Die Sache glättet sich

Noch einmal zum Genderstern. Ich habe das Gefühl, dass diese unsägliche Sprachverkrüppelung so langsam aus der Gesellschaft herauswächst. Man hört den Schluckauf nicht häufiger, sondern immer weniger. Sicher, einige verbohrte Schluckaufkünstler und -künstlerinnen, die mal auf einfache Weise Fundamentalismus üben wollen, trennen immer noch das „Innen“ vom Wortstamm ab, aber – wie gesagt – sie werden weniger. Habe ich jedenfalls den Eindruck.

Stattdessen nun eine erfreuliche Wendung: In irgendeiner Rundfunksendung war die Rede von „Soldatinnen“ und „Fackelträgerinnen“ (es ging wohl um den großen Zapfenstreich). Nur Soldatinnen und Fackelträgerinnen (ohne Sternchen), obwohl ich einigermaßen sicher bin, dass auch männliche Soldaten und Fackelträger dabei waren. Was tun? Als Mann beleidigt sein? Quatsch.

Vermutlich ist vielen Leuten gar nicht klar, dass Wörter wie „Sodat*Innen“ und „Fackelträger*Innen“ auch nur die weiblichen Protagonisten benennen. Wozu also der sprachzerstörende Genderstern? Doch ich bin zuversichtlich, dass der Redefluss diese Sprechlücke glatt schleift, dann werden viele Probleme gelöst sein. Und wenn dann von den Siegerinnen des Formel-1-Rennens gesprochen wird, kann man nur feststellen: warum nicht? Vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber absolut ok. Könnte ja sein, dass sich ein weibliches Wesen unter die hartgesottenen Männer gemischt hat. Also „Siegerinnen“, aber bitte, bitte nicht „Sieger*Innen“.

Noch einmal zum Großen Zapfenstreich: Eine Kommentatorin sprach von der Zahl der beteiligten Soldatinnen. Vielleicht wollte sie sagen „Soldat…Innen“, hat aber diese widernatürliche Sprechlücke verschliffen. Problem? Keineswegs, denn alle Zuhörer wussten, dass auch männliche Soldatinnen beteiligt waren. Vielleicht sogar einige „zwischengeschlechtliche“ Uniformierte, die auch durch das Sternchen nicht erfasst werden. Was soll also der ganze Scheiß mit dem Sternchen? Ja, ich bin ein Mann – oder eine männliche Bürgerin, um es der Genderklicke gerecht zu machen. Geschenkt. Dumm nur, dass wir für diesen Quatsch eigenlich keine Zeit haben. Wir sollten Zeit und Kraft dazu verwenden, um die wirklichen Probleme der Welt zu lösen. Denn wir leben auf einem Planeten, der uns alles, was wir als wichtig und angenehm empfinden, um die Ohren schlägt. Da helfen weder Lächerlichkeiten wie das Gendern noch falsch verstandene Digitalisierung.

Im übrigen: Die beste Weise, allen Geschlechtern gerecht zu werden, ist die Verwendung von geschlechtsneutralen Ausdrücken, und die gibt es ja. Warum also die Diskriminierung in „Innens“ und „Nichtinnnens“?

Liebe Petra Gerster

Vor kurzem, einige Wochen nach Antritt ihres wohlverdienten Ruhestandes, hat die ZDF-Moderatorin Petra Gerster zurückgeschlagen. Sie beklagt sich bitter üder die Shitstorms und wüsten Reaktionen auf ihr Sternchengendern (als sie noch die Heute-Sendungen moderierte). Es seien vor allem die Männer und von denen wiederum die älteren, die besonders agressiv in Erscheinung getreten seien, beklagt sie sich. Jetzt wissen wir es:  Der harte Kern der Gegner einer gendergerechten Sprache ist unter den älteren Männern zu suchen, während die aufgeschlossenen, nach Geschlechtergerechtigkeit strebenden Zeitgenoss*Innen von der Gruppe der jungen Frauen und Mädchen vertreten wird.

Rrumms, da hat es mich also voll erwischt, denn ich gehöre zu den älteren Männern, und ich habe mich leidenschaftlich gegen das Sternchengendern ausgesprochen. Ja, ich habe sogar die Petra Gerster (u.a.) namentlich erwähnt, weil kaum jemand das Gendersternchen so präzise und deutlich artikulieren kann wie sie. Folglich muss mich Gersters Klage bis ins Mark treffen, und mir bleibt nur das demütige „Mea culpa“.

Oder?

Irgendwie fühle ich mich doch nicht angesprochen, denn Gerster unterstellt der Anti-Gender-Hardcore-Truppe mangelnde Achtung vor dem anderen Geschlecht. Genau das aber ziehe ich mir nicht an. Zeitlebens waren es vornehmlich Frauen, die mein Leben geprägt haben und mir als Vorbilder dienten. Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinen Töchtern auf die erste Bundeskanzlerin angestoßen habe. Ich unterstütze bedingungslos die Forderungen von Maria 2.0 nach Zugang der Frauen zu allen Ämtern in der katholischen Kirche. Für mich ist jeder Cent, den Frauen in vergleichbaren Postionen weniger verdienen als Männer, ein Skandal. Usw. Also so pauschal lässt sich die Sache nicht einordnen, Frau Gerster.

Vor allem aber war und ist mein Widerstand gegen das Sternchengendern überhaupt nicht gegen das weibliche Geschlecht gerichtet, sondern es geht mir einzig und allein um die Sprache. Wenn jemand bei jeder Gelegenheit die weiblichen und männlichen Personen explizit aufführen will, dann ist das ok, wenngleich in den meisten Fällen überflüssig und gelegentlich auch ein bisschen blöd. Doch, wie gesagt, grundsätzlich ist das in Ordnung.

Was jedoch nicht in Ordnung ist, das ist die Zertrümmerung der Sprache durch das Gendersternchen, besonders wenn gesprochen wird. Dieses künstlich aufgesetzte Konstrukt steht in krassem Widerspruch zur natürlich gewachsenen Sprache und bedeutet eine grobe Missachtung dessen, was Sprache im Miteinander der Menschen leistet. Aber selbst wenn wir die Achtung vor der Sprache außen vor lassen würden, müssten wir doch feststellen, dass das Gendersternchen eine totale Fehlkonstruktion ist. Es berücksichtigt in vielen Fällen nur noch das weibliche Geschlecht (Beispiel Präsident*Innen); das männliche Geschlecht (und die weiteren Formen geschlechtlicher Existenz) werden dabei nicht berücksichtigt. Warum also nicht gleich „Präsidentinnen“? Ist das etwa keine Diskiminierung? Hinzu kommt, dass das Gendersternchen vielfach überhaupt nicht in den grammatischen Rahmen der Sprache passt (Genitiv, Bestimmungswörter usw.) Versuche, hierbei trotzem mit Sternchen zu gendern, führen zu unerträglichen Sprachverkrüppelungen. Oder sie belegen erschreckende Defizite in Sachen Sprachgefühl.

Ich denke, die Frauen haben es verdient, dass sie sprachlich anständig bedient werden, dass man ihnen nicht mit Sprachtrümmern gerecht zu werden versucht. Wehrt euch doch, ihr Frauen, ihr seid zu schade für den Genderstern, ihr seid zu schade für Wortbruchstücke.


Nachtrag: Letzten Sonntag schaute ich mir im Fernsehen den evangelischen Gottesdienst an, der aus dem Dom in Bremen übertragen wurde. Dieser Gottesdienst läutete eine wichtige Synode ein; deshalb war er besonders interessant. Und er war aufschlussreich, denn er dokumentierte, dass die Frauen im Begriff sind, das Heft zu üernehmen. Außen einem der beiden Geistlichen und noch irgendeinem Beteiligten waren alle Akteure weiblich. Sogar der stattliche Chor bestand nur aus Mädchen und Frauen. Dann kam der Hammer: eine resolute Sprecherin, offenbar in maßgebender Funktion der kommenden Synode, sprach von „Zeug*Innen“. Das hörte sich so unerträglich an, dass ich – wie schon so oft in vergleichbaren Sitationen – spontan aufgestanden bin und den Raum verlassen habe. Die Gefahr, noch einmal das „*Innen“ um die Ohren gehauen zu bekommen, war einfach zu groß. Dann lieber Gottesdienstabbruch.


Nachtrag: Ein oder zwei Tage später, es war wieder eine Nachrichtensendung des ZDF. Dort hieß es, die neu gewählte evangelische Ratspräsidentin Annette Kurschus wolle den Missbrauch in der evangelischen Kirche zur „Chefinnensache“ machen. Wieder so ein Fall. Natürlich geht es hierbei nicht um den unerträglichen Genderstern, sondern hier wird mangelndes Sprachverständnis deutlich. Es geht doch ganz eindeutig um eine Sache und nicht um eine Person. Soviel ich weiß, haben Verantwortlichkeiten oder Aufgaben überhaupt kein Geschlecht. Was soll also dieser Unfug mit dem krampfhaften Herumgendern, verdammt noch mal?

Freiheit

Freiheit. Selten wurde mit diesem Begriff so verschwenderisch umgegangen wie während der Corona-Pandemie. „Wir wollen unsere Freiheit zurück!“ brüllen dummdreiste Querdenker und geistig unbewegliche Impfgegner. In der Schweiz hängen sich diese Leute sogar Kuhglockem um – vielleicht gar nicht so unpassend: Kuhglocken als Erkennungssignale für Rindviecher.

Aber auch in seriösen Kreisen erlebt die Forderung nach Freiheit eine Renaissance. So forderte zum Beispiel unsere Justizministerin Christine Lampbrecht als eine der ersten die Rückgabe der Freiheitsrechte an Geimpfte. Der Freiheitsentzug in Form von Corona-Maßnahmen sollte damit beendet werden, zumindest teilweise. Doch Freiheit ist ein großes Wort, und dahinter steht eine große Sache. Da stellt sich die Frage, ob „Freiheit“ überhaupt angemessen ist, wenn es um die vorübergehenden, notwendigen Corona-Maßnahmen geht.

Einige Beispiele: Ist es Freiheitsentzug, wenn wir Nachbars Garten nicht unerlaubt betreten dürfen? Ist es Freiheitsentzug, wenn wir zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer und zum eigenen Schutz nicht links fahren dürfen? Ist es Freiheitsentzug, wenn wir zum Schutz der Mitmenschen und zum eigenen Schutz gewisse Einschränkungen wie das Tragen der Maske oder den Verzicht auf Geselligheit in Kauf nehmen müssen? Ist es Freiheitsentzug, wenn wir in der Nähe eines Flughafens unsere Drohne im Kofferraum lassen müssen?

So gibt es Tausende von Verboten und Vorschriften, die erforderlich sind, um ein vernünftiges Miteinander in der Gesellschaft zu gewährleisten. Hier von Freiheit oder Unfreiheit zu reden, ist ziemlich unangemessen, und wenn im Zusammenhang mit der Pandemie nicht von offizieller Seite der Freiheitsbegriff ins Spiel gebracht worden wäre, hätten wir möglicherweise weniger Probleme mit der Querdenkerszene. Sicher, bei den Corona-Einschränkungen geht es irgendwie auch ein wenig um Freiheit, aber die Betonung dieser Minifreiheiten versperrt gewissermaßen den Blick auf wirkliche, existentiell wichtige Freiheit bzw. deren Bedrohung, und das ist gefährlich.

Was ist das überhaupt, wirkliche Freiheit? Ohne den untauglichen Versuch unternehmen zu wollen, Freiheit in ihrer gesamten Bandbreite beschreiben zu wollen, möchte ich nur einige Aspekte nennen:

Freiheit, das sind die Mittel, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, natürlich im Rahmen der Gesellschaftsordnung und im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten. Das bedeutet gleichzeitig, dass der gesellschaftliche Rahmen so großzügig wie möglich abgesteckt werden sollte (demokratischer Gedanke) und dass der persönliche Rahmen geweitet werden sollte – wo weit wie möglich.

Freiheit bedeutet Entscheidungsmöglichkeit und Entscheidungskraft. Das erfordert Zugang zu möglichst breitgefächerten Informationen und verlangt Urteilsfähigkeit, um sowohl Fakten als auch verfälschte bzw. manipulative Informationen richtig einordnen und verarbeiten zu können. Nicht zuletzt bedeutet Freheit die ständige Gefahr, Fehler zu machen, und gleichzeitig die Kraft, Fehler einzugestehen und zu beheben. Freiheit ist immer gefährlich und mühsam. Wer Freiheit will, muss aus der Komfortzone raus, darf sich nicht ständig an Navi oder Smartwatch klammern.

Nein, für das was im Umfeld von Corona an Einschränkungen und Entlastungen beschlossen wird, ist das Wort „Freiheit“ einige Nummern zu groß. Die Gesichtsmaske zum Beispiel ist keine Einschränkung von Freiheit, so widerlich sie auch sein mag. Schwerwiegender ist da schon die 3G-Ausweispflicht, wenn man bestimmte Gebäude betreten will. Diese (leider notwendigen) Kontrollen sind schon eher eine Verletzung von Freiheit. Doch das empfinden die Leute nicht so, weil sie in unserer demokratischen Gesellschaft kein Gespür mehr für wirkliche Unfreiheit entwickeln können.

Die Gefahr von schlimmen Freiheitsverlusten ist auch in unserer Gesellschaft akut vorhanden, dazu brauchen wir gar nicht nach China, in die Türkei oder nach Russland zu blicken. Die Freiheitsbedrohung kommt in den modernen Gesellschaften schleichend und ölig glatt daher, wird kaum wahrgenommen. Deshalb ist diese Bedrohung so immens gefährlich, denn sie erzeugt ja keinen Widerstand. Die Menschen des 21. Jahrhunderts werden mit ihren Daten gefesselt, ihr Bewegungsspielraum unterliegt der ständigen Kontrolle übers Internet. Smartphones wirken als Fußfesseln für jedermann; Algorithmen treffen Entscheidungen und machen Menschen entscheidungsfaul, letzten Endes entscheidungsunfähig – unfrei eben. Gezielte Informationsblasen und individuelle Konsumsteuerung (personenbezogene Werbung, gesteuertes Streaming usw.) manipulieren die Leute, ohne dass sie es merken (oder merken wollen, da so bequem).

Hierbei querzudenken wäre absolut vonnöten, aber es ist halt einfacher, sich über Gesichtsmasken und Kontaktbeschränkungen aufzuregen. Das ist halt die Freiheit de*s*r geistig überschaubar ausgestatteten Bürger*s*in. (Heißa, das Gendern macht Spaß, besonders im Genitiv.)

 

Rettungsring Digitalisierung

Deutschland leidet, und wie. Wenn’s um den Stand der Digitalisierung geht, dann liegt Deutschland irgendwo im Mittelfeld. Höchstens. Da muss ein Land, dass auf Fortschritt angewiesen ist, ja in tiefem Leid versinken.

Dabei ist die Bevölkerung durchaus aufgeschlossen und vorwärtsgewandt. So hat eine Untersuchung ergeben, dass sich zum Beispiel 99 % der Deutschen eine schnellere Digitalisierung der Schulen wünschen. Wow, da erblassen ja sogar Leute wie Lukaschenko vor Neid. Oder die Wahlexperten der ehemaligen DDR. 99 Prozent, das muss man erst mal einordnen. Unter 100 Deutschen gibt es nur eine einzige Person, der es schnell genug mit der Digitalisierung von Schulen geht.

Doch zuerst sollten wir uns einmal vor Augen führen, was das bedeutet, diese Digitalisierung des Bildungssystems. Klar, da braucht man flächendeckend eine schnelle Internetanbindung. Klar, auch eine gute Ausstattung mit „Endgeräten“ wie Laptops usw. ist unbedingt wünschenswert. Aber das sind eher Randbedingungen, zwar wichtig, aber dennoch nicht mehr als technische Voraussetzungen. Die eigentliche Digitalisierung des Bildungssystems beginnt erst dann, wenn die Infrastruktur und die vorhandene Technik ausgenutzt werden. Und wie überall kann das auf verschiedene Weisen erfolgen, mit einer Spannweite, die von schädlich oder gar zerstörerisch bis hin zu äußerst gewinnbringend reicht.

Im Schul- und Bildungssystem geht es im wesentlichen um vier Bereiche, die für die Digitalisierung erschlossen werden können:

1. Organisation. Das betrifft Dinge wie Stundenpläne, Lehrereinsätze, Raumbelegungen, Lehrmittelverwaltung, Schüleranmeldungen usw. Es sind vornehmlich Verwaltungsaufgaben, die durch die Digitalisierung erheblich optimiert werden können. Die dafür erforderlichen Daten sind größtenteils unkritisch. Ob dafür jedoch ein schneller Internetanschluss gebraucht wird, ist allerdings fraglich.

2. Digitalisierung der Unterrichtsmethodik. Hier könnte man auch von einer Objektivierung des Unterrichts sprechen, bei der der Computer oder das Tablet mehr und mehr die Funktion von Lehrerinnen und Lehrern übernehmen. Inwieweit das für die Schüler ein Gewinn ist, muss noch geklärt werden. Erfahrungen mit anderen Formen des objektivierten Unterrichts wurden ja bereits gesammelt und sollten in die Überlegungen einfließen. Es sei an die „programmierte Unterweisung“ (60er-70er Jahre) oder an die Sprachlabore erinnert.

3. Digitalisierung der Didaktik. Klar, das Internet und die digitale Datenverarbeitung sind aus der Welt nicht mehr wegzudenken und müssen deshalb thematisiert werden. Dabei geht es nicht um die Bedienung von Smartphones oder Laptops; diesbezüglich werden die Schüler den Lehrern schon beibringen, wie das geht. Nein, es müssen vor allem die Folgen der Digitalisierung und die kaum wahrzunehmende, unterschwellige Manipulationsgefahr Gegenstand und Ziel des Unterrichts sein. Oder die Bedeutung des Datenschutzes. Programmierkenntnisse können helfen, die Funktion von Algrithmen, vor allem auch deren Wirkung, zu verstehen.

4. Digitalisierung der Leistungsbeurteilung. Bis jetzt noch ist es Aufgabe der Lehrer, Schülerleistungen zu bewerten. Wirklich objektive und allgemein vergleichbare Leistungskriterien gibt es (noch) nicht. Subjektive Beurteilungsfaktoren oder auch der Druck seitens der Elternschaft verfälschen zudem die schulische Leistungsbeurteilung. Dabei hängt sehr viel vom Schulzeugnis ab. Somit ist es nur logisch, dass über digitale Möglichkeiten der Leistungserfassung nachgedacht wird. Es geht primär um Schülerleistungen, sekundär aber auch um die Leistungsfähigkeit von Schulen und den vor Ort praktizierten Methoden. All das legt die zentrale Erfassung von Schülerleistungen nahe, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Leistungsdaten lückenlos erfasst und auf zentralen Servern gesammelt werden. Dort stehen sie dann für weitere Auswertungen zur Verfügung, etwa für die Berufswahl oder die Gewährung von individuellen Fördermitteln.

Eigentlich müsste jetzt noch ein 5. Punkt folgen, nämlich die zentrale Erfassung von Verhaltensdaten. Aber den Punkt lasse ich mal aus. Jedenfalls soltle sichtbar werden, dass Digitalisierung von Schulen mehr ist als Glasfaser und Klassensätze von Laptops. Es sollte ebenfalls deutlich sein, dass das ein äußerst komplexes und in vielen Bereichen auch gefährliches Unterfangen ist. Hier ist nicht Tempo, sondern sorgfältiges Vorgehen gefragt. Und wenn man nun hört, dass 99 % der Bürger ein schnelleres Vorgehen wünschen, dann wird man natürlich stutzig. Haben die Bürger keine Ahnung, was mit der Digitalisierung verbunden ist?

Es gibt noch eine andere Erklärung für diese unfassbare Zahl. Jede Befragung kann durch geschickte Fragestellungen zu einem weitgehend beliebigen Ergebnis gelenkt werden. Da drängt sich natürlich die Frage nach dem Fragesteller auf. Sicher, viele Befragungen (wahrscheinlich sogar die meisten) sind so ausgelegt, dass sie ein weitgehend aussagekräftiges Bild ergeben (sollen). Aber Werte von 99% sind dabei höchst unwahrscheinlich. Solche Extremwerte entstehen nur, wenn es sich um offensichtliche Tatsachen handel, die eigentlich keiner Befragung bedürfen – oder wenn bestimmte Inerteressn dahinterstehen, Interessen machtpolitischer, ideologischer oder kommerzieller Art.

Kurz: Die Befragung mit dem 99%-Ergebnis wurde von der Bitcom in Auftrag gegeben. Das ist der Interessenverband der Digitalwirtschaft.

Aha.

 

 

Gendersprache – Lösungsvorschläge

Egal, wie man das sprachliche Gendern anstellt, es ist entweder lästig („liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen, Zuhörerinnen und Zuhörer, Ehrengäste und Ehrengästinnen“) oder einfach nur peinlich und widerlich („liebe Zuhörer * Innen und Teilnehmer * Innen“). So abstoßend aber das Sternchengendern mit dem abgetrennten „Innen“ auch sein mag, einen Vorteil hat es: Es verdeutlicht die Unmöglichkeit, die deutsche Sprache flüssig und doch gendergerecht (was immer das heißen mag) zu gestalten. Zu unangenehm ist diese Unterbrechnung, zu unvollkommen das Bemühen, allen Geschlechtern gerecht zu werden, zu rissig die dazu erforderlichen grammatischen Strukturen.

Also doch keine gendergerechte Sprache? Ach was, natürlich sollten wir nicht aufgeben. Um etwas zu erreichen, muss man zuerst mal die Hindernisse erkennen und aus dem Weg räumen. Die Hinternisse zeichnen sich doch in aller Deutlichkeit ab: Es ist das grammatische Geschlecht, das überhaupt nicht zum biologischen Geschlecht passen will. Ja, wenn es nur um Personenbezeichnungen ginge, dann wäre vielleicht noch was machbar, aber das grammatische Geschlecht durchdringt ja die gesamte Sprache; es steckt in den Nomen, in den Artikeln, in etlichen Pronomen.

Und deshalb mein Vorschlag Nummer eins: Bringen wir doch alle Wortbildungen, die je nach grammischem Geschlecht unterschiedlich ausfallen, auf eine einzige, geschlechtsneutrale Form. Also keine „…innen“ mehr, kein „der oder die“ mehr, keine „eine oder meine“ mehr usw. Sicher, kein leichtes Unterfangen, aber das glatte Ergebnis wird die zu erwartende, jahrzehntelange Mühe lohnen. Im übrigen können wir uns ja an der englischen Sprache orientieren. „Mein Mädchenfreund“, das klingt doch gar nicht schlecht, oder?

Und damit auch gleich zu meinem zweiten Vorschlag, eine ultimative Lösung: Führen wir doch verbindlich das Englisch als offizielle Amtssprache ein. Was sollen wir Deutschen noch mit einer Sprache, die sich für das extrem wichtige Anliegen einer formal-gendergerechten Formulierung nicht wirklich eignet? Wir können die deutsche Sprache in ihrer reinen, aber leider diskriminierenden Form ja konservieren und als Kulturerbe einbalsamieren. So wie Latein.

Doch nun höre ich schon die Proteste: Was für ein Frevel, die deutsche Sprache, dieses kostbare Kulturgut, einfach beiseite zu schieben. Habe ich Kulturgut gehört? Das Gendersternchen ist dabei, dieses Gut nachhaltig zu zertrümmern. Sollte es sich fest in der Sprache einnisten, dann gibt es nichts Wertvolles mehr zu bewahren.

Also halblang bitte. Im übrigen ist die „Transformation“ vom Deutschen ins Englische ohnehin schon weit fortgeschritten. Hören wir uns nur mal die Sprache in der Werbung, im Einzelhandel (speziell Bekleidung), in der Industrie oder in den Manager-Etagen der deutschen Konzerne an. Pardon, Korrektur: Beim Managerkauderwelsch handelt es sich um eine Fachsprache, so wie bei den Ärzten. Fachsprachen sind kein Kulturgut, weil sie nicht auf allgemeine Verständlichkeit ausgelegt sind. Sicher, sie dienen dem fachlichen Informationsaustausch, sollen aber auch elitäre Gruppen abgrenzen und Außenstehende in Unwissenheit lassen. Gab’s früher schon, nämlich als der Kleraus sich von den ihnen ausgelieferten Laien durch Latein abgrenzte.

Jana Pareigis und das leidige Gendersternchen

Es war ein regelrechtes Highlight, als Jana Pareigis zum ersten Mal eine Heute-Sendung moderierte. Ja, es tat gut, wie sie frisch und souverän zur Sache ging. Dazu noch ihre unverkennbare Migrations-Herkunft. Toll. Ich hatte auf der Stelle eine neue Lieblings-Moderatorin, und ich war bestrebt, keine ihrer Sendungen zu verpassen.

Dann, nach einigen Sendungen, der Hammer: das erste Sternchengendern. Welche Sorte von *Innen sie ansprach, weiß ich nicht mehr, jedenfalls zuckte ich zusammen und starrte ungläubig auf den Bildschirm. Die auch?  dachte ich, und alle Hoffnungen, die ich in die Neue gesetzt hatte, fielen in sich zusammen.

Einige Folgesendungen, die ich anfangs noch riskierte, wiesen die Pareigis sogar als eifrige Sternchen-Genderin aus; kaum noch eine Sendung, wo sie nicht mindestens einmal den *Innen-Schluckauf praktizierte. Und da Pareigis zu einer eher spitzen Artikulation neigt, fallen die *Innen-Worttrümmer besonders scharfkantig und verletzend aus.

Das war’s dann wohl. Wenn Janas Gesicht auf dem Bildschirm auftaucht, schalte ich fast panikartig einen anderen Kanal ein – oder ich verlasse den Raum. Die Sprache, dieses elementarste und wichtigste Kulturgut, ist mir zu wertvoll, um ihrer Zerstörung zuhören zu können.

Ich glaube, die eifrigen Sternchengender*Innen wissen gar nicht mal, worum es wirklich geht, sie gendern einfach im Chor der Superschlauen mit. Wenn ich das (berechtigte !) Anliegen des Genderns richtig verstehe, dann geht es doch wohl darum, Diskriminierung, also das Absondern von bestimmten Gesellschaftsgruppen zu vermeiden. Anders herum: Es soll die Integration in eine Gesellschaft mit gleichen Rechten für alle Mitglieder fördern. Sprachlich wird man am einfachsten diesem Anliegen gerecht, wenn Begriffe benutzt werden, die auf alle Personen zutreffen. Wenn man zum Beispiel von den Passanten an einer Straßenkreuzung spricht, dann ist ja wohl jedem klar, dass sowohl weibliche als auch männliche  Verkehrsteilnehmer gemeint sind. „Passanten“ ist also ein integrierender, geschlechtsneutraler Begriff. Vielleicht sollte man das grammatische Konstrukt des „generischen Maskulinums“ durch ein „generisches Neutrum“ ersetzen, dann wäre schon viel gewonnen.

Auch wenn man die Doppelform des Plurals verwendet, also von „Passantinnen und Passanten“ spricht, ist das in Ordnung, denn die Konjunktion „und“ verbindet ja die beiden Wörter und wirkt somit integrierend. Dass es nur wenige Fälle gibt, wo die doppelte Pluralform sinnvoll oder gar notwendig ist, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ganz anders der Genderstern. Er reißt auseinander, zerstückelt Wörter, ohne dass sich aus den Bruchstücken immer vollständige Begriffe rekonstruieren lassen. Das Gendersternchen integriert nicht, sondern diskriminiert. Außerdem regt dieser immerhin noch geregelte Sprachmissbrauch zu einem Umgang mit Sprache an, der zu absurden Sprachkonstrukten führen kann. So sprach eine Reporterin im Fernsehen von einer „Kanzlerinnenschaft“. Nein, ich habe mich nicht verhört; dieses Wort ist tatsächlich gefallen. Ob vielleicht noch ein unausgesprochendes Sternchen darin steckte, kann ich nicht sagen, spielt auch keine Rolle. Sprache zum Kotzen.

 

Genderstern – Nummer 2

Nein, ich habe absolut nichts gegen „Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, „Friseurmeister und Friseurmeisterinnen“, „Vorstandsvorsitzende und Vorstandsvorsitzend …“ (hoppla, geht nicht, also nur männliche Vorsitzende, da die Sprache keine weiblichen hergibt, verdammich auch). Ich habe auch nichts dagegen, wenn ausschließlich von „Besucherinnen“ eines Konzerts gesprochen wird, denn ich weiß ja, dass auch Jungs dabei sind. Also, kein Problem. Probleme bereitet nur die Unsittte des Unterbrechungslauts beim Sternchengendern, denn da zuckt man als sprachsensibler Zeitgenosse zusammen als bekäme man eine Ohrfeige. Aua, das tut wirklich weh.

Doch ich habe mich entschlossen, diese sprachliche Zerstückelung nach Möglichkeit zu ertragen und nicht mehr so wichtig zu nehmen. Stattdessen eine milde Kommentierung: Ah, da ist sie ja wieder, diese Sternchenkönigin. Oder dieser Schluckaufexperte. Ok, mitunter, wenn ich nicht ganz gut drauf bin, dann greife ich auch schon mal zu etwas deutlicheren Bezeichnungen wie „Genderkuh“ oder „Sternchenochse“. Ich gebe auch gerne zu, dass ich inzwischen eine beachtliche Herde von Gender-Rindvieh auf der Weide habe, wobei das ZDF stark zur Vermehrung beigetragen hat. Und wenn der Gender-Schluckauf zu massiv daherkommt, dann lassen sich die Bezeichnungen noch aussagekräfiter gestalen (au ja), aber die kann ich hier nicht wiedergeben.

Und so nehme ich mir vor, das Muhen auf der Genderweide mit Gelassenheit zu ertragen. Tschüs, liebe Zeitgenoss*En*Innen*Annen*Onnen*Unnen. (Habe ich nun alle Geschlechter erfasst?)

Auf zum fröhlichen Gendern

Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich; er (gemeint ist der Mensch, der auch weiblich sein kann) hat den gleichen Anspruch auf Wahrung seiner Würde wie alle anderen. Diese Maxime ist absolut und bedarf keiner Begründung oder Eingrenzung. Nur mit der Sprache hapert es noch. Deshalb, quasi als Einstieg in die folgenden Gedankengänge, eine kleine Umformulierung, bei der wir „Mensch“ durch „Person“ ersetzen: Jede Person ist vor dem Gesetz gleich; sie (gemeint ist die Person, die auch männlich sein kann) hat den gleichen Anspruch auf Wahrung ihrer Würde.

Hmm, da deutet sich eine arge Zwickmühle an: Was nützen uns die besten Absichten, was nützen uns die klarsten Bekenntnisse, wenn uns die sprachlichen Mittel fehlen, um sie gebührend umzusetzen? Dabei hat man nach landläufiger Meinung die Sprache als Ursache für eklatante Missstände in der Gesellschaft ausgemacht. Wer im Netz Hass und Hetze verbreitet, wird sich irgendwann womöglich steigern und zum Messer greifen. Oder andere dazu verleiten. Wer lauthals über Moscheen und Synagogen schimpft, gehört zu der Gruppe von Menschen, die irgendwann aktiv werden können, zuerst mit der Farb-Spraydose, dann mit Molotowcocktails. Wer sich abwertend über das andere Geschlecht äußert, dessen Hand könnte sehr schnell im Umgang mit dem anderen Geschlecht ausrutschen.

Dieser Kausalzusammenhang, demzufolge viele Handlungen und Einstellungen eine unmittelbare Folge von verfehltem Sprachgebrauch sind, führt folgerichtig zu dem Kerngedanken, bei der Sprache anzusetzen, um gesellschaftliche Verbesserungen zu erzielen. Und da eines der Grundübel unserer Gesellschaft immer noch die Diskriminierung von Menschen mit anderem Geschlecht bzw. mit anderen sexuellen Orientierungen ist, versucht man nun, das Übel an der Wurzel zu packen, das heißt bei der Sprache. Es geht also um eine „gendergerechte Sprache“. Sogar der Duden-Verlag hat sich diesem Anliegen verpflichtet und steht vor einem Paradigmenwechsel. Er versteht sich nicht mehr als Beobachter und Hüter einer natürlich wachsenden Sprache, sondern als Schöpfer einer künstlich-synthetischen Sprache mit klarem politischen Anspruch. Was natürlich auch das wohlige Gefühl von Macht und Einflussmöglichkeit vermittelt. Und wenn da eine gewisse Anfälligkeit für fundamentalistische Anschauungen mitspielt – was soll’s. Zeitströmungen vermögen manches in den Rang ener Errungenschaft zu heben.

Aber schauen wir uns doch mal an, wo das Problem liegt. Als Beispiel nehmen wir irgendein Open-Air-Konzert (Corona lassen wir mal beseite). Riesenverfolg, in den Medien wird anschließend berichtet, dass es 15000 begeisterte Besucher gegeben hat. Da zuckt man förmlich zusammen; hat es keine Besucherinnen gegeben? Und wenn doch, hat man die einfach nicht mitgezählt, quasi nicht beachtet? Waren es in Wirklichkeit 30000? Wenn man nur die männliche Pluralform benutzt, dann muss man ja förmlich annehmen, dass eine reine Männergesellschaft da herumrockte. Das ist nicht nur Diskriminierung, sondern eine klare journalistische Lüge. Oder?

Erste Zwischenbemerkung: Wenn Sie, lieb(e)(r) Leser(in), das Gefühl haben, dass bei meinen Äußerungen so etwas wie zarte Ironie mitschwingt, dann ist Ihre Antenne schon ganz gut ausgerichtet.

Bis vor einigen Jahrzehnten spielte dieser Missstand keine bedeutende Rolle. Waren es Feministinnen, die schließlich auf die sprachliche Diskrininierung des weiblichen Teils der Bevölkerung aufmerksam machten?  Egal, jedenfalls sprach man mehr und mehr beide Geschlechter an. Man sprach also nicht mehr von den Lehrern, sondern von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern, von Hündinnen und Rüden. Absolut korrekt, aber irgendwie ein bisschen umständlich. Besonders deutlich wurde das in letzter Zeit bei der Berichterstattung über Corona-Maßnahmen. Da traten sie regelmäßig zusammen, die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Für Politikerinnen und Politiker, die ja immer viel zu erzählen haben, stellte dieses Ungetüm (16 Silben) ein arges Hindernis dar, das sie mit Redeschwung zu überwinden versuchten. Es wurde schnell mal ein „Ministerpräsidentin und Ministerpräsidenten“ daraus, schließlich sogar „Misterpräsidentn und Misterpräsidentn“. Heißa, es lebe die flüssige Sprache.

Also nicht ideal, diese doppelte Ansprache, und ich  kann verstehen, dass man sie nicht konsequent anwandte. Gelegentlich mal, um die eigene, gendergerechte Einstellung zu unterstreichen. Und so kann es nicht verwundern, dass man seit einigen Jahren nach bequemeren Lösungen sucht. Schließlich, liebe Leser*In, stieß man auf das Gendersternchen. Ok, wenn’s um die Schriftsprache geht, ist manches möglich; wir haben uns ja inzwischen auch an die Großschreibung mitten im Wort gewöhnt: eMail, ZuschauerIn usw. Papier und Datenträger sind geduldig, da kann man zusammenbasteln, was der anloge oder digitale Setzkasten hergibt.

Doch Sprache wird ja auch – gesprochen. Da wird’s allerdings etwas schwieriger. Unterbrechung mitten im Wort, so eine Art Schluckauf? Dabei protestieren einige Stimmbänder, die in Sachen Gendergerechtigkeit noch ungeübt sind. Mündliche Sprache strebt nämlich nach flüssigem Ablauf und sperrt sich etwas dagegen, mitten im Wort eine Schweige-Zehntelsekunde für Geschlechtergerechtigkeit einzulegen. Natürlich kann man den Genderunterbrechungsschluckauf üben, und einige sprachgewandte Zeitgenossen in Medien und Politik haben ihn schon ganz gut drauf. Ich denke da an Klaus Kleber, Petra Gerster (ehemals) oder Jana Pareigis. Beeindruckend, wie diese Leute das sprachliche Stolpern beherrschen und dabei gekonnt ein verlegenes Grinsen unterdrücken. Meisterleistung – sprachlich und mimisch. Drei Person*Innen, die – ei der Daus – alle beim ZDF wirken.

Zweite Zwischenbemerkung: Tut mir leid, aber ganz ohne Sarkasmus kann ich das Thema nicht abarbeiten. Mal sehen, ob ich noch deutlicher werden muss.

Leider ist nicht jeder ein Sprechpausenkünstler, und so ist zu erwarten, dass die meisten Leute die Genderfurche einfach verschleifen, glatt machen. Dann wird aus „Besucher … Innen“ schließlich nur noch „Besucherinnen“. Auch kein Malheur, denn es gibt deutliche Anzeichen, dass ein Jahrhundert der Frauen angebrochen ist. Warum zur Abwechslung also nicht mal ein Matriarchat? Wir Männer sind noch nicht so empfindsam, wenn es um Geschlechtergerechtigkeit geht – solange wir noch einige Hebel in der Hand behalten.

Doch mit fortschreitendem Gendern und schleichendem Verlust an Einfluss werden auch die Männer sensibler, und sie werden sich fragen, wo sie denn bleiben, wenn zum Beispiel die „Journalist*Innen“ angesprochen werden. Der männliche Plural ist ja wohl „Journalisten“. Also doppeltes Gendern? Ginge ja, etwa so: „Journalist*en*innen“. Oder (Ladies first): „Journalist*innen*en“. Oder wir schneiden das Maskulinum aus der Rippe des Femininums, wie weiland mit umgekehrten Vorzeichen bei Adam und Eva. Dann hätten wir „Journalist*inn*en“. Wow. Noch ein paar Beispiele? Wie wär’s mit „Friseur*e*innen“? Oder „Amateur*innen*e“? Gleich noch ein Vorschlag: Wenn wir schon dabei sind, unsere Sprache neu zu formen, warum dann nicht auch so Dinge  wie „Mensch*Innen“ oder „Brüder*Innen-lichkeit“?

Manchmal frage ich mich, wie es unsere europäischen Nachbar*Innen machen. Liebe Engländer*Innen, habt ihr ähnliche Sprachprobleme wie die weiblichen und männlichen Teutonen? Oder fragen wir mal die Einwohner von Frankreich, die ja Wert auf sprachliche Eleganz legen. Wie soll ich sie anreden, etwa mit „Liebe Französ*Innen“? Aua, tut weh, also besser doch „liebe Franzos*Innen“? Ach, lassen wir’s, sollen die sich doch selber mit dem Genderproblem herumschlagen. Oder haben sie gar mit einem so künstlich geschaffenen Problem nichts zu tun? Wahrscheinlich nicht, glückliche Franzosen.

Zwischenbemerkung Nummer drei: Sorry, aber nun wird’s wirklich drastisch. Hoffentlich gelingt es mir, nicht beleidigend zu werden.

Das Gendern wurde ja erfunden, um die Menschen aller Geschlechter (wieviel gibt es inzwischen?) und aller geschlechtlichen Orientierungen anzusprechen, was im Prinzip nur beim Plural erforderlich ist. Im Singular lassen sich die Leute ja direkt mit dem passenden Genus ansprechen, meistens jedenfalls. Also Plural. Dennoch gibt es Versuche, auch im Singular zu gendern. So empörte sich eine junge Dame in irgendeiner Fernsehsendung darüber, dass zu viele Menschen Probleme mit dem Gendersternchen hätten. Ja, sie selbst sei eine Feminist*In. Dazu kann ich nur sagen: Du bist keine Feministin oder Feminist*In, sondern ganz einfach eine blöde Kuh. Und da du für mich Singular bist, kann ich mich auf die weibliche Form beschränken und den Ochsen außen vor lassen. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass Ochsen in dem hier geschilderten Kontext keine Rolle spielen. Wenn man mal in die Parteizentralen oder einige Redaktionen hineinschaut …

Schwieriger wird der Fall bei einer Nachrichtensprecherin, die von „unserer Bundeskanzler*In“ sprach. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das akustisch richtig verstanden habe; immerhin halte ich die Moderatorin für durchaus kompetent. Vielleicht wollte sie das Gendern in den öffentlich-rechtlichen Medien auch nur auf die Schippe nehmen. Will ich mal annehmen.

Aber es gibt trotzdem einige Situationen, wo gendergerechte Sprache auch im Singular bedeutsam werden könnte. Beispiel: „Der Betrachter wird sofort von der freundlichen Stimmung, die das Gemälde ausstrahlt, berührt.“ Klar, kann natürlich auch eine Betrachterin sein, auf jeden Fall aber ist eine Einzelperson gemeint, die vor dem Bild steht. Hier wird das Gendersternchen so richtig gefordert, weil zusätzlich zur Person noch ein Artikel gegendert werden müsste. Also: „Die*der Betrachter*In …“ usw. Könnte es sein, dass das Sternchengendern sich überhaupt nicht mit der gewachsenen Sprache verträgt und eine völlig neu konstruierte Sprache erfordert? Oder könnte es sein, dass das Sternchengendern eine total bescheuerte Angelegenheit ist? Oder sollen wird einfach die Klappe halten und nichts mehr sagen? Und natürlich die Ohren zuhalten und nichts mehr hören? Wäre vielleicht keine schlechte Alternative.

Vielleicht versuchen wir’s mit einem völlig anderen Ansatz: Wir arbeiten daran, unsere innere Gesinnung frei von Diskriminierungen zu halten. Dann würde die sprachliche Äußerung nebensächlich, und wir hätten keine Probleme, wenn die geschlechtsneutrale Pluralform mit der femininen oder maskulinen Pluralform übereinstimmt. Wenn es nicht offensichtlich ist, dass alle Geschlechter gemeint sind, kann man ja immer noch die verschiedenen Pluralformen einzeln nennen. Vielleicht sollten wir weniger die formalen Aspekte betonen und stattdessen das in den Vordergrund rücken, was der Mensch mit dem Hören, Sprechen oder Lesen von Sprache verbindet. Oder einfach mal über den Unterschied zwischen dem grammatischen und biologischen Geschlecht nachdenken. Auch darüber, ob das lächerliche Herumeiern mit einem sprachfremden Unterbrechungslaut den Betroffenen nicht mehr schadet als nützt.

Vielleicht sollte man auch mal über die Bedeutung von Political Correctness im Sprachgebrauch nachdenken. Oberflächliches Sprachwohlverhalten, das am Kern der Sache vorbeigeht. Denken wir an die lächerliche Umbenennung der „Zigeunersauce“ in „Paprikasauce“. Oder die Benachteiligung der „indigenen Bevölkerung“ Amerikas. Als einsichtiger Sprachbenutzer habe ich das Etikett „Indianerbücher“ am Bücherregal ausgetauscht. Da steht nun korrekt „Nordamerika-Indigenen-Literatur“. Jetzt kann mir keiner mehr was wollen. Bei der Gelegenheit habe ich auch die CD vernichtet, auf der Alexandra den „Zigeunerjungen“ besingt. Bücher- und Medienverbrennung V 2.0?  Da gibt es etliches, dass ich eigenlich den Flammen übergeben müsste: Karl May, Wilhelm Busch usw. Und natürlich meine Sammlung von „Ein Herz und eine Seele“. Der neue Mensch ist halt kein Mensch einer schwammigen inneren Gesinnung, sondern der Mensch einer korrekten Sprache. Nicht der schwer kontrollierbare Inhalt soll nach Meinung der Genderer im Fokus stehen, sondern die jederzeit überprüfbare Fassade, die Oberfläche. Wenn die nämlich in Ordnung ist, wird’s drinnen auch wohl stimmen. Meint man, wie gesagt.

Zeitgerechte Hinwendung zum Formalen, leicht zu digitalisieren übrigens. Und algorithmisch präzise zu kontrollieren und zu beurteilen, was viel Erfolg verspricht. Auf in eine bessere Zukunft.

Ja, die deutsche Sprache. Dichterinnen und Dichtern wie Droste-Hülshoff, Schiller oder Fontane reichten die sprachlichen Mittel aus, um wahrhaft schöne und intensive Werke zu schaffen; Philosophen wie Kant oder Schopenhauer vermochten mit der deutschen Sprache die kompliziertesten Gedanken zu formulieren. Natürlich wurde die Sprache auch missbraucht, etwa wenn ein Josef Goebbels die Massen mobilisierte. Aber auch das belegt nur die Mächtigkeit der gewachsenen Sprache. Und nun die Leute, die der Meinung sind, dass man sie nicht meint, wenn man sie nicht ausdrücklich erwähnt. Diesen Leuten ist die herkömmliche Sprache nicht genug; sie wollen eine eigene Sprache, die ihren gesellschaftlich-politischen Absichten entgegenkommt. Dass sie dabei die gewachsenen Strukturen im wahrsten Sinne des Worten mit der Sternkeule zertrümmern, ist ihnen egal. Welch abscheuliche Hybris.


Nachtrag: Gestern konnte ich folgendes Gender-Highlight im TV bewundern: eine junge Dame sprach lautstark und akzentuiert von „Arbeiter*Innen-Familien“. Heißa, da eröffnen sich ja völlig neue Perspektiven: Schüler*Innen-Zeitung, Gläubiger*Innen-Ansprüche, Kund*Inn*En-Toilette (klingt doch nicht schlecht, oder?), Anfänger*Innen-Kurs usw. usw. Tausende von Möglichkeiten bieten sich hier, ein völlig neues Schlachtfeld, auf dem sich die fahnenschwenkenden Kämpfer*Innen für Geschlechtergleichheit bewähren können. Gendersternchen in Bestimmungswörtern, wirklich, da geht noch einiges auf dem Weg in die neue Sprache.

Klar, diese Art der Verwendung des Gendersternchens entlarvt im Grunde das gesamte Sternchengendern als eine primitive Zerstörung gewachsener Sprachstrukturen. Was nicht bösartig gemeint sein muss, aber ein deutliches Zeichen von mangelnder Sprachsensibilität ist. Beim Anfänger*Innen-Kurs geht es doch um die Voraussetzungen für die Teilnahme, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Und dem*der Kursleiter*In ist es in der Regel auch scheißegal, ob sich da weibliche oder männliche Teilnehmer*Innnen melden. Und wenn es ihm*ihr nicht egal sein sollte, aus welchem Grunde auch immer, dann hilft das Gendersternchen auch nicht.

Sprachtrümmer, um ein gesellschaftlichers Problem anzugehen? Mein Gott, das Gendersternchen macht aus dem berechtigten Anliegen einer diskriminierungsfreien Sprache eine mehr als unappetitliche, abstoßende Angelegenheit.  Und die Leute in Politik und Medienwelt, die den Genderschluckauf in aller Öffentlichkeit praktizieren, wirken entsprechend peinlich. Es ist wie ein lautes Rülpsen bei Tisch.


Und noch ein Nachtrag: Wie von mir nicht anders erwartet, kümmert sich insbesondere das ZDF einen Scheißdreck um sprachlich gewachsene Strukturen und praktiziert das Sternchengendern besonders häufig. Für mich ist das dermaßen unerträglich. dass ich mehrmals spontan die Kiste während einer Nachrichtensendung ausgeschaltet habe. Inzwischen bin ich so weit, dass ich auf den Sender völlig verzichte. Sollen die doch herumgendern, bis ihnen das Sternchen im Hals steckenbleibt. Tschüs, ZDF.

Ransomware

Immer häufiger schlagen die Internetkriminellen zu. „Besorgniserregend“ nennen es inzwischen einige Zeitgenossen, auch solche, die bisher vor allem durch ihre Blauäugigkeit in Erscheinung getreten sind. Immerhin.

Was ist geschehen? Ein besonders dreister Angriff mittels Ransomware. Tausende von Servern wurden lahmgelegt, und die Urheber forderten für das Aufheben der Verschlüsselung ein Lösegeld von 60 Millionen Dollar. Oder 70 Millionen, egal. Wie immer geht es im Umgang mit derlei Fiesem um drei Dinge: Ursachen, Folgen und Vermeidung ähnlicher Schadensfälle in der Zukunft.

Ursachen. Als Verursacher hat man eine kriminelle, russische Hackergruppe ausgemacht. Kann auch eine staatlich gelenkte Gruppe sein, aber das ist unerheblich, da die Grenzen in Putins Reich fließend sind. Vielleicht waren es auch gar keine Russen. Auf jeden Fall kann man die Bösewichter wohl nicht schnappen, und die Welt muss ertragen, dass sie weiter aktiv sein werden. Mit steigender Tendenz. Aber eines muss man ebenfalls sehen: Gut sind sie, diese Leute, verdammt gut.

Folgen. Na ja, so schlimm ist dieser Einzelfall ja gar nicht. Was sind schon 60 Millionen Lösegeld oder 600 Millionen für die Behebung des Schadens. Sicher, es summiert sich, da die Hackerangriffe sich häufen, und insgesamt kommen da schon etliche Milliarden heraus. Dennoch ist das alles noch überschaubar, weil die Lösegeldforderer sich ja melden müssen. Wirklich gefährliche Hacker mit nationalen Interessen und mit nationaler Unterstützung arbeiten verdeckt. Sie halten die Entdeckung von Schwachstellen geheim und pflegen sie. Sie ölen die Angeln an den Türen, die vom Feind als sicher angenommen werden, durch die man aber im Ernstfall bequem in die zentralen Kommandostellen eindringen kann. Dieser Ernstfall ist mit 100 Millionen Dollar nicht zu beheben, auch nicht mit 100 Milliarden. Dabei geht es um die Existenz ganzer Länder.

Absicherung. Klar, digitalerleuchtete Fachmenschen wissen, was zu tun ist. Betriebe und Verwaltungen müssen mehr in die Sicherheit investieren, und ansonsten: tolle (= unbrauchbare) Passwörter und auf jeden Fall Verschlüsselung der Daten. Dass alle Passwörter auf irgendeinem Weg zu knacken sind, und dass auch verschlüsselte Daten zerstört bzw. erneut verschlüsselt werden können, spricht man nicht aus. Das würde ja die Zuversicht in die digitale Zukunft beeinträchtigen. Und ganz nebenbei. Wie will man die Millionen von Privatrechnern im Home-Office absichern? Wie will man die Datenreinheit des ganzen smarten Hauskrimskrams garantieren? Wie will man die Clouds vor Turbolenzen schützen? Und vor allem: Wie will man die vielen, vielen Sicherheitslücken, die noch unentdeckt in den völlig undurchschaubaren und überfrachteten Betriebssystemen schlummern (Tendenz steigend), aufdecken?

Das Internet ist definitiv nicht abzusichern. Das eine, globale Netz, in dem man von jedem Ort aus alle Orte in der Welt erreichen kann, verspricht zwar digitales Glück, ist aber sicherheitsmäßig nur eine Utopie. Das funktioniert nicht, kann gar nicht funktionieren. Stellen wir uns vor, wir würden (und könnten) all unsere Warenströme einschließlich des Verteidigungsmaterials kreuz und quer durch alle Länder der Erde schicken. Etwa so: Hamburg – Moskau – Riad – Bremen. Natürlich wären die Fahrzeuge mit Schlössern gesichert, wären die Schlüssel irgendwo versteckt (Passwörter). Natürlich würden die Inhalte vorübergehend unbrauchbar gemacht (Verschlüsselung). Dennoch ein mulmiges Gefühl? Zu recht, aber genau so funktioniert das Internet.

Bleibt noch zu berichten, wie ich privat mit der strukturellen Unsicherheit des Internets umgehe. Ich arbeite viel mit dem Computer, sehr viel sogar. So programmiere ich intensiv, befasse mich mit Algorithmen usw. Ich schreibe relativ viel, bearbeite und verwalte eine Unmenge von Fotos. Ich schaue mir Filme auf DVDs an, gestalte Dinge für den 3D-Drucker mit Blender, gestalte Seiten für meine Homepage. Usw. Für all diese Tätigkeiten, die etwa 90% meiner Computerarbeit ausmachen, benötige ich kein Internet. Folgerichtig benutze ich dafür einen Rechner ohne Intenetanbindung; so brauche ich mich nicht mit Hackerangriffen herumzuschlagen, und meine sensiblen, persönlichen Daten verlassen nicht meine 4 Wände. Ja, wenn ich gelegentlich mal etwas unter Windows erledigen muss, starte ich Windows XP (jawohl, richtig gelesen: XP) mit seiner klaren Bedienungsoberfläche. Nach XP ging’s ja nur noch bergab.

Sicher, ganz ohne Internet geht es auch bei mir nicht. Dazu setze ich mich an den anderen Rechner, aber hier gilt die eiserne Devise: Ins Internet geht es nur unter Linux. Sollten wichtige Daten anfallen (der meiste Kram aus dem Internet ist relativ wertlos und schnell zu ersetzen), dann werden sie mittels Transport-Festplatte in den sicheren (= internetfreien) Rechner befördert.

Im übrigen gehe ich nicht davon aus, dass bei mir die Bedeutung des Internets zunimmt, denn das Netz wird immer sperriger und unbrauchbarer. Trotz Glasfaseranschluss muss ich seit einigen Wochen mitunter bis zu 3 Minuten warten, bevor eine Seite geladen ist. Erinnerung an alte Modem-Zeiten. Und die Suchmaschine von Google? Nur ein Beispiel: Ich suchte nach Informationen über den Vogel Condor. Fehleanzeige, nur Hinweise auf kommerzielle Seiten. Endlose Liste von Firmen, die „Condor“ im Namen enthalten, und natürlich auch Links zum berühmten Flugzeug mit den Delta-Flügeln, meistens auch mit kommerziellem Bezug. Sachliche Informationen? Uninteressant für Google, weil damit keine Moneten zu verdienen sind. Ab in die hinteren Reihen. Die kommerzielle Versumpfung in Form von Werbeeinnahmen ist neben der prinzipiellen Unsicherheit der zweite faule Stamm, auf dem das Internet gelagert ist.

 

Sanktionen

Über den letzten Schurkenstreich von Alexander Lukaschenko brauche ich wohl kein Wort zu verlieren. Und dass Putin gerne den einen oder anderen Folterknecht unter seine stinkende Decke kriechen lässt, ist ebenfalls weithin bekannt.

Hier soll es vielmehr um die Reaktion der westlichen Staaten gehen. Sicher, diese Art von Luftpiraterie kann man nicht einfach hinnehmen, da sind sich (ausnahmsweise) alle EU-Staaten einig. Unsere oberste Politikerin, Frau Merkel, zeigt sich entsetzt und verurteilt die Vorgänge in Belarus als „beispiellos“ und „inakzeptabel“. Huh, bei solch scharfen Worten muss beim Alexander ja der Angschweiß ausbrechen.

Immerhin ist der Westen entschlossen, zu schärferen Mitteln zu greifen. Na ja, man denkt darüber nach, ob man in Erwägung ziehen sollte, ernsthaft  zu überlegen, ob man echte Sanktionen in Betracht ziehen sollte. Dauert natürlich, und dass Groll und Empörung langsam im Sand versickern, ist ein probates Mittel von Realpolitik. Überhaupt ist Zeitgewinn geeignet, der Vernunft einen Raum zu geben. Inzwischen mehren sich die bekannten Stimmen der Vernunft, die darauf pochen, auf jeden Fall mit den Machthabern in Belarus im Gespräch zu bleiben. Und was Sanktionen betrifft, so müsse man darauf achten, dass nicht die Bevölkerung, sondern nur die Machthaber getroffen werden. Außerdem dürfen wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen nicht nachhaltig gestört werden, gerade wenn sie so schwach ausgeprägt sind wie die zwischen Deutschland und Weißrussland.

Also bleibt es dabei – von ein paar oberflächlichen Piksen abgesehen. Die Welt hat ja bereits einschlägige Erfahrungen im Zuschauen. Denken wir nur an die Passivität der Staaten, als – für alle unübersehbar – unser Adolf den Holocaust vorbereitete. Auch die Kriegsabsichten mit den vorhersehbaren Folgen waren deutlich zu erkennen, spätestens nach dem Einfall in Polen. Oder denken wir an die Gottergebenheit, mit der Europa zuschaut, wie der neue Sultan die Türkei zugrunde richtet, ja sogar einen Teil Syriens besetzt. Realpolitik. Oder Schwanz einkneifen um des Vorteils willen, Argumente dafür lassen sich immer finden. Wie im Theater: Man sitzt im Zuschauerraum und betrachtet das Geschehen auf der Bühne mit dem wohligen Gefühl, das alles ja nur Theater ist. Und angesichts des grauenvollen Theaterspiels auf der Weltbühne treten erneut die Vernünftigen auf, die nach diplomatischen Lösungen rufen. Vernünftig wirkungslos.

Nun hat der Politverbrecher von Minsk noch ein widerliches Stück draufgesetzt. Der entführte Systemkritiker wurde vor die Kamera gesetzt und durfte sein Loblied auf Lukaschenko und seine Bande singen. Natürlich ist der Gesang unter Folter oder zumindest unter Androhung von Folter zustande gekommen. Kann eine Politikerbande noch dreckiger agieren? Wie wird Lukaschenko überhaupt enden? So wie der rumänische Diktator, Nicolae Ceausescu, erschossen und in die Gosse geworfen? Oder wie Benito Mussonini, öffentlich an den Beinen aufgehängt? Ja, ich weiß, dass solche Gedanken nicht mit dem rechtsstaatlichen Prinzip vereinbar sind, aber die Henker stehen auch im Fall Lukaschenko doch schon bereit, und zwar in Form des misshandelten, aufgebrachten Volkes. Doch vielleicht gewährt ihm am Ende ein anderer Politverbrecher Asyl. Lukaschenko und Putin sind ja nicht die einzigen dieser Sorte.