Noch einmal: Corona-Apps

Ich muss noch einmal auf die geplanten Corona-Tracing-Apps eingehen. Vor einigen Tagen brachte das Heute-Journal ein Interview mit einem renommierten und – wie Klaus Kleber versicherte – kritischen Juristen, um das Für und Wider der Corona-Apps zu diskutieren. Kleber vertrat mit seinen Äußerungen und Fragen die Sache des Datenschutzes; der Jurist (noch einmal: als digitalkritischer Jurist angekündigt) vertrat die Ansicht, diese App sei unbedingt empfehlenswert. Es legte auseinander, dass die Anonymität Bedingung sei, aber unter der Voraussetzung, dass die App von seriösen Instanzen programmiert werde, durchaus gewährleistet sei. Selbst die Benachrichtigung der evtl. von Infektion bedrohten Bürger erfolge anonym über das Smartphone.

Was die Freiwilligkeit der Benutzung betrifft, bekannte sich der Jurist ebenfalls grundsätzlich zum freiwilligen Einsatz, allerdings ein wenig zurückhaltender als in Sachen Anonymisierung. In Andeutungen war die Rede davon, evtl. Geräte für die Smartphone-Muffel bereitzustellen, und im übrigen habe ja auch jeder eine Verantwortung für das Wohlergehen der Gemeinschaft. Na ja, so etwas wie Freiwilligkeit für die Verantwortungslosen.

Das ganze Interview kam mir ein wenig so vor wie eine dialektische Inszenierung mit dem Ziel, die Vorbehalte gegenüber den Apps zu zerstreuen. Ich kann mich aber auch täuschen und bitte in diesem Fall den Moderator um Entschuldigung. Doch die Positionen waren mir ein wenig zu klar abgesteckt, zu gezielt gegensätzlich; die Antworten des Juristen ein wenig zu flüssig und vorbereitet. Außerdem fiel mir auf, dass Klaus Kleber den Juristen fast immer aussprechen ließ, was überhaupt nicht seinem Interview-Stil entspricht. Normalerweise ist Kleber geneigt, dem Gesprächsparter in die Parade zu fahren, wenn irgendetwas anders läuft als geplant. Also, alles ein wenig glatt, zu glatt für die komplexe Materie.

Muss ich nun meine Meinung, die ich bereits in einem anderen Beitrag kundtat, revidieren? Der Jurist argumentierte ja dermaßen überzeugend, dass man durchaus wanken kann, wenn man eine andere Position vertritt. Am eindringlingsten versuchte er, die Bedenken bezüglich der Anonymität zu zerstreuen. Genau das ist auch für mich der springende Punkt.

Nein, ich bin anderer Meinung als der zugeschaltete Gast in der Heute-Sendung. Eine Anonymisierung liegt nur dann vor, wenn die Bezüge zu realen Personen unwiderbringlich gekappt werden. Genau das kann aber nicht funktionieren, denn das ganze Verfahren basiert auf den Positionsdaten von Smartphones, und Smartphones lassen sich nicht vom Benutzer abkoppeln.

Sicher, die App mag auf die Indizierung mit realen Personendaten verzichten und stattdessen ID-Codes verwenden. Aber dass dieses endgültig und unumkehrbar eingehalten wird, kann niemand garantieren. Ein paar Handgriffe, und an Stelle von anonymen IDs tauchen Personennamen auf. Es ist, als arbeite die Auswertungsstelle mit einer Liste, die zwei Spalten hat: links die realen Personennamen, rechts daneben die jeweiligen IDs. Nun wird Anonymität versprochen, und man hält das Versprechen auch, indem man ein Blatt Papier über die linke Spalte legt. Mehr ist die Anonymität nicht wert.

Im übrigen kann man nur betonen, dass eine echte Anonymisierung überhaupt nicht möglich ist, wenn Smartphones im Spiel sind. Smartphones sind immer zu orten und zu identifizieren, und genau diese Merkmale werden bei den geplanten Tracing-Apps ja ausgenutzt. Um echte Anonymisierung kann es sich also nicht handeln.

Doch ich will mal positiv an die Sache herangehen und annehmen, dass die Auswertungsinstitute die Algorithmen tatsächlich nur mit anonymen Datensätzen füttern. Um Im Bild mit den zwei Spalten zu bleiben: Ich gehe mal davon aus, dass die Auswerter nicht auf die linke Spalte mit den Realnahmen schauen, also einfach die Augen zumachen. Dann bleibt immer noch das Problem, dass im Hintergrund Leute sitzen, die überhaupt nicht daran denken, die Augen zuzumachen.

Ich glaube, die meisten Menschen sind der Meinung, dass sie über ihr Smartphone verfügen und es (als eingebildete Besitzer) nach ihren Maßgaben benutzen können. Irrtum! Die mobilen Betriebssysteme sind alles andere als autark, sie sind nichts weiter als von fern gesteuerte Filialen der großen Betriebssysteme der Betreiber. Das gilt sowohl für Android von Google als auch für iOS von Apple. Das mobile Windows scheint zwar keine große Rolle zu spielen, aber auch die Redmonder machen’s genau so wie die beiden Betreiber im Silicon Valley. Also, alles, was mit dem Smartphone gemacht wird, erfolgt in Kooperation mit der Software auf den Zentralservern. Und machen wir uns nichts vor: Die Betreiber haben nicht das geringste Interesse daran, die Daten der Kunden zu achten. Im Gegenteil: Sie verdienen eine Menge Geld mit diesen Daten; die Daten sind ein Teil ihres Geschäftsmodells. Und natürlich gehen sie mit den Daten nicht in aller Öffentlichkeit hausieren, wozu auch? Datengeschäfte lassen sich fast immer unter der Hand erledigen. Sicher, manchmal fliegen sie auf, wie im Fall des Geschäftes zwischen Facebook und Cambridge Analytica. Dann entschuldigt man sich (Zuckerberg hat inzwischen Übung darin), und die Sache ist erledigt.

Fazit: Egal, wie sorgfältig und verantwortungsvoll einige Auswertungsfirmen mit den Daten auch umgehen, das Smartphone auf Basis des App-Systems erlaubt keine Anwendungen, bei denen sensible Daten im Spiel sind. Es sei denn, die Anwendungen sind so wichtig, dass Datenschutz keine Rolle mehr spielt. Mag sein, dass das Corona-Tracing wichtig genug ist, aber dann sollte man so ehrlich sein und nicht von Anonymisierung und geschützten Daten sprechen.

Damit ich nicht missverstanden werde: Grundsätzlich kann es eine gute und wichtige Sache sein, wenn derartige Daten in großer Fülle zum Schutz der Gesundheit oder für Forschungszwecke erhoben und ausgewertet werden. Nur müssen die Daten dann wirklich anonym sein und bleiben, was mit dem Smartphone und dem App-System nicht gewährleistet ist. Vielleicht ist es langsam an der Zeit, mal über alternative Gerätestrukturen nachzudenken – und natürlich auch über alternative, dezentrale (bzw. spezielle) Vernetzungen. Big Data in Verbindung mit dem Internet darf es nicht geben, wenn es um so persönliche Dinge wie Krankheiten geht. Ähnliche Kriterien gelten übrigens auch für die geplante Gesundheitskarte. Raus aus dem Internet, hinein in spezielle Netze, dann gewinnt man enorme Spielräume für sichere, seriöse Anwendungen.

Traumland Estland

Andreas Klinner hat es, so wie ich mitbekommen habe, schon zweimal gründlich in der Sendung „Heute in Europa“ thematisiert. Ich meine den hohen Entwicklungsstand in Estland, wenn es um die Digitalisierung geht. Ein Traumland, ein Land, das Deutschland um Tera…irgendwas voraus ist. So drückte es die Moderatorin in der heutigen Folge (3.4.20) der Sendereihe aus. Und dann folgte der Blick in jenes überirdische Land, wo alles, wirklich alles digital läuft und das lahmarschige Deutschland wie ein Entwicklungsland aussehen lässt.

Das Loblied auf den baltischen Staat am Finnischen Meerbusen hatte etliche Strophen. Eine davon besang die paradiesischen Verhältnisse, die man bereits den Kleinsten der Gesellschaft bereitet. Schon im Kindergarten ist der Gebrauch des Smartphones eine Selbstverständlichkeit, für jedes Kind. Wie gesagt, ein Träumchen, ein Vorbild, zu dem man nur mit leuchtenden Augen aufschauen kann.

Eine Frage habe ich allerdings: Kann mir irgendjemand plausibel erklären, warum es gut oder nachahmenswert sein soll, wenn bereits Kinder im Kindergartenalter auf dem Smartphone herummachen? Die Frage könnte man auf etliche Digital-Sachverhalte in Estland ausdehnen.

 

Unkenntnis und Naivität

In normalen Zeiten klammern sich die Leute an die Digitalisierung, weil sie nach Komfort und Bequemlichkeit lechzen; jetzt, wo Corona grassiert, klammern sie sich ebenfalls an die Digitalisierung, wie Schiffbrüchige am Treibholz. Diesmal geht es ums Überleben, und wie das so ist, wenn Angst die Gesellschaft schüttelt, dann werden alle Bedenken in die hinterste Ecke gestellt. Nichts ist so abstrus, dass man es nicht in Erwägung ziehen wollte; nichts ist so schlimm, dass man es in der Krise nicht relativieren wollte.

Der Gedanke: Corona-Infizierte sollen mit einer Smartphone-App überwacht werden, um Kontaktpersonen ausfindig machen und Infektionsketten verfolgen und unterbrechen zu können. Sicher, ein wichtiges Anliegen, aber eine derartige App würde alles in den Schatten stellen, was die Digitalisierung bereits an Menschwürde und Grundrechten zerstört hat. Selbst bei Abgebrühten löst schon der Gedanke an ein solches Verfahren schieres Entsetzen aus, zumindest bei jenen, die sich ein Leben ohne Menschenwürde nicht vorstellen wollen. Da sich die Befürworter der Corona-App dieses Entsetzens bewusst sein, bringen sie relativierende Aspekte ins Spiel, nach dem Motto: alles halb so schlimm, wenn wir es richtig machen. Es sind im wesentlichen drei Argumente, die ins Feld geführt werden, um die Zweifel der Kritiker zu zerstreuen:

  1. Die anfallenden Daten sollen anonymisiert werden. (Natürlich!)
  2. Nach Beendung der Pandemie werden die Daten gelöscht. (Selbstredend!)
  3. Frau Merkel fügte noch hinzu, dass die Teilnahme an der Aktion auf freiwilliger Basis erfolgen solle. (Klar, halb so schlimm!)

Alle drei Argumente strotzen nur so von Unwissen über die informationstechnischen Zusammenhänge und/oder von Naivität. Vielleicht auch von gerissener Überredungstaktik.

  1. Die Daten lassen sich gar nicht anonymisieren. Das Verfahren basiert darauf, dass man einzelne, identifizierbare Smartphones verfolgt und deren Wege bzw. deren Kontakte zur Auswertung aufzeichnet. Sicher, dabei müssen keine Personennamen verwendet werden, es geht auch mit Hilfe von irgendwelchen IDs. Aber der Bezug zu den Nutzern der Smartphones bleibt bestehen, solange die Smartphones identifizierbar sind. Mit einem winzigen Eingriff, der nur wenige Minuten dauert, können jederzeit sämtliche Kennungen wieder auf persönliche Namen umgestellt werden. Anonymität ist nur vorgeschoben. – Noch etwas: Angenommen, das Covid-19-Verfolgungssystem hat gefährliche Kontakte ausgemacht, die darauf hinweisen, dass viele Menschen das Virus eingefangen haben könnten. Dann geht doch kein Weg daran vorbei, die betroffenen Personen zu benachrichtigen, zu warnen oder was auch immer. Und die Betroffenen sind keine IDs (die sind resistent), sondern Menschen. Dazu müsste auf der Stelle die Anonymität aufgehoben werden. Was soll also das Gerede von Anonymität?
  2. Wer nur ein bisschen hinter die Kulissen des Internets schaut, der weiß, dass sich Daten, die im Netz kursieren oder auf vernetzten Serversystemen gespeichert sind, nicht wirklich löschen lassen. Dazu ist das Speichersystem mit den vielfachen Redundanzen viel zu weit gefächert. Es gibt unzählige digitale HInterzimmer, in denen sich Daten unauffindbar verstecken lassen. Und Daten werden nicht schlecht, sie lassen sich vortrefflich horten und für künftige Big-data-Zeiten aufbewahren. Außerdem ist der Ertrag, den gesellschaftsrelevate Daten versprechen, viel zu groß, viel zu verlockend, als dass man eine wirkliche Löschung versprechen könnte. Gerade für zukünftige Strategien gegen eine Pandemie ist der Datenschatz aufbewahrenswert. – Es kommt noch hinzu, dass die Daten, von denen wir hier sprechen, nicht nur für die Gesundheitssysteme von Wichtigkeit sein, sondern auch für jene, die damit viel Geld verdienen. Bei der Gelegenheit sollte man sich mal wieder daran erinnern, dass alles, was mit dem Smartphone gemacht wird, brühwarm an die IT-Firmen in den USA gesandt wird. Die können die Daten links liegen lassen, sie behaupten auch, sie täten es, aber in Wirklichkeitl sind sie ganz bestimmt schlau genug, um solche fetten Datenbrocken erst mal auf Halde zu horten.
  3. Ach ja, die Freiwilligkeit. Mal ehrlich, glaubt irgendjemand ernsthaft, jemand mit nachgewiesener Corona-Infektion spaziert mit dem Smartphone durch die Gegend und lässt sich auf Schritt und Tritt kontrollieren, ob er anderen evtl. zu nahe kommt? Abgesehen davon, dass er ja sowieso zu Hause bleiben muss? Nee, es sind die Gesunden oder nicht nachweislich Infizierten, die mit Fußfesseln durch die Gegend marschieren. Ach ja, man kann ja nachträglich noch feststellen, mit wem jemand vor dem Test, also als Gesundgelaubter, Kontakt hatte. Klar, kann man, aber das geht nur, wenn jeder Gesunde lückenlos überwacht wird, so wie es teilweise in China gehandhabt wird. Ist das vielleicht sogar beabsichtigt? Ist die Corona-Krise ein willkommer Anlass, um endlich einen gehörigen Schritt weiter zu kommen, hin zu einem Überwachungsstaat?

Nein, die ganze Initiative ist ein faules Ei. Wahrscheinlich wird es nicht funktionieren, und wenn doch, dann haben wir die kuriose Situation, dass wir vielleicht Menschenleben retten, aber mit Mitteln, die dafür sorgen, dass das gerettete Leben nicht mehr lebenswert ist. Eine Wirtschaft lässt sich wieder in Gang bringen, wenn auch mit Entbehrungen (auf hohem Niveau), doch eine totale Überwachung zerstört die Seele der Gesellschaft, ohne Chance auf Wiederbelebung.

Leute, nun kapiert doch, verdammt noch mal, dass die Smartphones, wenn sie zum Corona-Tracking eingesetzt werden, nichts anderes als Fußfesseln sind. Ja, ja, es gibt Argumente für eine solche Grenzüberschreitung, aber seien wir doch nicht so naiv und gehen davon aus, dass die Maßnahme zu Ende sein wird, wenn die Krise vorbei ist. Was im Internet installiert wird, bleibt dort dauerhaft erhalten und kann jederzeit mit einem Klick wieder reanimiert werden. Es gibt ja keine Kräfte, die auf die Beendigiung der Maßnahme hinarbeiten. Bei einer Quarantäne ist das etwas ganz anderes, da sorgen schon die Betroffenen dafür, dass die Maßnahme zu Ende geht. Smartphone-Überwachung dagegen erfolgt schmerz- und entbehrungsfrei, eben smart, flutschig, gefühlsneutral.

In aller Deutlichkeit: Wenn wir – aus noch so triftigen Gründen – die Grundrechte partiell aushebeln, dann bleibt am Ende (das ist gar nicht so weit) nichts mehr davon übrig. Dann haben wir unsere Grundrechte Stück für Stück abgebaut und auf dem Abfallhaufen der Geschichte entsorgt. Gibt es einen besseren Grund für das Corona-Virus, lauthals zu jubilieren?

 

Abwägungen

Heute-Journal am 29. März 2020

Der Moderator Klaus Kleber thematisierte die Problematik und lenkte einen Großteil der Berichterstattung gezielt auf die Frage: Ist es vertretbar, nur auf die Vermeidung von Corona-Infektionen hinzuarbeiten und dabei außer Acht zu lassen, dass eine wegen der Beschränkungen zusammenbrechende Wirtschaft am Ende ebenfalls Todesopfer fordern könnte, vielleicht sogar mehr als die Corona-Pandemie?

Damit hat Kleber die These vieler Wirtschaftsvertreter aufgegriffen (und sich selbst weitgehend zu eigen gemacht), dass man möglichst schnell zu normalen Verhältnissen zurückkehren und u.U. einen Anstieg der Corona-Toten in Kauf nehmen müsse. Hier schimmert die Ansicht des texanischen Vizegouverneurs Dan Patrick durch, wenn auch nicht in so unverblümter Form.

Kann man, darf man diese beiden Problemkreise überhaupt in einen Topf werfen, obwohl sie natürlich miteinander zu tun haben? Klare Antwort: Nein, und zwar aus verschiedenen Gründen. Zum einen verbietet sich, die konkret zu erwartenden Opfer des Corona-Virus gegen die spekulativen Opfer einer teilweise zerstörten Wirtschaft aufzuwiegen. Zum anderen ist dieses Abwägen auch unlogisch, weil die Lösungswege sich unterscheiden. Die Vermeidung von Corona-Toten erfolgt durch Quarantäne-Maßnahmen oder ähnlichen Kontaktbeschränkungen; die Vermeidung von „Wirtschafts-Toten“ erfolgt durch Umgestaltung der Wirtschaft.

Wenn die Wirtschaft so zusammenbrechen sollte, dass Tausende von Todesopfern zu erwarten sind, dann muss sie reformiert werden, und zwar von Grund auf – weltweit. Dann hat uns das Corona-Virus vor Augen geführt, dass das heißgeliebte kapitalistische System dabei ist, historisch zu versagen. Dann müssen Heilige Kühe wie weltweite Mobilität, weltweit vernetzte Produktionsstränge, weltweite Finanzbewegungen geschlachtet werden. Dann kann es nicht mehr das Bestreben sein, die vorherigen Zustände möglichst schnell wieder herzustellen, sondern Übergangsmechanismen zu schaffen, die zu robusteren und nicht so total vernetzten (= anfälligen) Wirtschaftsstrukturen führen.

 

 

Die andere Sicht

Beim Verfolgen der Sendung „Hart aber fair“ mit Frank Plasberg traf ich zum ersten Mal auf eine Stellungnahme, die eine völlig andere Sicht auf die Corona-Krise offenbarte. Genau genommen ging es um die Maßnahmen zur Überwindung der Krise. Da äußerte ein Zuschauer im Netz, dass es doch viel besser sei, nicht die gesamte Gesellschaft unter Quarantäne zu stellen, sondern nur die Risikogruppe, also die älteren oder die mit Vorerkrankungen belasteten Mitbürger. Die anderen könnten die Coronawelle über sich ergehen lassen wie eine normale Grippewelle und ansonsten den Betrieb weitgehend normal aufrecht erhalten. Plasberg deutete an, dass dieser Vorschlag einigen Sprengstoff enthalte, und die Sache wurde von den Diskussionsteilnehmern in der Sendung auch nur ziemlich dünn kommentiert.

In der heutige Tageszeitung las ich von zwei weiteren Äußerungen, die in die gleiche Richtung gehen. Da ist zum einen der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel, der aufforderte, einmal „nachzudenken, ob wir wirklich auf dem richtigen Weg sind“. Ebenso wichtig wie der Schutz der Risikogruppen sei eine Strategie, „wann und wie wir das öffentliche Leben in Deutschland wieder hochfahren“. Mit einer dauerhaften Quarantäne sei niemandem geholfen, und es sei zu befürchten, dass junge Menschen zunehmend gegen die Maßnahme rebellierten.

Auf derselben Zeitungsseite ein Bericht über eine Äußerung des texanischen Vizegouverneurs Dan Patrick, der forderte, ältere Bürger sollten in der Corona-Krise im Zweifel ihr Leben für die Wirtschaft opfern. Man dürfe nicht zulassen, dass die Bekämpfung des Virus schlimmere Folgen für die Enkelgeneration habe als das Virus selbst. Es sei zu überlegen, zum Schutz der Arbeitsplätze die Ausgangssperren aufzuheben, auch wenn dadurch das Leben vieler Senioren gefährdet sei.

Im Grunde weisen die drei Beispiele in dieselbe Denkrichtung; sie unterscheiden sich nur in der Direktheit und Offenheit der Formulierungen. In Texas, dazu noch unter der schützenden Dunstglocke eines Donald Trump, kann man als Republikaner schon mal in die Vollen ballern. Wirtschaftliches Denken: „Nun rechnet doch mal nach. Jetzt 10000 Tote durch Corona oder wahrscheinlich 12000 Tote demnächst durch Wirtschaftsschwäche, das ist doch ein gutes Geschäft. Gewinn: 2000. Hey, wo ist das Problem?“ Ganz anders Düsseldorf. Der Bürgermeister muss sich weitgehend an der Political Correctness orientieren und kann deshalb nur indirekt seine Ansichten anbringen, indem er auf drohende Sekundärgefahren hinweist.

Am klarsten hat sich noch der in Plasbergs Sendung zitierte Wortmelder geäußert, und so ganz kann man seine These nicht vom Tisch wischen. Immerhin vereint sie zwei Anliegen, nämlich den Schutz von Schutzwürdigen und gleichzeitig das Aufrechterhalten des gesellschaftlichen Betriebes und damit das Vermeiden von Pleiten, Entlassungen in die Arbeitslosigkeit, bedrohlichen Versorgungsengpässen usw.

Doch beim genaueren Hinschauen gibt es einige Punkte, die die forsch geäußerte These gehörig ins Wanken bringt. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass es unter den geforderten Umständen keine Zwangsquarantäne geben kann. Eine angeordnete Quarantäne setzt voraus, dass das Gemeinwesen geschützt werden soll. Wenn aber, wie verlangt, keine Maßnahmen zur Eindämmung des Virus mehr ergriffen werden sollen, geht es nur noch um das Wohl der Risikogruppe, und diesen Bürgern kann man höchstens nur noch empfehlen, zum eigenen Schutz die Wohnung nicht mehr zu verlassen. Die Anordnung von Quarantäne ergibt überhaupt keinen Sinn mehr.

Gehen wir mal davon aus, dass die Risikobürger die Gefahr erkennen und sich freiwillig ins Hinterzimmer der Gesellschaft begeben. Vorne, wo das Leben weiter pulsiert, nur unterbrochen von den zeitlich begrenzten Ausfällen der vom Virus infizierten „Leistungsträger“, geht alles annähernd weiter seinen Gang. Und wenn der Großteil der Leute die Krankheit hinter sich gebracht hat, dann ist die Sache schon weitgehend ausgestanden. Oder?

Um die Menschen zu beruhigen, haben Ärzte zu Beginn der Pandemie immer wieder betont, dass vor allem ältere und kranke Menschen betroffen seien. Im Umkehrschluss haben viele jüngere Mitmenschen gedacht, dass ihnen nicht viel passieren könne. Etwas Husten, leichtes Fieber, wenn’s hochkommt. Und dann wieder volles Leben. Meines Wissens gibt es bis jetzt noch keine verlässlichen Zahlen über das Alter der von Covid betroffenen Menschen, zumindest wurden sie noch nicht veröffentlicht. Geht es bei Jüngeren wirklich immer so glimpflich ab? Man müsste jetzt mal speziell die Nicht-Risikogruppe ins Auge fassen und klarstellen, wie stark sie von schweren oder tödlichen Krankheitsverläufen betroffen ist. Ich denke, die Lust auf Corona-Parties würde auf der Stelle vergehen.

Das ist noch nicht alles. Eine absolute Quarantäne kann es nicht geben, und wenn man das Virus ungebremst grassieren lässt, dann nützt auch der freiwilliger Rückzug in einen Schutzraum bald nichts mehr. Es mag vielleicht nicht im Denken der dynamischen Jung- und Mittelaltbürger verankert sein, aber auch die Schwachen und Gefährdeten brauchen Nahrung, müssen medizinisch versorgt werden usw. Je stärker das Virus im schutzfreien Raum verbreitet ist, desto stärker sickert es durch die unvermeidlichen Kontakte in die Quarantäne-Bereiche ein.

Nun das Entscheidende: Die Vertreter der Lasst-das-Virus-gewähren-Theorie gehen offenbar davon aus, dass sie die Covid-Erkrankung in gewohnter Grippe-Manier wegstecken können. Sicher, eine Reihe von tödlichen Verläufen, ansonsten aber bekannte Symptome, die in den allermeisten Fällen zu Hause im Bett behoben werden können. Nur ist das Corona-Virus keine normale Grippe. Die Ansteckungsgefahr ist unvergleichlich höher, und wenn es zu einem mittelschweren oder schweren Krankheitsverlauf kommt, dann geht es nicht mehr zu Hause. Dann braucht man Intensivbetreuung mit Beatmungsgeräten. Und wenn die Anzahl der Infizierten in die Millionen gehen würde, was die zwangsläufige Folge eines frei wirkenden Virus wäre, wenn selbst Hundertausende der Kranken nach Intensivbetten verlangen würden, dann hätten wir die totale Katastrophe – personell und ausstattungsmäßig. Und daran wäre nicht die Risikogruppe schuld.

Ja, und wenn dann noch das Virus stark in die Quarantänebereiche einbrechen sollte, was bei der enormen Masse der Infizierten unvermeidlich wäre, dann wäre die totale Überlastung des Gesundheitssystems perfekt, und es bliebe nur die Selektion, also die Entscheidung von Ärzten, wer behandelt wird und wen man gleich in die Sterbekammern schickt. Die Renten- und Pensionskassen würden enorme Überschüsse verbuchen können.

Bei allem Verständnis dafür, dass sich vor allem Kleinunternehmer berechtigte Sorgen um ihre Zukunft machen; bei allem Frust, den sie empfinden mögen, wenn die zugesagten Hilfen dann doch wieder in bürokratischen Hindernissen steckenbleiben: Der Kampf gegen das Corona-Virus kann nur gemeinsam gelingen. Und je konsequenter und entschlossener er von Anfang an geführt wird, desto eher ist er ausgestanden. Eine Spaltung kann die Situation nur verschärfen – für jeden Bürger.

Nachtrag (28. März):

Inzwischen mehren sich die Stimmen, die einen differenzierten Umgang mit „robusten“ Bürgern und Risiko-Bürgern verlangen. Dass manche Menschen darüber entsetzt sind und von Diskriminierung sprechen, ist nur verständlich. Ich habe in dem Beitrag versucht, auf der objektiv-sachlichen Ebene zu bleiben und Wertungen zu unterlassen (wenn man mal von meinen sarkastischen Anmerkungen zu den Äußerungen des Texaners absieht). Ansonsten bin ich der Meinung, dass es genügend sachliche Gründe gegen eine einseitige „Altersquarantäne“ gibt. Dennoch will ich nun mit einer Wertung nicht hinter dem Berg bleiben: Ja, eine vorgeschriebene Quarantäne nur für Risikogruppen ist Diskriminierung, sogar in der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes.

Aber es gibt noch einen anderen Grund für diesen Nachtrag. Inzwischen hat man – hoffentlich – mit dem Märchen aufgeräumt, dass vor allem das Alter maßgeblich für die Schwere der Krankheit sei. Entscheidend sind vielmehr die Vorerkrankungen und die körperliche Verfassung. Dass gerade die Älteren in besonderem Maße in der Statistik auftauchen, liegt daran, dass ihr Allgemeinzustand nicht mehr der widerstandsfähigste ist und dass sie eben mehr Vorerkrankungen in ihrem Leben angehäuft haben. Gleichwohl können auch jüngere Infizierte in besonderem Maße betroffen sein – genau so gut wie ältere Menschen sich als Corona-resistent erweisen können. Die Geburtsurkunde als Maßstab – das geht an der Sache vorbei.

Diese Abhängigkeit vom allgemeinen Gesundheitszustand legt eine möglichst vollständige Erfassung der Gesundheitsdaten der Bürger nahe, um die Verbreitung des Virus wirkungsvoll eindämmen zu können. Damit begibt sich die Gesellschaft auf einen gefährlichen Weg, denn es geht dann ja nicht mehr um allgemein-statistische Daten, die wir jetzt schon haben, sondern um individuelle, namentlich bekannte Menschen. Der Schritt zu einem öffentlichen Umgang mit diesen hochbrisanten Personendaten ist nur ein kleiner.

Ich weiß nicht, in welchem Land es bereits punktuell praktiziert wird [1], jedenfalls gibt es dort eine App, mit der man sich anzeigen lassen kann, wo gerade infizierte Personen herumlaufen. Tolle Sache, um dem Corona-Virus beizukommen, gesellschaftlich jedoch eine Katastrophe, schlimmer als die Pandemie. Die Infizierten tragen so etwas wie eine Fußfessel mit sich herum, diejenigen, die den Kontakt mit Infizierten vermeiden wollen, betrachten ihre betroffenen Mitmenschen nur noch wie Gefahrenherde. Anders als bei einer allgemeinen Kontaktsperre werden hier ganz gezielt einzelne Personen stigmatisiert. Vor allem aber werden solche Mechanismen nicht einfach wieder abgeschaltet, wenn die Krise überwunden ist. Die Digitalisierung kann einige Probleme beheben, wenn sie aber völlig unkritisch eingesetzt wird, hat sie das Potenzial, Menschen in frei bewegliche Datensätze zu verwandeln. Das ist unmenschlich – eben digital.

[1] Wenn ich mich recht entsinne, war es einer der „vorbildlich innovativen“ baltischen Staaten.

Überleben gesichert

Ja, nun kann die Quarantäne kommen; es ist mir gelungen, eine Packung Klopapier zu erstehen. Es war die zweitletzte im Supermarkt. Egal, nun haben wir Klopapier für 3 oder 4 Wochen. Herrlich! Ich kann die Vorrichtung zum Aufspießen von Zeitungspapier wieder aus dem WC entfernen – vorerst. Und eine Tüte Mehl konnte ich ebenfalls noch auftreiben, sogar eine Packung Nudeln. Was will man mehr?

Über das Hamstern von Kopapier werden bereits deftige Witze gemacht, und der Karrikaturzeichner unserer Tageszeitung läuft zur Hochform auf, wenn er den Klopapiermangel thematisiert. Dabei ist der Mangel überhaupt nicht durch die Corona-Pandemie verursacht, das heißt nicht direkt. Klopapier hätte es immer in mehr als ausreichender Menge geben können, wenn es nicht diese Mitmenschen gäbe, die in Zeiten der Krise unter Beweis stellen wollen, zu welch irrationalem Denken und Handeln sie fähig sind. Da haben wohl einige Zeitgenossen gedacht: Vorratshaltung muss sein, sonst wäre es ja keine richtige Krise. Aber was? Es muss unentbehrlich sein, es muss sich stapeln lassen usw. Vor allem muss es haltbar sein, damit auch größere, private Lagerbestände im Laufe einiger Jahre aufgebraucht werden können. Klar, Klopapier eignet sich gut.

Und so entstanden die ersten leeren Regale. Die Leute, die ganz normal einige Rollen kaufen wollten, gerieten angesichts der fehlenden Ware in Panik, und wenn mal was da war, kaufte man halt nicht ein Paket, sondern zwei. Oder drei. Und half so mit, dass die Regale wochenlang leer blieben. Vernunft? Um Himmels willen, die kramen wir nach der Krise wieder hervor.

Kann man es den Menschen verdenken, wenn sie angesichts der gähnenden Leere im Regal etwas stärker hinlangen, wenn es mal was zu kaufen gibt? Nein, die Idioten waren zu Beginn des allgemeinen Hamsterns aktiv, es waren die Leute, die das Klopapier als Hamsterobjekt erst publik und populär machten. Heißa, da glühten förmlich die Leitungen der „sozialen“ Medien, und die Gier nach Klopapier verbreitete sich schneller als das Corona-Virus. So wie alle digitalen Meldungen, die nur hinreichend falsch, reißerisch oder hasserfüllt sein müssen. Und natürlich sind es Scheißhausparolen und Gerüchte, die sich auf Facebok, Twitter, Instagram oder Whatsapp explosionsartig vermehren. Das Hamstern von Klopapier basiert auf so einer Scheißhausparole, im wörtlichen Sinne.

Machen wir uns nichts vor: Facebook kann noch so feuchtwarm mit Slogans wie „Miteinander“ für seine Plattform werben; in den weitaus meisten Fällen wird ein Gegeneinander produziert. Die Balgerei ums Klopapier ist nur ein Beispiel. Sicher, es gibt Fälle, wo sich die Plattformen als nützlich erwiesen haben – na ja, zumindest als bequem. Eigentlich sollte uns da eine Krise wie die Corona-Hamsterei die Augen öffnen und den Blick mal auf die Schattenseiten der Netzkommunikation lenken, aber bei der vorherrschenden, blinden Digitalgläubigkeit macht man liebe die Augen zu. Das ist einfacher.

 

Klopapier-Pandemie

„Klopapier-Pandemie“, unter diesem Namen könnte die derzeitige Corona-Pandemie mal in die Geschichtsbücher eingehen. In der Tat: Das weltweit zu beobachtende Hamstern von Klopapier oder auch Mehl ist an Unsinnigkeit nicht mehr zu überbieten, aber es zeigt, was aus Menschen wird, wenn sie unmittelbar von einer Katastrophe berührt werden und dieselbe nicht mehr (genüsslich) vor dem TV-Schirm verfolgen können, so wie einen spannenden Thriller.

Doch wie kommt es zu diesen schrillen Begleiterscheinungen der Virus-Epidemie? Wer hat den verunsicherten Zeiggenossen eingebläut, dass sie ihren Keller mit Klopapier vollpacken müssen, wenn sie überleben wollen? Klar, man hat es nun eindeutig ausgemacht: Es waren auf keinen Fall die seriösen, öffentlichen Medien, es waren auch keine Politiker oder Wissenschaftler, nein, es waren die üblichen Brüllerinnen und Brüller in den „sozialen“ Medien, die sich lustvoll am Weiterverbreiten von Unheilmeldungen beteiligten. Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass auch die Tweets und Posts ganz schnell viral gehen, mit mindestens derselben Agressivität wie das Corona-Virus. Und so haben wir zwei parallele Krankheitswellen: eine, an der viele Menschen physisch erkranken, mit einer überschaubaren Zahl an schweren Fällen; eine andere, die geisterhaft durch die digitale Unterwelt wabert und die Menschen zu irrationalen Handlungen anstachelt. Ich bin nicht sicher, dass die erstere die gefährlichere der beiden ist.

Nun hat die von der Digitalisierung der Welt überzeugte Menschheit sofort das Positive auch in der Krise entdeckt. Schulkinder, die notgedrungen in Zwangsferien gehen, können ja digital weiterlernen. Ach ja, geht natürlich. Man kann den Schülern Aufgaben übermitteln, einige der Aufgaben vielleicht auch kontrollieren. Das ist natürlich moderner als den Kindern einen vervielfältigten Aufgabenzettel mit in die Ferien zu geben. Na ja, ein bißchen Rückkopplung ist schon zu begrüßen; dazu kann das Netz durchaus beitragen. Aber darauf zu hoffen, dass ein Schüler über Tage und Wochen hinweg von sich aus emsig lernt und büffelt? Nee, das ist einfach nur blauäugig. Zu schnell ist der Lernstoff weggeklickt und das spannende Spiel gestartet.

Sicher, einige Schulen sind inzwischen so weit (glaub ich), dass sich die Schüler in ein schulinternes Netz einloggen können. Schulhof-Facebook sozusagen. Es sind jene Schulen, die das Abgleiten in digitale Parallelwelten bereits in ihrem Schulbetrieb realisiert haben, meisten angestachelt von einem oder zwei digital engagierten Kollegen, die es bei ihrem informationstechnischen Wissensvorsprung relativ leicht haben, die anderen Kollegen zu überzeugen oder einfach nur mitzunehmen. Über eine derartige Schulwelt, die in der Krise natürlich ganz groß herauskommt, will ich mich nicht weiter auslassen. Nur so viel: Alle Versuche, das Lernen in der Schulen weitgehend zu technisieren (zu „objektivieren“), sind bisher ziemlich fehlgeschlagen, weil sich herausgestellt hat, dass die wichtigste Voraussetzung für nachhaltiges, persönlichkeitsbildendes Lernen der unmittelbare Kontakt, also die gelebte Klassen- und Schulgemeinschaft ist.

Wenn also ein Journalist meint, man könne aus der Corona-Krise lernen und die aus der Not geborenen Lernmodelle mitnehmen in die Zeit nach Corona, dann ist das alles andere als hilfreich. Im Gegenteil, das Ende der Corona-Krise sollte auch deshalb so schnell wie möglich herbeigeführt werden, damit die Schüler wieder zu einem echten Lernen in der Gemeinschaft zurückkehren können.

Etwas besser ist schon die Lösung mit dem Home-Office. Hier geht es nicht um prägende Einflüsse fürs Leben, sondern ums schichte Erfüllen von klar beschreibbaren Aufgaben. Eine ganz andere Kategorie als die Bildung von Kindern und Jugendlichen. Allerdings ist auch das Home-Office keine Patentlösung. Zum einen lässt sich nur ein sehr begrenzter Teil von administrativen Dingen übers Netz abwickeln, zum andern verläuft der Betrieb zu Hause in vielen Fällen nicht ungestört, denn da sind ja noch die Kinder. Und diese fangen an zu nörgeln und zu quängeln, wenn sie im Haus bleiben müssen, verständlich. Verständlich auch, wenn Mama oder Papa ihre Kinder für wichtiger halten als die Datensätze im Computer.

Und auch dieses: Egal, ob Corona oder nicht, das Home-Office kann für die meisten Mitarbeiter nur eine Ergänzung sein. Die Leute brauchen den direkten Kontakt zu Kollegen, das „Scheiße!“ über den Schreibtisch hinweg, wenn es mal hakt; den schmutzigen Witz im Aufenthaltsraum während der Frühstückspause; das verbindende Grimassenziehen, wenn der missgelaunte Chef wieder aus dem Büro verschwunden ist. Auch ein gesundes Kollegium braucht Gemeinschaft und unmittelbare Kontakte. Die Leute, die bisher einen Großteil ihrer Arbeit zu Hause am Computer verrichteten, können ein Lied davon singen.

Nun ja, die Krise hat nun mal Einschränkungen auf ganzer Linie zur Folge. Da kann man wenigstens froh sein, wenn man genügend Papier zum Reinigen der körperlichen Rückseite hat, wenn man sich also vernünftig auf eine lange Quarantäne eingestellt hat. Ach so, einige Mitmenschen haben überhaupt kein Klopapier mehr, weil sie immer wieder auf leere Regale stoßen? Keine Panik, so schlimm kann ein schmutziger Po doch gar nicht sien, erst recht nicht, wenn die Reinheit des eigenen auf Monate und Jahre hinaus gesichert ist, oder? (Pardon, nur ein Versuch, mich in die beschränkte Denkweise der Hamsterkäufer hineinzuversetzen)

Ja, die Corona-Krise zeigt uns wieder einmal deutlich, was in den Menschen schlummert, wenn die Schutzfassade des geordneten bürgerlichen Lebens bröckelt und abfällt. Die Klopapier-Jagd ist nur ein relativ harmloses Massenphänomen; in der Vergangenheit hat es bei vergleichbaren Epidemien schon Progrome gegen Minderheiten gegeben, denen man die Schuld in die Schuhe schob. Juden oder religiöse Gruppen waren bevorzugte Opfer. Zwar hat sich die gesellschaftliche Einstellung zu Minderheiten und Fremden gebessert, aber die Aufwiegler und Hassprediger, die gibt es wieder (oder immer noch). Was diese Hetzer brauchen, ist eine Gesellschaft, die empfänglich für irrationale Motive ist. Die Klopapierjäger können einen da nicht optimistisch stimmen.


Nachtrag: Erneut stieß ich auf einige Leserbriefe, in denen ermutigt wurde, das digitale Lernen oder das HomeOffice als positive Option auch für die Zeit nach Corona in Betracht zu ziehen. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Maßnahmen sind in gewissem Umfang hilfreich in Zeiten der Krise, aber es sind Behelfsmaßnahmen, die  auf keinen Fall dauerhaft das Geschehen bestimmen sollten, allenfalls als dosiert eingesetzte Ergänzung. Gerade nach einer notgedrungen kontaktarmen Phase kommt es darauf an, die persönlichen, direkten Kontakte wieder stark in den Vordergrund zu rücken; andernfalls erlahmt die Gesellschaft von innen her.

Ebenso möchte ich anmerken, dass die zur Zeit sinnvollen Grenzschließungen kein Dauerzustand werden dürfen, so sehr einige Politiker die „Vorteile“ von Grenzkontrollen auch betonen mögen. Europa ist das erste größere Projekt in der Menschheitsgeschichte, das zur Überwindung des nationalen Egoismus beiträgt. Wenn wir daran denken, welches Unheilt bereits von Nationalismus und Rassismus ausging, dann darf nichts einem Europa ohne Grenzen im Wege stehen. Grenzen als vorübergehender Notbehelf zu Zeiten des Coronavirus – mehr nicht.

 

 

Rette sich wer kann

Nein, nicht die anderen retten, sondern sich selbst retten, darum geht es im Überlebenskampf im Zeichen von Corona.

Ich musste so einiges bei ALDI einkaufen: Käse, der hier würziger schmeckt als die zusammengepresste Milchmatsche in den anderen örtlichen Supermärkten. Dann ein Glas Bockwürstchen für die Linsensuppe, schließlich noch einige Packungen Frischkäse. Meine Frau rief mir noch nach: „Bring auch Klopapier mit, ich habe eben die letzte Rolle im Badezimmer eingehängt.“

Also ein ganz normaler Einkauf – dachte ich. Käse war keiner mehr da, gähnend leere Kartons. Ok, dachte ich, dann eben Marmelade, die macht meine Frau immer selbst und ist somit ständig verfügbar. Frischkäse war auch keiner mehr da. Ok, dachte ich, dann gibt es zu den Paprikahälften morgen eben keine Ajwar-Soße, futtern wir das Zeug trocken. Bockwürstchen: Fehlanzeige, alles ausverkauft. Ok, dachte ich, Fleisch ist sowieso ein Klimakiller, sagt man überall. Also machen wir heute Mittag einen auf vegetarisch. Schließlich das Klopapier. Muss ich hier beschreiben, wie das Regal aussah?

Kurz, ich schob den leeren Einkaufswagen demonstrativ auffällig an der Kasse vorbei, rief der Kassiererin zu, dass ich nichts gefunden habe und steuerte den ersten Supermarkt im heimischen Dorf an. Kein Toilettenpapier mehr. Im zweiten Supermarkt: Kein Toilettenpapier mehr.

Was tun? Nun bin ich nicht mehr der Jüngste und kann auf die Erfahrungen der Nachkriegszeit zurückblicken, zumindest verschwommen, da ich damals noch ein Kind war. Aber auch als Kind muss man kacken, sogar recht oft, und wenn man auf dem Klo hockt und drückt, hat man Zeit, sich das kleine Häuschen genau anzusehen. Jedes Detail wurde mir im Laufe der Jahre vertraut, zum Beispiel die Lackabsplitterung unten an der Tür. Es sah aus wie ein Kamel mit drei Höckern. Oder wie eine Raupe. Auch den Papierspender konnte ich eingehend studieren.

Den habe ich jetzt nachgebaut, denn ich habe keine Lust, mich abends in einem Supermarkt einschließen zu lassen, damit ich am nächsten Morgen schnell etwas Klopapier schnappen kann. Nein, solche Tricks überlasse ich den Papiersammlern, die auch den letzten Winkel ihres Vorratsraums geschickt mit Klopapier anfüllen. Wird ja nicht schlecht, das Zeug, und irgendwann nach zwei oder drei Jahren ist der Kram verbraucht, und es gibt wieder Platz für unwichtigere Vorräte.

Aber ich wollte von meinem Papierspender berichten: Man nehme ein Brett, etwa 15 x 25 cm, dazu einen langen Nagel, etwa 3 oder 4 Zoll. Oben bohre man ein 4mm-Loch durch das Brett, darunter, etwa 10 cm vom oberen Rand entfernt ein weiteres Loch, das etwas kleiner als der Nageldurchmesser ist. Dann treibe man den Nagel von hinten durch das Loch, so dass er vorne spitz hervorsteht, und hänge das geniale Teil in Griffweite neben der Kloschüssel auf. Schließlich nehme man einige Zeitungen und schneide einen kleinen Stapel Papiere zurecht. Größe etwa 14 x 23 cm, aber so genau kommt es nicht drauf an. Der Schnitt muss auch nicht ganz glatt sein, in Zeiten der Not lernt man ohnehin schnell, mit Unvollkommenheiten zu leben. Den Stapel Papier spießt man schließlich auf den Nagel des beschriebenen Poporeinigungsgerätes.

Das Ganze hat noch einen tollen Nebeneffekt: Wenn es mal nicht so schnell klappt, kann man sich die Zeit mit dem Lesen von Zeitungsartikeln verkürzen. Alles hat auch seine positiven Seiten.

 

Syrien

Sorry, mir fällt keine einfallsreichere Überschrift ein, denn für das, was sich derzeit in Syrien abspielt, hat die Menschheit noch keinen passenden Begriff gefunden.

Beginnen wir in Europa, wo man missmutig kritisiert, dass diese wichtige Ländergemeinschaft in der Angelegenheit „Syrien“ nur eine Zuschauerrolle spiele, wobei Syrien doch quasi vor der Haustür liege. Ich denke, diese Kritiker sollten ganz schnell ihre Münder zumachen, denn in Syrien gibt es nicht weniger als 4 Parteien, die sich in den Haaren liegen. Das sollte doch reichen, oder? Klar, es gehe doch um eine Vermittlerrolle, wird auf Anfrage nachgereicht. Doch vermitteln? Zwischen Putin, Assad, Erdogan und Islamisten? Mein Gott, da erstrahlen aber einige Augen in einem besonders unschuldigen Blau.

Vier Parteien, aber nur eine verfügt über die notwendige Legitimation, und das sind die Leute von Assad. Machen wir uns doch nichts vor: Assad ist der legitime Herrscher in Syrien, egal, mit welchen Methoden er das Land leitet. Man kann, man muss seinen Umgang mit Andersdenkenden kritisieren; man kann, man muss alle friedlichen Mittel ausnutzen, damit die Menschenrechte in dem Land beachtet werden. Aber wenn jemand gegen das Regime putscht, und der Aufstand der Rebellen ist im Grunde ein Putsch, dann hat Assad das Recht, wieder für Ordnung zu sorgen. Sicher, der Westen hat die Aufstände gegen das Assad-Regime begrüßt, sogar euphorisch den „arabischen Frühling“ genannt, aber das war wohl eher Parteinahme, die Hoffnung, dass die Aufständischen das schlimme (und legitime) Regime beenden könnten.

Auf meiner Internetseite (den Blog gab’s da noch nicht) habe ich zu jener Zeit die Frage gestellt: Wer sind eigentlich die Aufständischen? Und wer garantiert, dass das Land dadurch nicht vom Regen in die Traufe kommt? Die Zeit gibt mir recht, die Aufständischen, das sind zur Zeit nur noch islamistische Terrorgruppen. Gruppen, die von Erdogans Türkei unterstützt werden, von einem NATO-Mitglied. Und Erdogan besitzt sogar die Dreistigkeit, von Europa Beistand zu fordern. Geht’s noch dreckiger? Die andere Dreckschleuder sitzt in Moskau. Im Grunde hat auch Russland in Syrien nichts verloren, allerdings sind die russischen Truppen mit denen des legitimen Machthabers verbündet. Dass es Russland nur um russische Interessen geht, steht auf einem anderen Blatt. Diejenigen, die das Einschreiten Europas fordern, haben ja auch vorrangig europäische Interessen im Sinn. Das Elend der Flüchtlinge macht sich propagandistisch gut. Wobei ich in aller Deutlichkeit anmerken möchte, dass es Menschen (auch Politiker) gibt, denen das Wohl der Zivilbevölkerung echt am Herzen liegt.

Es gibt nur einen Weg, Frieden in Syrien zu schaffen und den Flüchtlingsstrom einzudämmen: Die Aufständischen müssen aufgeben, und Erdogan muss seine Agressionen in Syrien beenden. Er kann ja gerne eine Pufferzone für Flüchtlinge einrichten, aber dann bitteschön völkerrechtlich vertretbar, das heißt auf türkischem Boden. In Syrien hat der Kerl nichts zu suchen, absolut nichts. Punkt.

Merkel: Da geht’s lang

Immer schön, wenn man sich auf die Urteilskraft prominenter Politikerinnen und Politiker verlassen kann. Zum einen weiß man dann Bescheid; zum anderen hat man das beruhigende Gefühl, dass das Land auf dem richtigen Wege ist. Frau Merkel ist in dieser Hinsicht eine besondere Größe: kaum ein Ereignis, bei dem sie nicht um
Einordnung gebeten wird. Spionage der Amis im deutschen Handy-Netz? „Unter Freunden geht das gar nicht.“ Hass im Internet? „Hass ist Gift in unserer Gesellschaft.“ Im Mittelmeer ertrinkende Flüchtlinge? „Wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen.“ Krieg hier und dort? „Wir müssen uns um eine Friedenslösung bemühen.“ Usw. Lauter Meinungsäußerungen, auf die ein Normalbürger gar nicht gekommen wäre, abgesehen von jenen Bürgern, die sich selbst im Digitalzeitalter noch eine Portion gesunden Menschenverstand bewahrt haben.

Damit bin ich beim Thema: Merkel, ihre Meinung und das Digitalzeitalter. Als promovierte Naturwissenschaftlerin hat sie auf diesem Feld zweifellos eine besondere Meinungskompetenz. Uns so krame ich wieder ein Youtube-Video hervor, dass ich 2017 heruntergeladen habe und das eine Ansprache Merkels auf einem Happening in Saarbrücken 2016 wiedergibt. Dabei ging es um die Digitalisierung von Schulen, aber auch um Digitalisierung allgemein. Das Video dauerte nur wenige Minuten, aber das, was Frau Merkel da äußerte, hat es in sich.

Es begann mit einigen Äußerungen zur Gesundheitskarte, wobei sie jene Menschen auf die Schippe nahm, die eine gewissen Zurückhaltung gegenüber der Gesundheitskarte darauf zurückführten, dass vor allem ältere Menschen sich keine PIN merken könnten. Merkel betonte, dass dahinter etwas ganz anderes stecke, nämlich die Befürchtung, das Rennen von Arzt zu Arzt könnte mit der Karte aufgedeckt werden.

„Ditigalisierung schafft nämlich auch ziemlich gnadenlose Transparenz.“

Diesen Satz kann ich nur sarkastisch kommentieren: Richtig, Frau Merkel, es geht wirklich nicht, dass die Bürger die freie Wahl des Arztes dahingehend missbrauchen, dass sie mehrere Ärzte konsultieren. Das muss unterbunden werden, und der beste Weg ist tatsächlich die digitale Kontrolle. Transparenz muss her, wir müssen sehen, was die Bürger machen, und Fehlleistungen entlarven, gnadenlos. Der transparente (gläserne) Bürger wird sich schon systemgerecht verhalten und das Gesundheitssystem nicht aus egoistischen Gründen überlasten. Nicht wahr?

Ok, weiter in der Ansprache. Merkel ging nun auf die Erfassung von Bürgerdaten ein:

Wir haben nun die fast paradoxe Situation, dass wir ein Kerndatensystem für Flüchtlinge haben, wo man (…) ein gemeinsames Datensystem hat, dieses aber nur für Flüchtlinge existiert und nicht für Bürgerinnen und Büger, die schon viele Jahre hier leben. Und (…) wir müssen eine kleine Bewegung schaffen, dass der Bürger, der schon viele Jahre hier lebt, sagt: „Das will ich auch haben. … Teil eines Kerndatensystems zu sein.“

Nee, Frau Merkel, genau das will ich nicht. Und das dürfen alle Bürger nicht wollen, wenn Deutschland ein Land sein soll, in dem man „gut und gerne lebt“. Sie wollen diese Datei vielleicht, weil Sie dadurch ein erhöhtes Überwachungspotenzial schaffen, aber ich will nicht datenmäßig erfasst und ausgequetscht werden. Ich will einfach nur frei sein, und das heißt, dass ich eben nicht in einer Zentraldatei für jeden denkbaren Zugriff in Sekundenschnelle erreichbar bin. Ich will bestimmt ein guter Bürger sein, aber ich will andererseits nicht, das ich für jeden kleinen Fehler zur Rechenschaft gezogen werden kann. Freiheit beinhaltet auch Irrtümer und die Möglichkeit, diese ohne staatliche Kontrolle ausbügeln zu können.

Dann ging’s um den Datenschutz. Den folgenden Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen (ich habe ihn in verschiedenen Beiträgen bereits zitiert). Sie meint damit Maßnahmen zum Datenslchutz:

„… bei denen wir jetzt aufpassen müssen, dass wir es nicht wieder so restriktiv machen, dass das Big Data Management dann doch nicht möglich wird.“

Mit anderen Worten: Damit wir zum Big Data Management gelangen, dürfen wir uns um Himmels Willen nicht zuviel Datenschutz erlauben. Ich weiß nicht, was Frau Merkel unter Big Data versteht, aber man darf wohl davon ausgehen, dass sie sehr wohl weiß, was damit gemeint ist. Big Data – die totale, vollständige Erfassung von allem, was sich in Form von Daten beschreiben lässt. Das sind Menschen, ihr Verhalten und ihre Meinungen; das sind Dinge und ihre Zugehörigkeit zu Menschen; das sind Zustände und Veränderungen usw. (endlose Liste). Vor allem ist mit Big Data die sogenannte Konvergenz der Datennetze gemeint, wobei es darum geht, sachbezogene und personenbezogene Daten miteinander zu verschmelzen – Nivellierung von Menschen auf Maschinenebene. Klartext: Big Data ist die absolute Algorithmisierung des menschlichen Miteinanders und somit das Ende dessen, was wir unter einer humanen Gesellschaft verstehen. Big Data ist das Goldene Kalb, worum sich jene Menschen versammeln, die aus Menschlichkeit (mit allen damit verbundenen Schwächen) keinen Sinn mehr beziehen können – oder wollen.

„Denn das Prinzip der Datensparsamkeit, wie wir es vor vielen Jahren hatten, kann heute nicht die generelle Leitschnur sein für die Entwicklung neuer Produkte.“

Hier meint Frau Merkel offensichtlich nur sachbezogene Daten. Ok, bei dieser Begrenzung, wenn sie denn äußerst strikt erfolgt, gibt es bei der Datenerhebung nichts zu bemängeln – außer dass mit dem Grad der Vernetzung auch die Störanfälligkeit wächst. Störungen, die sich übers Netz blitzschnell und umfassend verbreiten können. Doch wie gesagt: Auf keinen Fall dürfen persönliche, geschützte Daten daruntergemischt werden. Ob unsere Bundeskanzlerin diese Unterscheidung wohl im Fokus hatte? Egal, der letzte Satz, den ich hier zitiere, bezieht sich wieder auf persönliche Daten. Kann es sein, dass Frau Merkel da überhaupt nicht differenziert? Das heißt, sie hat hiel nur einen Begriff ins Spiel gebracht:

Datensouveränität

Ich weiß nicht, woher sie diesen Begriff hat; er wurde zeitnah auch von Sigmar Gabriel geäußert. Dahinter steckt der Versuch, den Begriff „Datenschutz“ aus der Welt zu schaffen. Mit Datensouveränität ist gemeint, dass jeder Bürger selber entscheiden solle, welche Daten er in welchem Umgang preisgibt. (Nach Möglichkeit natürlich viele, denn – siehe Big Data) Wie gesagt, Datensouveränität ist Quatsch, denn die gibt es überhaupt nicht. Das ist nicht mehr als ein fiktives Konstrukt, an das man sich klammert, um den Datenschutz abschütteln zu können. Einen souveränen Umgang mit Daten könnte es nur dann geben, wenn die Betroffenen voll und nachprüfbar über ihre Daten verfügen könnten, was nicht mal ansatzweise möglich ist. Kein Mensch kann wirklich verfolgen, wohin seine persönlichen Daten fließen. Kein Mensch kann nachprüfbar auf irgendeinem Server (inklusive der redundanten Speicherungen) die Daten vollständig löschen. Unter diesen Bedingungen von Souveränität zu reden, ist entweder total naiv oder – arglistig.

Pardon, Frau Merkel, auch wenn die Mehrzahl der Deutschen an Ihren Lippen hängt und Ihre Wegweisungen folgsam beachtet: das, was Sie in Saarbrücken von sich gegeben haben, ist ganz einfach unerträglich.