendern besonders häufig. Für mich ist das dermaßen unerträglich. dass ich mehrmals spontan die Kiste während einer Nachrichtensendung ausgeschaltet habe. Inzwischen bin ich so weit, dass ich auf den Sender völlig verzichte. Sollen die doch herumgendern, bis ihnen das Sternchen im Hals steckenbleibt. Tschüs, ZDF.

Ransomware

Immer häufiger schlagen die Internetkriminellen zu. „Besorgniserregend“ nennen es inzwischen einige Zeitgenossen, auch solche, die bisher vor allem durch ihre Blauäugigkeit in Erscheinung getreten sind. Immerhin.

Was ist geschehen? Ein besonders dreister Angriff mittels Ransomware. Tausende von Servern wurden lahmgelegt, und die Urheber forderten für das Aufheben der Verschlüsselung ein Lösegeld von 60 Millionen Dollar. Oder 70 Millionen, egal. Wie immer geht es im Umgang mit derlei Fiesem um drei Dinge: Ursachen, Folgen und Vermeidung ähnlicher Schadensfälle in der Zukunft.

Ursachen. Als Verursacher hat man eine kriminelle, russische Hackergruppe ausgemacht. Kann auch eine staatlich gelenkte Gruppe sein, aber das ist unerheblich, da die Grenzen in Putins Reich fließend sind. Vielleicht waren es auch gar keine Russen. Auf jeden Fall kann man die Bösewichter wohl nicht schnappen, und die Welt muss ertragen, dass sie weiter aktiv sein werden. Mit steigender Tendenz. Aber eines muss man ebenfalls sehen: Gut sind sie, diese Leute, verdammt gut.

Folgen. Na ja, so schlimm ist dieser Einzelfall ja gar nicht. Was sind schon 60 Millionen Lösegeld oder 600 Millionen für die Behebung des Schadens. Sicher, es summiert sich, da die Hackerangriffe sich häufen, und insgesamt kommen da schon etliche Milliarden heraus. Dennoch ist das alles noch überschaubar, weil die Lösegeldforderer sich ja melden müssen. Wirklich gefährliche Hacker mit nationalen Interessen und mit nationaler Unterstützung arbeiten verdeckt. Sie halten die Entdeckung von Schwachstellen geheim und pflegen sie. Sie ölen die Angeln an den Türen, die vom Feind als sicher angenommen werden, durch die man aber im Ernstfall bequem in die zentralen Kommandostellen eindringen kann. Dieser Ernstfall ist mit 100 Millionen Dollar nicht zu beheben, auch nicht mit 100 Milliarden. Dabei geht es um die Existenz ganzer Länder.

Absicherung. Klar, digitalerleuchtete Fachmenschen wissen, was zu tun ist. Betriebe und Verwaltungen müssen mehr in die Sicherheit investieren, und ansonsten: tolle (= unbrauchbare) Passwörter und auf jeden Fall Verschlüsselung der Daten. Dass alle Passwörter auf irgendeinem Weg zu knacken sind, und dass auch verschlüsselte Daten zerstört bzw. erneut verschlüsselt werden können, spricht man nicht aus. Das würde ja die Zuversicht in die digitale Zukunft beeinträchtigen. Und ganz nebenbei. Wie will man die Millionen von Privatrechnern im Home-Office absichern? Wie will man die Datenreinheit des ganzen smarten Hauskrimskrams garantieren? Wie will man die Clouds vor Turbolenzen schützen? Und vor allem: Wie will man die vielen, vielen Sicherheitslücken, die noch unentdeckt in den völlig undurchschaubaren und überfrachteten Betriebssystemen schlummern (Tendenz steigend), aufdecken?

Das Internet ist definitiv nicht abzusichern. Das eine, globale Netz, in dem man von jedem Ort aus alle Orte in der Welt erreichen kann, verspricht zwar digitales Glück, ist aber sicherheitsmäßig nur eine Utopie. Das funktioniert nicht, kann gar nicht funktionieren. Stellen wir uns vor, wir würden (und könnten) all unsere Warenströme einschließlich des Verteidigungsmaterials kreuz und quer durch alle Länder der Erde schicken. Etwa so: Hamburg – Moskau – Riad – Bremen. Natürlich wären die Fahrzeuge mit Schlössern gesichert, wären die Schlüssel irgendwo versteckt (Passwörter). Natürlich würden die Inhalte vorübergehend unbrauchbar gemacht (Verschlüsselung). Dennoch ein mulmiges Gefühl? Zu recht, aber genau so funktioniert das Internet.

Bleibt noch zu berichten, wie ich privat mit der strukturellen Unsicherheit des Internets umgehe. Ich arbeite viel mit dem Computer, sehr viel sogar. So programmiere ich intensiv, befasse mich mit Algorithmen usw. Ich schreibe relativ viel, bearbeite und verwalte eine Unmenge von Fotos. Ich schaue mir Filme auf DVDs an, gestalte Dinge für den 3D-Drucker mit Blender, gestalte Seiten für meine Homepage. Usw. Für all diese Tätigkeiten, die etwa 90% meiner Computerarbeit ausmachen, benötige ich kein Internet. Folgerichtig benutze ich dafür einen Rechner ohne Intenetanbindung; so brauche ich mich nicht mit Hackerangriffen herumzuschlagen, und meine sensiblen, persönlichen Daten verlassen nicht meine 4 Wände. Ja, wenn ich gelegentlich mal etwas unter Windows erledigen muss, starte ich Windows XP (jawohl, richtig gelesen: XP) mit seiner klaren Bedienungsoberfläche. Nach XP ging’s ja nur noch bergab.

Sicher, ganz ohne Internet geht es auch bei mir nicht. Dazu setze ich mich an den anderen Rechner, aber hier gilt die eiserne Devise: Ins Internet geht es nur unter Linux. Sollten wichtige Daten anfallen (der meiste Kram aus dem Internet ist relativ wertlos und schnell zu ersetzen), dann werden sie mittels Transport-Festplatte in den sicheren (= internetfreien) Rechner befördert.

Im übrigen gehe ich nicht davon aus, dass bei mir die Bedeutung des Internets zunimmt, denn das Netz wird immer sperriger und unbrauchbarer. Trotz Glasfaseranschluss muss ich seit einigen Wochen mitunter bis zu 3 Minuten warten, bevor eine Seite geladen ist. Erinnerung an alte Modem-Zeiten. Und die Suchmaschine von Google? Nur ein Beispiel: Ich suchte nach Informationen über den Vogel Condor. Fehleanzeige, nur Hinweise auf kommerzielle Seiten. Endlose Liste von Firmen, die „Condor“ im Namen enthalten, und natürlich auch Links zum berühmten Flugzeug mit den Delta-Flügeln, meistens auch mit kommerziellem Bezug. Sachliche Informationen? Uninteressant für Google, weil damit keine Moneten zu verdienen sind. Ab in die hinteren Reihen. Die kommerzielle Versumpfung in Form von Werbeeinnahmen ist neben der prinzipiellen Unsicherheit der zweite faule Stamm, auf dem das Internet gelagert ist.

 

Sanktionen

Über den letzten Schurkenstreich von Alexander Lukaschenko brauche ich wohl kein Wort zu verlieren. Und dass Putin gerne den einen oder anderen Folterknecht unter seine stinkende Decke kriechen lässt, ist ebenfalls weithin bekannt.

Hier soll es vielmehr um die Reaktion der westlichen Staaten gehen. Sicher, diese Art von Luftpiraterie kann man nicht einfach hinnehmen, da sind sich (ausnahmsweise) alle EU-Staaten einig. Unsere oberste Politikerin, Frau Merkel, zeigt sich entsetzt und verurteilt die Vorgänge in Belarus als „beispiellos“ und „inakzeptabel“. Huh, bei solch scharfen Worten muss beim Alexander ja der Angschweiß ausbrechen.

Immerhin ist der Westen entschlossen, zu schärferen Mitteln zu greifen. Na ja, man denkt darüber nach, ob man in Erwägung ziehen sollte, ernsthaft  zu überlegen, ob man echte Sanktionen in Betracht ziehen sollte. Dauert natürlich, und dass Groll und Empörung langsam im Sand versickern, ist ein probates Mittel von Realpolitik. Überhaupt ist Zeitgewinn geeignet, der Vernunft einen Raum zu geben. Inzwischen mehren sich die bekannten Stimmen der Vernunft, die darauf pochen, auf jeden Fall mit den Machthabern in Belarus im Gespräch zu bleiben. Und was Sanktionen betrifft, so müsse man darauf achten, dass nicht die Bevölkerung, sondern nur die Machthaber getroffen werden. Außerdem dürfen wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen nicht nachhaltig gestört werden, gerade wenn sie so schwach ausgeprägt sind wie die zwischen Deutschland und Weißrussland.

Also bleibt es dabei – von ein paar oberflächlichen Piksen abgesehen. Die Welt hat ja bereits einschlägige Erfahrungen im Zuschauen. Denken wir nur an die Passivität der Staaten, als – für alle unübersehbar – unser Adolf den Holocaust vorbereitete. Auch die Kriegsabsichten mit den vorhersehbaren Folgen waren deutlich zu erkennen, spätestens nach dem Einfall in Polen. Oder denken wir an die Gottergebenheit, mit der Europa zuschaut, wie der neue Sultan die Türkei zugrunde richtet, ja sogar einen Teil Syriens besetzt. Realpolitik. Oder Schwanz einkneifen um des Vorteils willen, Argumente dafür lassen sich immer finden. Wie im Theater: Man sitzt im Zuschauerraum und betrachtet das Geschehen auf der Bühne mit dem wohligen Gefühl, das alles ja nur Theater ist. Und angesichts des grauenvollen Theaterspiels auf der Weltbühne treten erneut die Vernünftigen auf, die nach diplomatischen Lösungen rufen. Vernünftig wirkungslos.

Nun hat der Politverbrecher von Minsk noch ein widerliches Stück draufgesetzt. Der entführte Systemkritiker wurde vor die Kamera gesetzt und durfte sein Loblied auf Lukaschenko und seine Bande singen. Natürlich ist der Gesang unter Folter oder zumindest unter Androhung von Folter zustande gekommen. Kann eine Politikerbande noch dreckiger agieren? Wie wird Lukaschenko überhaupt enden? So wie der rumänische Diktator, Nicolae Ceausescu, erschossen und in die Gosse geworfen? Oder wie Benito Mussonini, öffentlich an den Beinen aufgehängt? Ja, ich weiß, dass solche Gedanken nicht mit dem rechtsstaatlichen Prinzip vereinbar sind, aber die Henker stehen auch im Fall Lukaschenko doch schon bereit, und zwar in Form des misshandelten, aufgebrachten Volkes. Doch vielleicht gewährt ihm am Ende ein anderer Politverbrecher Asyl. Lukaschenko und Putin sind ja nicht die einzigen dieser Sorte.

 

 

Zynische Verarschung

Die Datenschutzgrundverordnung bringt es ans Licht: Die meisten (fast alle) Webseiten verwenden Cookies. Nötig oder sinnvoll sind diese Dinger bei den allerwenigsten Internetseiten. Da fragt man sich natürlich, wozu die Cookies verwendet werden. Oder, besser gesagt, missbraucht werden. Hinzu kommt noch, dass die aufploppenden Banner, mit denen um die Zustimmung für Cookies geworben wird, einfach nur nerven.

Bemerkenswert sind vor allem die Texte, mit denen der Besucher aufgefordert wird, seine Zustimmung zu den Cookies zu geben. Fast alle sind so formuliert, dass man den Einrduck gewinnt, ohne die Zustimmung gar nicht erst auf die Seite zu gelangen. Höhepunkt dieser Aktionen sind Hinweise wie „Wir respektieren Ihre Privatsphäre, deshalb …“ Mit anderen Worten: „Im Interesse Ihrer Privatsphäre sollten Sie die Cookies respektieren.“ Geht’s noch zynischer? Kann man Mitmenschen noch widerlicher verarschen bzw. manipulieren? Die Werbeindustrie, die ja wohl dahinter steckt, war nie verlegen, wenn es um die Beeinflussung von Kunden geht, aber bevor die Welt „digitalisiert“ wurde, ging es in erster Linie um Produkte. Die von Algorithmen gesteuerte Werbung im Internet hat aber eindeutig die Menschen mit ihren individuellen Verhaltensweisen, Stärken und Schwächen im Auge. „Personenbezogene Werbung“ nenn man diesen Verstoß gegen die Grundrechte. Es geht um Freiheit, um zwar um echte Freiheit, um den Entscheidungsraum von Menschen, nicht um so belanglose Dinge wie die vorübergehenden Einschränkungen des Reiseverkehrs wegen Corona.

Die aufploppenden Banner, mit denen die Cookie-Erlaubnis erschlichen wird, sind einerseits sicherlich nervig; sie sollten aber auch als Warnhinweise verstanden werden. Soo darf Digitalisierung nicht ablaufen. Ich drücke ein weiteres Mal die Daumen für Max Schrems. Dieser Junge hat bereits mehr gegen den Datenmissbrauch im Netz bewirkt, als alle Politiker zusammen.

Schlusslicht

Digital – das ist die große Verheißung. Digital, das bedeutet fortschrittlich, zukunftsorientiert. Jedenfalls nach landläufiger Meinung. Analog dagegen heißt rückwärtsgewandt, technisch rückständig, unvollkommen, im Grunde obsolet. Zweifel an dem Segen der Digitalisierung kommen überhaupt nicht auf, dafür ist das Versprechen einer digitalen, komfortablen Zukunft zu eindringlich. – Natürlich ist diese Auffassung blauäugig und naiv. Abgesehen davon, dass sich „digital“ und „analog“ überhaupt nicht als Attribute für alles und jedes eignen, sind sie kein Gegensatz. Vielmehr ergänzen sich die beiden Techniken. Nicht plausibel? Einfach mal etwas darüber nachdenken, wie eine digitale Personenwaage funktioniert, oder eine Videokonferenz, oder eine Digitalkamera. Ich werde in einem späteren Beitrag noch genauer auf die Begriffe eingehen.

Zunächst aber müssen wir Deutschen leiden, weil der Digitalisierungszug einfach nicht so viel Fahrt aufnehmen will wie bei unseren Nachbarn. Nur 65% der Leute kaufen bei uns digital (gemeint ist „online“) ein, im europäischen Durchschnitt sind es 80%. So berichtet unsere Tageszeitung heute. Und in der Überschrift heißt es bedauernd „Schlusslicht bei digitaler Nutzung“. „Die Deutschen setzen nach wie vor lieber auf den persönlichen Kontakt“ ist in dem kleinen Zeitungsartikel zu lesen.

Schlimm, oder? Wo doch Digitalisierung soo vorteilhaft und demnach erstrebenswert ist. Schlusslicht! Huh, das schämt man sich ja direkt. Es sei denn, man formuliert die Sache anders herum, nämlich positiv. Demzufolge wäre Deutschland Spitzenreiter, wenn es um die Bewahrung zwischenmenschlicher Kontakte geht. Na, wie klingt das?

 

Hass und Verrohung

Es wird zur Zeit sehr viel diskutiert über den hasserfüllten Umgang mit Mitmenschen in der Gesellschaft. Innenminister Seehofer spricht gar von „Verrohung“, und immer wieder stößt man auf Warnungen, dass hasserfüllte Worte irgendwann zu entsprechenden Taten führen können, bis hin zu Tötungsdelikten.

Sicherlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Worten und Taten, aber ich glaube nicht, dass Worte die Hauptursache für die schlimmen, oft politisch motivierten Auswüchse sind. Die eigentlichen Ursachen stecken tiefer, aber Worte können den einen oder anderen Kanal öffnen, über den sich das Übel entlädt. Aber auch Worte an sich können schon verletztend genug sein, selbst wenn keine Taten folgen. Angst, Minderwertigkeitsgefühle oder totale Mutlosigkeit sind Verletzungen, die man nicht unterschätzen darf. Ja, Worte können in gewisser Weise töten.

Einig sind sich alle Beobachter darin, dass das Internet mit seinen „sozialen“ Plattformen den entscheidenen Anteil an der Verrohung der Gesellschaft hat. Nur wie man dieses Übel bekämpft, darüber gibt es recht merkwürdige, meistens sogar überhaupt keine schlüssigen Meinungen. „Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen sich wieder mit mehr Achtung begegnen!“ Au ja, gute Absicht. Oder: „Die Plattformen im Netz müssen zur Verantwortung gezogen werden. Sie müssen dafür sorgen, dass Hassbeiträge gelöscht werden.“ Wunderbar, doch wie?

Vielleicht liefert ein Kommentar in den Nürnberger Nachrichten einen brauchbaren Ansatz: „Wir brauchen eine mutige Streit-Kultur. Zu oft verlernen wir die Kunst der Debatte, zu oft wird gebrüllt statt argumentiert.“ Na ja, wie man im Netz eine Streitkultur entwickeln soll, kann ich mir nicht vorstellen. Doch der letzte Satz liefert m.E. einen wichtigen Hinweis: Gebrülle statt Argumente. Genau das ist das, was die „sozialen“ Medien ausmacht. Sie wollen, dass gebrüllt und zurückgebrüllt wird, denn damit werden die Milliarden verdient. Ausgewogene, etwa noch begründete Argumente? Meine Güte, das liest doch keiner, damit lässt sich kein Traffic erzeugen – und kein Geld. Kurz muss es sein, und möglichst viel davon. Twitter lebt von diesem Prinzip, ebenso wie die Kommentare zu allem Möglichen.

Solange hier nicht radikal aufgeräumt wird, wird sich nichts ändern. Das heißt, es wird sich wohl was ändern, indem die Verrohung nämlich weiter zunimmt. Das Aufräumen bedeutet nicht mehr oder weniger als das Verbot von Plattformen, die mit personenbezogener Werbung [1] finanziert werden. Und es bedeutet den weitgehenden Verzicht auf die leidigen Kommentarspalten, die kaum belastbare Erkenntnisse liefern und stattdessen nur das Gieren nach Bestätigung befriedigen.

[1] Abgesehen davon, dass personenbezogene Werbung zu üblen Geschäftsmodellen führt, ist diese Form der Werbung auch grundsätzlich abzulehnen, und zwar wegen der unumgänglichen Datensammelei und Datenanalyse. Dass diese Missbräuche nicht allgemein erkannt und geächtet werden, ist noch eine der unangenehmsten Begleiterscheinungen der hochgelobten Digitalisierung.

Freiheitsrechte

Nach einigem Zögern hat man sich auf breiter Basis zu einem Entschluss durchgerungen: Den Geimpften und den Genesenen muss es wieder möglich sein, ohne Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das hat nicht nur Vorteile für die Betroffenen selbst, denn mit dieser Befreiungsmaßnahme können langsam das Geschäftsleben, die Gastronomie und nicht zuletzt die Touristik wieder neu belebt und hochgefahren werden. Toll.

Sicher, man muss die Privilegierten ja irgendwie erkennen können, aber dazu wird es bestimmt eine Lösung geben. Wenn alle Stricke reißen, ist immer noch der Gott der fortschrittlichen Moderne, die Digitalisierung, ansprechbar. Mit seinen geweihten Geräten, den Smartphones, lassen sich alle Probleme in den Griff kriegen, auch die des Nachweises, dass man zu einer bevorzugten Kaste gehört. Zuversicht also.

Nun gab es allerdings auch gegenläufige Meinungen, Menschen, die von Diskriminierung der Nichtgeimpften sprachen. Hm, ja, da kann sich schon mal das Gewissen melden. Aber dann hatten einige maßgebliche Persönlichkeiten, allen voran unsere Justizministerin Christine Lambrecht oder der FDP-Lindner, den entscheidenden Gedanken. Wir haben überhaupt kein Recht, den Geimpften ihre grundgesetzliche zugesicherten Freiheitsrechte vorzuenthalten. Befreiend, da krabbelt das Gewissen ganz schnell in die dunkle Ecke.

Selten wurde der Begriff „Freiheitsrechte“ so häufig gebraucht wie gegenwärtig. Freiheit, ja, ein hohes Gut. Vielleicht das höchste, auf das Menschen in der Gesellschaft einen Anspruch haben. Freiheit, sich so zu bewegen, wie man möchte – wenn man nicht gerade auf der Arbeit oder im Straßenverkehr. ist. Freiheit, das zu tun, was man möchte – wenn man nicht gerade etwas Böses oder Ungesetzliches oder Unordentliches im Sinn hat. Freiheit, das zu denken, was einen bewegt – wenn man nicht gerade die Gedanken, die Wünsche und das Wollen vom Smartphone empfängt. Ja, so ist das mit der Freiheit und den hochgelobten Freiheitsrechten. Vielleicht sollte man ein wenig über wirkliche Freiheit nachdenken. Sie sind nicht einfach, diese Gedanken, auch unbequem und irgendwie zeitlos, also unmodern. Aber das nur am Rande.

Also beschränken wir uns auf die Freiheit, nach Malle fahren zu dürfen oder mit möglichst vielen Freunden, die wir ja dank Facebook und Co. haben, die überschäumende Lebensfreude genießen zu dürfen. Wichtig, keine Frage. Und nützlich, wie ich eingangs schon erwähnte.

Fassen wir noch mal zusammen: Jeder Mensch hat seine Rechte, und die dürfen ohne zwingenden Grund nicht eingeschränkt werden. Wenn es Menschen gibt, von denen eine Infektionsgefahr ausgeht, müssen diese – und nur diese – vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Leider, aber unvermeidbar. Dieser schlichte Gedankengang ist übrigens nicht neu. In Indien oder im arabisch-orientalischen Kulturraum hat man vor Jahrhunderten ähnlich gedacht und danach gehandelt. Da mussten auch zum Schutz der gesunden Allgmeinheit bestimmte Menschen ausgeschlossen und isoliert werden, die eine Infektionsgefahr darstellten. Es waren die Leprakranken, die Aussätzigen (im wahrsten Sinne des Wortes). Hat funktioniert.

Nun aber deutlich kritischer. Sicher, der Vergleich scheint überzogen zu sein, zumindest auf den ersten Blick. Aber er wirft einige entscheidende Fragen auf: Kann man, darf man Grundrechte differenziert anwenden, also je nach individueller Lage verteilen? Darf man Bevölkerungsgruppen von Rechten ausschließen, wenn sie keine Chance haben, die Rechte, die man anderen gewährt, einzufordern bzw. zu verdienen? Wenn ja, warum ist die unterschiedliche Gewährung von Freiheitsrechten nicht im Grundgesetz verankert, in jenem Gesetz, auf dass sich Frau Lambrecht so vehement beruft? Und wenn die unterschiedliche Verteilung von Rechten gesetzmäßig sein (werden) sollte, wie sieht das dann in anderen Bereichen aus: im Verkehrswesen, beim Umgang mit Waffen, überhaupt in bürgerlichen Belangen? Nicht zuletzt: Wie will man begründen, dass eine schwächere, anfällige Gruppe in ihren Rechten beschränkt wird, damit eine stärkere Gruppe geschützt wird?

Ich will diese Fragen auch gleich beantworten, und nun ohne versteckte Ironie: Wenn es notwendig und sinnvoll ist, dass bestimmte Teile der Bevölkerung mehr Aktionsfreiheit erhalten als andere Gruppen, dann ist das zwar Scheiße, aber kann als vorübergehende Maßnahme akzeptiert werden – notgedrungen. Hier aber mit Freiheitsrechten zu argumentieren, ist eine missbräuchliche Instrumentalisierung der Grundrechte. Grundrechte sind unteilbar und können nicht aus pragmatischen Gründen hier zugestanden, dort verweigert werden.

Datenschutz ist übrigens ein weiterer moralisch-rechtlicher Wackelkandidat. Wenn er denn sein muss – aber nicht mehr als unbedingt nötig, damit der Fortschritt nicht behindert wird. Oder das Verhältnis zu Unrechtsstaaten wie Russland oder China. Ja, ansprechen soll man die Menschenrechtsverletzungen ja, aber nicht lauter als nötig, damit unsere Absatzmärkte und unser Wohlstand nicht eingeschränkt werden müssen. Unsere fortschrittliche, moderne Zeit – in vielerlei Hinsicht eine Zeit zum Kotzen. Eine Zeit das Überflusses an überflüssigem, minderwertigem Kram. Und eine Zeit, in der wir auf Rechte pochen, ohne zu wissen, was sie wirklich bedeuten.