Ach ja, die Menschenrechte

Ich habe das folgende Szenario schon einmal als Einleitung zu einem Beitrag verwendet, aber Szenen mit einer gelungenen Choreographie kann man m.E. ruhig mehrmals beschreiben. Also, hier das Geschehen:

Immer, wenn hochrangige, deutsche Politiker nach China reisen und dort auf einen hochrangigen, chinesischen Politker treffen, dann läuft es nach gleichem Schema ab. Der deutsche Gast (sehr oft Merkel) mahnt pflichtgemäß zur Einhaltung der Menschenrechte, und der chinesiche Gastgeber hört höflich mit einem eingefrorenen Lächeln zu. Sind ja nur ein paar Minuten. Dann ist die Pflichtveranstaltung zu Ende, und die Situation entspannt sich. Die beiden Wirtschaftsdelegationen fallen übereinander her, und der offizielle Teil des Besuches beginnt. Den Deutschen geht es um Absatzmärkte und damit um Wahrung des Wohlstandes in deutschen Landen, wobei vorrangig der Wohlstand der Besser- und Bestverdienenden gemeint ist. Den Chinesen geht es um Ressourcen, wozu auch Wissen und Know-how gemeint ist, um Lebensräume und um globale Machtansprüche.

Aber zurück zu den Menschenrechten. Natürlich bewirkt der regelmäßig vorgetragene Appell nichts außer dem guten Gefühl, seine bürgerliche Pflicht als überzeugter (und gelegentlich auch überzeugender) Demokrat erfüllt zu haben. Menschenrechte in China – so ein Unsinn. Die Chinesen haben ihre eigenen Vorstellungen von gesellschaftlichen Werten und folgen ihnen konsequent. Man kann einem Gesellschaftssystem mit seinen Wertvorstellungen nicht einfach die eigenen Regeln überstülpen, es sei denn, das System bricht zusammen. Aber auch dann geht es nicht glatt, wie das Beispiel der deutschen Wiedervereinigung zeigt. Ein Großteil der Ostdeutschen hat bis jetzt noch nicht verinnerlicht, dass Demokratie nichts mit Bequemlichkeit und sicherem Versorgtwerden im Alltag zu tun hat. Im Gegenteil. Es ging den Protestierenden in der DDR auch gar nicht um die unbekannte Demokratie, sie sahen den Wohlstand jenseits des Eisernen Vorhangs und vor allem wollten sie nicht mehr eingesperrt sein und von der Stasi überwacht werden, Das Wesen der Demokratie mit ihren Unbequemlichkeiten, Unsicherheiten, Reibereien usw. war ihnen unbekannt, natürlich.

Wenn sich die Gesellschaftsordnung eines Staates von Grund auf ändert, dann sind Kräfte am Werk, die sich nicht um etablierte gesellschaftliche Werte scheren. Die werden einfach angepasst, wenn’s sein muss auch von Grund auf umgestülpt. Für viele Menschen wird es nach einer „Wende“ problematisch, weil ihr Verhalten im alten System nicht zu den Wertvorstellungen des neuen Systems passt. Sie geraten in Konflikte und müssen sich, um keine Nachteile zu erleiden, den neuen Werten anpassen. Damit heften sie sich quasi das Etikett der Unglaubwürdigkeit an ihre Jacke. Nicht wirklich lösbar, das Problem.

Noch einmal: gesellschaftliche Werte vermögen ein System zu stabilisieren, aber sie sind selbst nur stabil, solange das System hält. Einen dramatischen Systemwandel erleben wir zur Zeit ja in Form des digitalen Wandels. Nennen wir’s ruhig „Wende“, denn die zukünftigen Gesellschaftssysteme werden andere sein, mit völlig anderen Wertkatalogen. Das derzeit häufig geäußerte Verlangen, im Netz müssten dieselben moralischen Grundätze gelten wie im „analogen“ Leben, ist total naiv. Diese Grundsätze werden definitiv nicht aufrecht zu halten sein – es sei denn, die Menschheit bremst die Digitalisierung ab und verschafft sich erst mal Klarheit über eine wünschenswerte Zukunft. Das zu erwarten, ist allerdings illusorisch, weil die Digitalisierung nicht von Vernunft und Voraussicht, sondern vom Gewinnstreben übermächtiger Konzerne gesteuert wird.

Um eine Vorstellung von den zu erwartenden Änderungen im Wertesystem zu erhalten, muss man kein Zukunftsforscher oder Hellseher sein. Man muss nur die sich deutlich abzeichnenden Änderungen beobachten und die Parallelität zum smarten Fortschritt aufzeichnen, dann sollte deutlich werden, was demnächst unseren Wertekatalog bestimmen wird. Die Grund- und Menschenrechte bestimmt nicht, die fallen nahezu komplett durchs Sieb: sie sind nicht zu halten und werden überdies zum großen Teil überflüssig. Die Praktiken im Internet machen sie schlichtweg obsolet.

Jammern? Ach nein. Bereiten wir einfach unsere Folgegenerationen auf das Leben im digitalen Umfeld vor. Verdeutlichen wir ihnen, dass sie sich nichts draus machen sollen, wenn sie bedroht und beschimpft werden, denn es wird ja nicht zu verhindern sen. Ermuntern wir sie, sich ein dickes Fell zuzulegen und die digitalen Ellenbogen zu trainieren, im Interesse ihres Wohlbefindens. Machen wir die zukünftigen Erwachsenen ganz einfach internetfähig, mit einem dicken Digitalfell. Erklären wir der ihnen, dass kein Mensch irgendein Geheimnis haben muss, dass so private Räume wie die Wohnung ganz einfach nicht notwendig sind. Warum soll nicht die ganze Welt wissen, was wir uns zu Hause zu sagen haben? Sie wird es ja ohnehin mitbekommen, dank der saubequemen Alexa. Machen wir den zukünftigen Generationen deutlich, dass zwischenmenschliche Beziehungen und unmittelbare Kommunikationen die Menschheit bisher nur gebremst haben. Gegenseitige Achtung – wirklich erforderlich? Wozu? Was soll diese Achtung noch schützen außer nostalgische Lebensträume von Menschen, die in der Vergangenheit stecken gebieben sind? Hemmungslosigkeit als Übel? Quatsch, Hemmungslosigkeit ist ein Zeichen von Freiheit, oder?

Es mag hart klingen, aber warum drumherum reden? Ein Mensch, der als Skelett im Sarg oder als Asche in der Urne liegt, braucht keine Menschenrechte mehr. Ein Mensch, der digitalgesteuert funktioniert, ebenfalls nicht. Daten haben das Regiment übernommen, ihr Nutzen bestimmt die Werte der Zukunft, ihre Strukturen die Lebensweise der Zukunft.

Pakt mit dem Teufel

Wenn man einen Pakt mit dem Teufel schließt, muss man bereit sein, seine Seele herzugeben. Irgendwann wird der Teufel nämlich nachfragen und die Seele verlangen.

Wer einen Deal mit dem türkischen Sultan Erdogan abschließt, macht sich erpressbar. Irgendwann, so war abzusehen, wird Erdogan den Deal für seine eigenen Zwecke ausschlachten. So ähnlich äußerte ich meine Befürchtungen unmittelbar nach Abschluss des Flüchtlings-Deals zwischen Europa und der Türkei. Nun ist es soweit. Wer seinen Überfall auf Erdogans Erzfeind, die Kurden, und das noch in einem fremden Land, äußerst zurückhaltend als „Invasion“ bezeichnet, muss sich die einseitige Aufkündigung des Deals gefallen lassen. Und so hält man die Klappe, bezeichnet die militärische Agression allenfalls noch (flüsternd, damit der Sultan es nicht hört) als „problematisch“ und hofft, dass der rasende Erdogan sich wieder beruhigt und nicht allzuviele Kurden abschlachtet. Und um das eigene Gewissen zu beruhigen, kann man die Rüstungsexporte in die Türkei zurückfahren, aber nur etwas, gerade so viel, dass der Sultan noch nicht wirklich verärgert ist.

Anderes Beispiel: Wer wirtschaftliche Bande zu einem autorkratisch regierten Überwachungsstaat wie China knüpft, muss viel Weitsicht besitzen und erkennen, dass der „tolle Absatzmarkt“ irgendwann zurückschlägt und die Welt als globalen Absatzmarkt für sich beansprucht – zu seinen Preisen.

Es gibt weitere Beispiele, wo der Deibel mit dem Vertragsformular wedelt.

 

Über die Zugkraft von Zahlen

Eine ganz simple Zahlengrafik, ohne Kommentar in unserer Tageszeitung veröffentlicht. Überschrift: Intelligentes Zuhause – Gründe für den Kauf von Smart-Home-Anwendungen. Dann wird grafisch aufgelistet:

  • Mehr Komfort und Lebensqualität: 64%
  • Wohnung sicherer machen: 54%
  • Wunsch nach einem energieeffizienteren Leben: 44%
  • Spaß am Basteln und Spaß an neuer Technik: 12%
  • Länger selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben: 6%

Völlig plausible, unverdächtige Zahlen, die für sich sprechen und deren Richtigkeit wohl niemand bezweifeln will. Die Zahlen sind so unspektakulär, dass man geneigt ist, sie einfach zur Kenntnis zu nehmen. Bei Prozentzahlen bis zu 64% wirken die Angaben darüber hinaus sehr positiv; der Leser könnte motiviert sein, es auch mal mit dem SmartHome zu versuchen.

Doch der Eindruck täuscht, in Wirklichkeit ist das dargestellte Zahlenmaterial sehr brisant. Zunächst einmal beziehen sich die Prozentaufgaben auf die Käufer von Smart-Home-Produkten und nicht auf die Gesamtpopulation. Bei oberflächlicher Betrachtung kann der Eindruck entstehen, dass mehr als 50% der Leute sich smarte Homeprodukte anschaffen, um ihre Lebensqualität zu erhöhen. Was natürlich falsch ist. Wenn zum Beispiel nur 10% der Bürger Teile eines smarten Hauses besitzen, dann gilt die erste Aussage für gerade mal 6,4% aller Bürger.

Das zweite, was zu denken geben muss, sind die aufgelisteten Gründe. Es muss geradezu auffallen, dass die ersten drei Gründe ein hohe Resonanz erzielen, während die beiden letztgenannten weit abfallen. Wer sich die Werbung rund um das smarte Home anschaut, der findet genau die drei erstgenannten Kaufgründe immer wieder. Hier wird also vor allem bestätigt, was einem die Werbung ständig einhämmert. Nur die beiden abgehängten Beweggründe gehen vom Käufer aus und sind infolgedessen erheblich ehrlicher und authentischer.

Dass das SmartHome keinen nennenswerten Komfortbeitrag leisten kann, habe ich in meinen Beiträgen schon wiederholt begründet, und dass die Lebensqualität nicht gesteigert wird, sondern im Regelfall sogar abnimmt, sollte ebenfalls klar sein, wenn man bedenkt, dass Lebensqualität aktive Teilnahme am Leben bedeutet und kein passives Gesteuertwerden durch Technik. Auch die beiden folgenden Gründe sind in erster Linie Werbeaussagen. Sicherheit und Energieeffizienz werden allgemein als so wichtig eingeschätzt, dass man selbst wirkungsarme Methoden zu diesem Ziel als wertvoll einstuft. Werbewirksame, psycholgogische Argumentation, ebenso ertragreich wie hinterhältig.

Wie gesagt, all das sieht man nicht sofort, wenn man die anschaulich dargestellten Zahlen liest. Man bekommt einen sachlich-positiven Eindruck von den Produkten des smarten Hauses  und sagt sich: Wenn so viele davon überzeugt sind, dann muss doch etwas Gutes dran sein. Und somit stellt sich die Frage, von wem das Zahlenmaterial präsentiert wird. Einen ersten Hinweis liefert die Überschrift: Intelligentes Zuhause. Längst schon hat die sogenannte künstliche „Intelligenz“ bei den meisten – vielleicht weniger intelligenten – Zeitgenossen einen optimistischen Impuls ausgelöst. Dem Urheber des Zahlenmaterials muss offensichtlich daran gelegen sein, einen positiven Eindruck vom SmartHome zu wecken. Richtig, die Zahlenquelle ist ganz klein angegeben, muss ja sein. Es ist der Branchenverband Bitkom. So kann auch nüchtern und kommentarlos dargestelles Zahlenmaterial echte Werbung darstellen. Man muss es nur richtig anpacken, das heißt die Schwächen der Leute gut kennen. Auf diese Weise hat man schon manche Massenbewegung zustande gebracht.

Generationsfrage

Die Jüngeren leben mit und im Internet, das Smartphone ist für sie alles. Die Älteren sind da (noch) etwas zurückhaltender, vielleicht auch deshalb, weil sie die vordigitale Welt mit ihren Werten noch kennen. Interessant ist, dass die jüngere Generation für sich beansprucht, mit den digitalen Mechanismen besser zurechtzukommen; sie beansprucht die digitalen Lebensformen praktisch für sich. Dabei vergessen sie gerne, dass es die mittlere und ältere Generation war, die die Voraussetzung für die Digitalisierung geschaffen hat. Man hat das virtuelle Leben den Jüngeren aufs Auge gedrückt und schaut entsetzt und hilflos zu, wie der Bezug zur realen Welt mit den damit verbundenen Verantwortlichkeiten immer stärker abnimmt.

Grund zum Pessimismus? Eigentlich nicht, eher Grund zur Vorsicht, denn irgendwann wird auch die jüngere Generation merken, dass sich das echte Leben nicht im Internet abspielt, sondern auf dem Planeten Erde. Dass es nicht reicht, auf dem Smartphone herumzuwischen, wenn man protestieren will.

Außerdem sollten wir uns nicht von Horrorzahlen beeindrucken lassen. Heute stand in der Zeitung, das ein Jugendlicher knapp 60 Stunden pro Woche im Internet ist, also fast 10 Stunden täglich. Blöde Zahlenspielerei, ohne Aussagekraft. Wer das Smartphone einschaltet, ist damit auch online. Im Grunde wird mit den Zahlen nur gesagt, dass ein durchschnittlicher Jugendlicher morgens sein Handy einschaltet und abends wieder ausschaltet. Na und? Das wissen wir doch schon längst, auch ohne Statistik.

Wenn die Jugend gegen den Klimawandel protestiert, dann ist das ein hoffnungsvolles Zeichen. Ja, auch für das Klima, aber nur ein wenig, weil die klimazerstörenden Strukturen (grenzenlose Mobilität, Autovernarrtheit, ungezügelte Reiselust, enormer Engergiebedarf durch Digitalisierung, extremes Komfortbedürfnis usw.) so fest verankert sind, das man sie nicht in kurzer Zeit auflösen kann. Nein, hoffnungsvoll ist die Bewegung „Fridays for Future“ deshalb, weil Jugendliche handeln. Dass sie dabei immer öfter über das Ziel hinausschießen, ist ihr Priviieg. Die schlimmste Alternative wäre eine passive, digitalgesteuerte Jugend.

Blankes Entsetzen

Ja, diese Meldung bewirkte bei mir ein kaum noch zu beschreibendes Entsetzen. Worum geht’s? Eine amerikanische Firma, typisches Start-up-Unternehmen, arbeitet an Algorithmen und sensorischen Verfahren, um die Gedanken von Menschen lesen und analysieren zu können. Damit sollen dann Geräte gesteuert werden, typischerweise die Geräte des SmartHome. Wohlgemerkt, es geht nicht darum, dass Schwerstbehinderte selbständig ihren Rollstuhl oder ihre Prothesen steuern können, sondern es geht um so triviale Dinge wie das Aus- und Einschalten von Licht oder das automatische Umschalten auf einen anderen TV-Kanal, wenn der Sensor feststellt, dass einem eine Sendung nicht gefällt. Oder dass man gerade scharf ist und etwas Porno eingespielt haben möchte.

Was hier geschieht, das ist der Versuch, in die privatesten Zonen des Menschen einzudringen. Es gibt nichts Schützenswerteres, Sensibleres, Unantastbareres als die persönlichen Gedanken. Die Überwachung und Analyse von Gedanken ist schlichtweg die Höchststufe an Kontrolle und kann durch nichts mehr überboten werden. Ein Mensch, der ohne zwingenden Grund seine Gedanken von Technik überwachen lässt, gibt seine Freiheit auf, und zwar restlos. Noch einmal: Ich spreche nicht von Extremsituationen wie Schwerstbehinderungen, wo unter sorgfältigster Kontrolle im Einzelfall derartige Techniken sinnvoll sein können, aber dann auch nur, wenn sie auf bestimmte Antwendungsbereiche begrenzt werden. Die dabei anfallenden Daten müssen in einem streng geschützten Raum verbleiben; das Internet scheidet deshalb grundsätzlich aus, weil es den  erforderlichen Schutz systembedingt nicht bieten kann.

Der Einsatz bei Gesunden wird mit dem Ziel einer weiteren digitalen Komfortsteigerung begründet. Man muss, um das Beispiel der Raumbeleuchtung aufzugreifen, nicht aufstehen und sich mühsam die 3 Meter zum Lichtschalter schleppen. Ach, das sowieso nicht, denn dafür benützt man ja Smartphone-Apps. Aber man muss nicht mal mehr das schwere Smartphone vom Tisch hochheben, denn inzwischen gibt es ja Alexa. Aber das ist immer noch Energieverschwendung; infolgedessen sollen auch das Aufmachen des Mundes und die Bewegungen der Stimmbänder nach Meinung der Superdigitalsierer demnächst der Vergangenheit angehören. Tja, eine konsequente Verfolgung des digitalen Glaubensbekenntnisses: „We’ll make the world a better place.“

So, und jetzt wird’s richtig spannend, denn das Start-up-Unternehmen ist in seinen Möglichkeiten natürlich begrenzt. Da muss ein Globalplayer her, der über die nötigen Mittel verfügt und gleichzeitig die Möglichkeit sieht, mit den Verfahren viel Geld zu verdienen. Und seine Macht auszubauen. Den gibt es, diesen Globalplayer. Er hat das Start-up-Unternehmen für eine knappe Milliarde aufgekauft, einfach so, nach bewährter Methode. Es ist Facebook.

Ausgerechnet Facebook! Ausgerechnet diese Bande, die mit ihren schmutzigen Methoden schon jetzt im Datenbereich so viel Schaden anrichtet, soll demnächst auf unsere Gedanken losgelassen werden! Zum Glück sind die Erfolgsaussichten nicht sehr groß.

 

Smarte Kinderwelt

„Ein Land, das bei der Digitalisierung nicht vorne mitmischt, wird in die Bedeutungslosigkeit versinken. Und Firmen, die nicht ganz schnell auf den Digitalisierungszug aufspringen, werden bald keine Chancen mehr haben!“ So oder ähnlich klingen die Mahnungen aus Politik und Wirtschaft.

In der Tat, Digitalisierung ist alles. Digitalisierung ist Aufgeschlossenheit und Fortschritt; Digitalisierung ist Glaube und Hoffnung; Digitalisierung bedeutet Gewinn und Macht; Digitalisierung ist Zukunft und Perfektion; Digitalisierung bedeutet Gesundheit und Wohlbefinden. Diesen Eindruck erhält man, wenn man den Sachkundigen in Politik und Wirtschaft zuhört.

Und so grübeln die Verantwortlichen in den Betrieben und an den Schalthebeln der Wirtschaft, was alles digitalisiert werden kann. Ja, es ist eine ganze Menge, und immer mehr Ideen zur Digitalisierung erhält man, wenn man erst mal zu Gange ist oder einfach mal umherschaut. Da kann es nicht verwundern, dass die Produkte für Kinder in den Fokus der digitalen Brille geraten. Hören wir mal dem Geschäftsführer des Bundesverbands  des Spielwaren-Einzelhandels, Steffen Kahnt, zu. Oder dem Vorstand des Bundesverbands Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller, Michael Neumann. Toll, was die Digitalisierung auf diesem Sektor hervorbringt.

Zum Beispiel die smarten Kindersitze. Wenn die Kinder versehentlich im Auto zurückbleiben, gibt es ein Signal auf dem Smartphone. Man stelle sich die Situation mal vor: Mama und Papa gehen einkaufen und genehmigen sich einen Kaffee im Stehcafé. Da fällt dem Papa etwas siedenheiß auf die Seele: „Du, Lara, schalt doch mal dein Smartphone ein. Es könnte sein, dass wir unsere Deborah im Auto vergessen haben.“ Tja, ein Segen, dass es die smarten Sicherheitsmaßnahmen gibt, kann man da nur feststellen. Man kann ja nicht an alles denken, oder?

Ein anderer Segen, den die smarten Kindersitze bieten, ist die Benachrichtigung, wenn der Sitz nicht richtig montiert wurde. Da sind Mama und Papa also unterwegs zum Urlaubsort, und auf der Autobahn, als die kleine Deb endlich eingeschlafen ist, greift Mama auf dem Beifahrersitz zum Smartphone – und erschrickt. „Du, Tim, fahr mal den nächsten Parkplatz an. Der Kindersitz ist nicht richtig montiert, irgendeine Schnalle sitzt wohl nicht richtig.“ Papa schaut auf den Navi: „Ja, noch 20 km bis zum Parkplatz.“

Klar, wenn es um die Sicherheit von Kindern geht, darf es keine Nachlässigkeit geben. Sicher, wenn schon Elektronik im Kindersitz, dann hätte auch eine einfach Kontrolllampe am Gestell gereicht. Dann wär man gar nicht erst mit falsch montiertem Sitz losgefahren, und es wäre keine Meldung ins Netz gerauscht, dass Papa Tim zu blöd oder zu oberflächlich ist, einen Kindersitz richtig anzubringen. Andere Alternative: Der Hersteller macht die Montage so einfach und narrensicher, dass sich eine elektronische Kontrolle erübrigt. Doch beide Alternativen haben einen gravierenden Nachteil: Sie sind nicht zeitgemäß.

Michael Neumann bringt noch einen weiteren Pluspunkt smarter Kindertechnik ins Gespräch, nämlich die „volle Überwachung des Babys in Bezug auf Puls, Herzschlag, Temperatur“. Das alles sei schon möglich und werde sicherlich die nächsten Jahre Einzug in den Massenmarkt erhalten. – Wenn das kein Grund für die Gesellschaft ist, so richtig aufzuatmen. Wir alle wissen doch, wie extrem wichtig es ist, möglichst umfassende Personenprofile zu haben. Versicherungen, die Polizei, die Werbewirtschaft, Krankenkassen, die Personalabteilungen in den Betrieben, alle profitieren davon. Das Gesundheitsprofil ist ein wesentlicher Bestandteil des Personenprofils, denn es erlaubt Rückschlüsse auf die Brauchbarkeit von Menschenmaterial und bietet der Gesellschaft die Chance, unbrauchbares Materiel auszusortieren. Nun kann also eine wesentliche Lücke im Gesundheitsprofil geschlossen werden, und zwar durch datenmäßige Erfassung frühkindlicher Gesundheitsmerkmale. Gerade Kinderdaten sind so wichtig, dass wir sie nicht einfach liegenlassen dürfen. Wenn das kein Fortschritt ist …

Nun könnte es ja ignorante Zeitgenossen geben, die nüchtern feststellen, dass das alles nicht nur Scheiße ist und gehörig stinkt, sondern darüber hinaus sogar gefährlich für die Entwicklung der Gesellschaft. Dieselben Zeitgenossen könnten könnten den Machern von smartem Kindermaterial zugestehen, dass diese ihr Zeug ebenfalls als Mist einstufen, denn sie sind ja nicht dumm oder total naiv. Was also bewegt die Leute, trotzdem so einen Kram zu produzieren?

Die Antwort geben wieder Branchenvertreter. Die Eltern seien bereit, für die Ausstattung ihrer Kleinen sehr viel Geld auszugeben. Im vergangenen Jahr seien es durchschnittlich 750 Euro gewesen. Na also, kann man da nur sagen, bei soviel Freigiebigkeit wäre man ja bescheuert, wenn man sie nicht zum Gewinn der Branche nutzen würde. Letzten Endes geht es auch bei smarten Wohltaten ums Geld. Eigentlich nur ums Geld, alles andere ist nur vorgeschoben.

 

 

Falscher Ansatz

Die „Digitalisierung“ hat zur Folge, dass eine inzwischen unüberschaubar große Zahl von Geräten auf den Markt geworfen wurde. Ich meine an dieser Stelle nicht die unmittelbar betroffenen Geräte wie Smartphones, Router usw., sondern Geräte, die für ganz andere Aufgaben bestimmt sind und dazu digitale Techniken verwenden oder in irgendeiner Form vernetzt, also „smart“ sind. Beispiel Waschmaschine oder SmartWatch. Eine Waschmaschine ist dazu da, um Bettlaken und Unterhosen wieder sauber zu kriegen, und eine Uhr ist dazu da, um die Zeit anzuzeigen. Was bewegt die Leute, immer neue „smarte“  Geräte zu erfinden oder bestehende Geräte „smart“ zu machen?

Wenn es um die Entwicklung neuer Technik geht, dann gibt es grundsätzlich zwei Ansätze, die Sache in Angriff zu nehmen bzw. zu planen. Dazwischen gibt es noch etliche Zwischentöne, aber um die Ansätze deutlich zu machen, beschränke ich mich auf die Extrempositionen. Immer, wenn es um etwas Neues geht, sollte die Kernfrage sein: „Wozu das eigentlich?“ Auch wenn es nur um technische Dinge geht – Technik hat immer (!) nur eine Hilfsfunktion, eine Werkzeugfunktion -, dann muss diese Frage gestellt werden, wenn die Menschen die Herrschaft über Technik behalten wollen.

Der eine Ansatz besteht also darin, erst mal zu fragen: Was vermissen wir, was wollten wir immer schon haben? Und wenn dann die vernetzte Digitaltechnik eine Lösung anbietet, dann schließt sich gleich eine zweite Frage an: Ist das, was mit digitalen Mitteln möglich wird, so wichtig, so gewinnbingend, dass die Vorteile gegenüber den negativen Auswirkungen und Gefahren, die untrennbar mit der „Digitalisierung“ verbunden sind, hinreichend deutlich überwiegen?

Bei einer solchen Fragestellung kann die „Digitalisierung“ sehr viel Positives bewirken. Sowohl die Hersteller von Produkten als auch die Konsumenten profitieren von der neuen Technik. Doch leider verführt das große Gestaltungspotential rund um Digitalisierung und Vernetzung zu der entgegengesetzten Fragestellung: Was kann man damit alles anstellen, und wie kann ich die Produkte als sinnvoll und nützlich darstellen? Diesem Ansatz kommt entgegen, dass die Entwicklungs- und Erprobungszeiten für neue, digitale Produkte oft vergleichbar gering sind. Die Fülle von Angeboten und die immer kürzer werdenden Produktionszyklen sind sehr vielsagend. Eines steht dabei an letzter Stelle, nämlich der wirkliche Bedarf der potentiellen Kunden, denn die Motivation liegt einseitig bei den Herstellern und ihrem Gewinnstreben. Doch wo kein natürlicher Bedarf vorhanden ist, muss ein künstlicher Bedarf erzeugt oder einfach vorgegaukelt werden. Das SmartHome mit seinen vielen Varianten ist kennzeichnend dafür.

Nun darf man diese Sichtweisen nicht nur auf digitale Produkte beschränken. Die Produktvielfalt ist inzwischen unüberschaubar. Supermärkte müssen in immer geringeren Abständen neue, größere Verkaufshallen bauen, weil sie sonst das Warenangebot nicht komplett präsentieren können. Und der Kunde steht vor dem Regal mit gefühlt drei Dutzend verschieden aromatisierter Sorten desselben Tees und hat Probleme, die von ihm bevorzugte Sorte zu finden, nämlich diejenige ohne kitschige Geschmacksverschiebung. Das nur als Beispiel.

Jedenfalls ergibt sich ein derartiges Sortiment aus der zweiten Fragestellung (siehe oben). Aber im Supermarkt ist das Überangebot eher lästig als tragisch, denn wer keine Schokolade mit Himbeergeschmack mag, lässt sie im Regal liegen. Und eine versehentlich in den Einkaufswagen gelegte Tafel der falschen Sorte kann man schließlich noch wegwerfen. Die „richtige“ Ware ist immer noch zu finden, und verhungern muss niemand wegen der Geschmacksverirrung von Schokolade- oder Teeproduzenten.

Ganz anders der digitale Sektor. Was hier so smart daherkommt und den Leuten als Sicherheitsgewinn, Superkomfort oder Erleichterung aufgedrängt wird, ist mit gefährlichen Nebenwirkungen verbunden, auf die ich nicht erneut eingehen muss. Nebenwirkungen, die allzu leicht übersehen werden, weil sie in einer smarten Verpackung angeboten werden.

 

 

Merkel in China

Wenn Merkel in Peking zu Gast ist, und das ist regelmäßig der Fall, dann haben wir immer dasselbe Bild: Eine resolute, auf dem internationalen Parkett erfahrene Kanzlerin schreitet zielstrebig voran, gefolgt von einem ganzen Tross von Wirtschaftsvertretern. Das markante Gesicht von Joe Kaeser ist fast immer dabei. Klar, eine Weltfirma wie Siemens kann China nicht einfach ignorieren. Und auch der Ablauf ist immer ähnlich: Es beginnt mit einem Gespräch mit einem Chinesen aus der ersten Reihe, wobei Merkel pflichtgemäß die Menschenrechte anspricht. Die Chinesen hören zu, mit scheinbar freundlichem Gesichtsausdruck. Das täuscht allerdings, denn die Gesichter strahlen keine Freundlichkeit, sondern eher eiskalte Höflichkeit aus. Immerhin dauert die Pflichtübung nicht lange; die Chinesen hören vielleicht gar nicht hin. Kann auch sein, dass sie den Standardtext vorher ausgehändigt bekamen und sofort in den Papierkorb werfen konnten.

Anschließend beginnt der eigentliche Besuch. Die deutsche und die chinesische Wirtschaftsdelegationen fallen übereinander her. Die Deutschen wollen Absatzmärkte, um den Wohlstand zu sichern. Die Chinesen wollen mit ihrer Kapitalmacht Einfluss in Europa, um so ihrem Ziel der Weltherrschaft ein Stück näher zu kommen.

Und dann kommt auf einmal ein Student aus Hongkong nach Deutschland und stellt mit einer gewissen historischen Weitsicht fest, dass es zwischen dem inzwischen freien Berlin und dem nicht mehr ganz freien Hongkong deutliche Parallelen gibt. Und dieser schmächtige Geselle schafft, was Merkel mit ihrer gebetsmühlenartigen Kritik an China nicht hingekriegt hat: er bringt die Mächtigen des mächtigsten Landes der Erde auf die Palme, erregt ihren Zorn, verleitet sie zu Maßnahmen und Verlautbarungen, die nur ihre verdeckte Schwäche offenbaren. Und warum?

Ganz einfach, dieser junge Typ aus Hongkong handelt, und er handelt konsequent. Er redet nicht nur, wie Merkel, und geht dann zur Tagesordnung über. Doch Merkel sind die Hände gebunden, denn Deutschland kann nicht handeln. Deutschland muss ja für das Wohlergehen der deutschen Industrie Sorge tragen, da darf man nicht zimperlich sein. Und auch die Forderung nach Einhaltung von Menschrechten nicht allzu nachdrücklich zum Ausdruck bringen. Schließlich ist man ist ja erpressbar. Und das Einfordern von Menschenrechten – du liebe Güte, die Chinesen wissen doch, wie’s gemeint ist.

Registrieren wir einfach: Unser Streben nach Wohlstand macht uns zum Komplizen eines gigantischen Unrechtsstaates. Geld, Geld, Geld … Ja, Deutschland ist käuflich.

Smartes Hören

Das Ziel der smarten Revolution ist, alles miteinander zu vernetzen: alle Menschen, alle Betriebe, alle Behörden, alle Gesundheitseinrichtungen und nicht zuletzt alle Dinge, bei denen es technisch möglich ist. Ein gigantischer Anspruch und doch weitgehend realisierbar. Das vorgelegte Digitalisierungstempo lässt erwaren, dass das Ziel schon in wenigen Jahren erreicht werden kann. Zukunftsforscher sprechen in diesem Zusammenhang von der „Konvergenz der Netze“ und meinen damit die Verkopplung verschiedener dezentraler bzw. spezifischer Netze zu einem alles umfassenden und alles kontrollierenden Netz.

Nun las ich, dass der Hörgerätehersteller Kind ebenfalls smarte Geräte im Angebot hat bzw. dynamisch darauf hinarbeitet, Hörgeräte generell smart zu machen. Ich wurde neugierig und informierte mich auf der Internetseite von Kind. Dass es sich inzwischen kein Hersteller leisten kann, nicht auf den smarten Zug aufzuspringen, war mir schon klar, aber mich interessierte vor allem, welcher Sinn dahinter steckt, wenn Hörgeräte vernetzt werden. Immerhin gehören diese Geräte zu den privatesten Dingen, die man sich vorstellen kann; der größte Teil dessen, was sie empfangen und verstärken, ist nur für den Benutzer der Hörhilfe gedacht und von daher überhaupt nicht für den Datenverkehr über das Internet geeignet. Es muss also extrem schwerwiegende Gründe geben, um diesen privaten Raum aufzureißen.

„Smart Hearing“ nennt sich die Methode, erfuhr ich auf der Kind-Internetseite. Ah ja, klingt in manchen Ohren (auch ohne Hörgerät) wie Zukunft, wie Komfort, wie die bessere Welt, die uns die Digitalisierung ja verspricht. In der Tat: „Umfassende Vernetzung ermöglicht ganz neue Komfortfunktionen“ ist ein Absatz überschrieben. Beispiele: Man bekommt eine Nachricht aufs Smartphone gesendet, wenn Akkus der Hörgeräte zur Neige gehen. Man kann sich Nachrichten oder Tweets direkt aufs Hörgerät schicken lassen. Oder sich anzeigen lassen, dass die Waschmaschine durchgelaufen ist. Oder sich signalisieren lassen, wenn es an der Haustür klingelt.

Besonders der letzte Punkt ist sehr nützlich, vor allem, wenn man kein Hörgerät im Ohr hat. Denn mit Hörgerät könnte man das Klingeln ja direkt hören – falls die Hörhilfe etwas taugt. Nein, die smarte Hörwelle ist so schief wie das SmartHome allgemein. Komfort, der einem eingeredet werden muss, sonst nähme man ihn ja gar nicht wahr. Und um Nachrichten zu erfahren, braucht man nicht mal mehr zu lesen, einfach nur auf Empfang zu bleiben. Um das zu hören, was einem vorgesetzt wird. Da werden nun also auch die Hörgeschädigten in Informationsblasen gefangen. Keiner soll außen vor bleiben, wenn es gilt, die Menschen auf Meinung zu trimmen.

Meine Güte, gibt es denn niemand mehr, der sagt: „Es gibt was Wichtigeres und Besseres als die Totaldigitalisierung“? Sind die wirtschaftlichen Zwänge bereits so, dass nichts mehr unterhalb einer Allesdigitalsierung akzeptabel ist? Keine Inseln mehr, wo man vor dem allgegenwärtigen Smarten geschützt ist und das bewahren und regenieren kann, was sich der Digitalisierung entzieht, nämlich Menschlichkeit? Oder Urteilsfähigkeit und Urteilskraft?

 

Diskriminierung? Datenmissbrauch?

In NRW gibt es ein neues Streitthema: Innenminister Herbert Reul will, dass die Polizei künftig in ihren Berichten auch die Nationalität von Tatverdächtigen angibt. Dagegen gibt es Widerstand – erwartungsgemäß. So wird befürchtet, dass diese Maßnahme gegen das Diskriminierungsverbot verstößt. Ferner wird ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht vermutet, denn immerhin gehöre die Nationalität zu den geschützten, personenbezogenen Daten. Andere wiederum befürchten einen Angriff auf die Integrationsbemühungen.

Ich denke, dass ich nicht im geringsten verdächtig bin, den Datenschutz auf die leichte Schulter zu nehmen, und wer gelegentlich in diesem Blog liest, weiß auch, dass ich mich immer vehement gegen die Diskriminierung von Ausländern, Menschen mit anderer Hautfarbe usw. gewandt habe. Ebenso kann ich guten Gewissens behaupten, dass ich kein Freund von einseitig auf Sicherheit bedachten Innenministern bin. Dennoch muss ich in diesem Fall mal die Position von Reul vertreten.

Zu den Irrtümern im Zuge der Digitalisierung gehört das Unverständnis darüber, welche Daten überhaupt schützenswert sind. Persönliche Daten, zu denen auch personalisierbare Sachdaten gehören, sind schützenswert, klar. Grundsätzlich erst mal. Aber es gibt Ausnahmen: die Adresse zum Beispiel, oder das Geschlecht. Das sind zwar persönliche Daten, aber öffentliche, die ohnehin nicht geschützt werden können. Schützenswert sind dagegen die privaten, persönlichen Daten. Das, was Facebook, Google oder Apple machen, das sind Verstöße gegen den Datenschutz. Aber das, was jeder sowieso erkennen kann?

In den Zeitungen liest man des öfteren Meldungen der folgenden Art: „Ein 26-Jähriger hat mit mit einem Messer …“ Ok, es interessiert hier nicht, was mit dem Messer gemacht wurde, aber ist nicht die Altersangabe eine Preisgabe persönlicher Daten? Und werden dadurch nicht die männlichen (!) Mitglieder der Altersgruppe 20 – 30 diskriminiert? Doch hierbei denkt niemand an Verstöße gegen den Datenschutz. Irgendetwas passt nicht. Die europäische Datenschutzgrundverordnung krankt daran, dass nicht hinreichend zwischen öffentlichen und privaten Daten unterschieden wird. Es gehört zu den Nebenwirkungen der Digitalisierung, dass der Schutz des Privaten immer mehr vernachlässigt wird, was andererseits zur Folge hat, dass öffentliche Daten mitunter krampfhaft unter einen Schutzschirm gestellt werden sollen.

Keine Frage, die sogenannten „Anderen“ in unserer Gesellschaft müssen vor Diskriminierung geschützt werden. Aber ist das Nichterwähnen der Nationalität das richtige Mittel? Schauen wir uns doch einfach mal die Reaktion von Mitmenschen an, die von einem Verbrechen erfahren, bei dem nichts über den Täter gesagt wird. Wie oft hört man bei solchen Gelegenheiten, dass man bei allem Verständnis für Flüchtlinge und Migranten dafür sorgen müsse, dass Deutschland mit den vielen Ausländern nicht überlastet werde. Viele unserer lieben Mitmenschen assoziieren Gewaltverbrechen fast automatisch mit Ausländern und ignorieren, dass immer noch die meisten Verbrechen in Deutschland von Deutschen begangen werden. Inzwischen sind viele Verantwortliche in unserer Gesellschaft der Meinung, dass für eine gerechte Beurteilung vor allem eine faktisch richtige und einigermaßen vollständige Information gehört. Ich denke, dass Migranten ein Recht haben, gerecht beurteilt zu werden. Man sollte der Bevölkerung die Möglichkeit dazu geben.